Braunschweig. Timo Keller über das Familienleben im Klimawandel. In dieser Folge von „Familienklima“ geht‘s um den Umgang mit Klimaaktivisten.

Neulich auf dem Sofa. Die Fünfjährige taucht urplötzlich auf und erhascht einen Blick aufs Tablet. Darauf zu sehen: ein Text über Luisa Neubauer inklusive Foto. „Wer ist das?“ „Das ist die Luisa.“ „Und was macht die?“ „Die ist Klimaaktivistin und kämpft gegen den Klimawandel.“ Kurze Pause, dann: „Wenn ich groß bin, will ich auch Klimaaktivistin werden“.

Ein großer Satz, gelassen ausgesprochen. Zum einen ist natürlich die Hoffnung da, dass es keine Klimaaktivisten mehr braucht, wenn eine heute Fünfjährige solch eine Entscheidung treffen muss, weil alle verstanden haben, dass und wie Umwelt und Klima geschützt werden müssen. Zum anderen: Will man wirklich, dass sich das eigene Kind das antut? Ob nun Luisa Neubauer, Greta Thunberg oder andere: Diese jungen Menschen sind Tag für Tag Anfeindungen von Leuten ausgesetzt, die die Zeichen der Zeit noch nicht verstanden haben – oder nicht verstehen wollen.

Was Todesdrohungen gegen Klimaaktivisten über unsere Gesellschaft aussagen

„Diese permanente Bedrohungslage, die Morddrohungen, das Stalking, die Vergewaltigungsfantasien in Postfächern, das möchte ich nicht als Normalität in meinem Leben akzeptieren“, sagte Neubauer (27) unlängst in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Morddrohungen? Vergewaltigungsfantasien? Weil sie zu mehr Klimaschutz aufruft? Das zeigt einmal mehr, wie verroht und verblendet Teile der Gesellschaft sind, wie vergiftet der gesellschaftliche Diskurs ist. Wenn Argumente fehlen, wird halt zu solcher Rhetorik gegriffen. Das ist nur eins: schäbig.

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Statt froh zu sein, dass sich die nächste Generation für etwas Sinnvolles einsetzt, wird gehetzt, gepöbelt, gedroht. Dabei muss man doch gar nicht alles gut und richtig finden, was da von „Fridays for future“, der „Letzten Generation“ und Co. gefordert wird. Einiges mag übers Ziel hinausschießen oder in letzter Konsequenz und in der geforderten Kurzfristigkeit kaum umsetzbar sein. Aber bis auf einige Ausnahmen herrscht doch Konsens: Es muss etwas getan werden. Über das „Wie“ darf man streiten – wie Erwachsene, aber nicht wie Neandertaler mit Knüppel und Geschrei.

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Aber was sage ich der Fünfjährigen nun? Rate ich ihr vom Berufswunsch Klimaaktivistin ab? Ich setze auf den Faktor Zeit. Zumal die Liste mit den Berufswünschen lang ist. „Also Klimaaktivistin oder Tierärztin. Oder vielleicht Tänzerin. Oder Paläontologin. Oder Sängern, ich kann doch auch gut singen. Ich kann mich einfach nicht entscheiden.“ Zum Glück hat sie noch einige Jahre, bis sie das muss.

Haben Sie Ideen, Anregungen oder Kritik? Schreiben Sie mir: timo.keller@funkemedien.de.

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