Braunschweig. Timo Keller über das Familienleben im Klimawandel. In dieser Folge von „Familienklima“ geht‘s um die Oker und ihre Altlasten.

Jedes Jahr nehmen wir es uns vor, jedes Jahr stellen wir im Herbst fest: wieder nicht geschafft. Die Rede ist von einer Familien-Paddeltour auf der Oker durch Braunschweig. Und weil sich die Oker in ihrem späteren Verlauf auch noch in Sichtweite des Zuhauses vorbeischlängelt, ist sie immer wie ein Appell, der einem ständig vor Augen führt, dass man es schon wieder nicht geschafft hat. Aber 2024 gibt es den nächsten Anlauf.

Zumal unsere Fünfjährige ganz heiß auf so eine Tour ist. Und die Erzählungen von Freunden, die bereits die Oker befahren haben, klingen ja auch vielversprechend. Ob wir dann auch in dem Fluss baden könnten, fragte das Kind unlängst, als es wieder um das Thema ging. Gute Frage. Warum nicht? Lösung: Weil die Stadt Braunschweig ein generelles Badeverbot für die Oker verhängt hat, das bereits seit den 50er Jahren Bestand hat.

Warum das Baden in der Oker in Braunschweig wirklich verboten ist

Erst Mitte des Monats hatten wir unter der Überschrift „Giftige Grüße aus dem Harz“ über die Schwermetall-Belastung in dem Fluss berichtet. Dabei handelt es sich um ein Erbe des Bergbaus und Hüttenwesens im Mittelgebirge. Die Stadt wiederum nennt als Gründe für das Badeverbot Mischwasserabschläge bei Starkregen sowie die Einleitung von Straßenabwasser und Abwasser aus der Kläranlage in Wolfenbüttel. Die Schwermetall-Belastung sei für das Baden unbedenklich, „solange der schwermetallbelastete Schlamm am Grund der Oker nicht aufgewühlt wird“.

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Wie viel mehr könnte man wohl innerstädtisch und in den Randgebieten Braunschweigs sowie im Umland aus der Oker herausholen, wenn der Fluss einigermaßen gesund wäre? Und wer trägt eigentlich Sorge dafür, dass sich die Lage bessert? Der Fluss kann ja nicht selbst für sich eintreten – zumindest in Deutschland nicht. In einigen Ländern wurden mittlerweile Wälder, Pflanzen, Seen oder eben Flüsse zu juristischen Personen erklärt. In Spanien etwa eine Lagune, in Ecuador ein Nebelwald.

Und als juristische Person können diese dann auch vor Gericht ziehen. Klingt erstmal komisch, wenn in Saal A im Landgericht auf einmal der Fall „Die Oker gegen die Kläranlage Wolfenbüttel“ verhandelt wird. Aber die Idee hat Charme, und sie wertet die Natur auf eine völlig neue Weise auf. Natürlich müsste sich die Oker auch einen rechtlichen Vertreter suchen, sie selbst macht ja in ihrem Flussbett einen weiten Bogen um die Innenstadt und damit um das Landgericht. Auf weitere (flüssige) Wortwitze soll an dieser Stelle verzichtet werden.

Haben Sie Ideen, Anregungen oder Kritik? Schreiben Sie mir: timo.keller@funkemedien.de.

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