Braunschweig. Die 24-jährige Neslihan Khalaf führt das orientalisch-mediterrane Nesly am Braunschweiger Hagenring und studiert parallel an der TU.

Über die Aussagekraft von Bewertungen im Internet lässt sich streiten – egal, ob sie nun positiv oder negativ sind. Doch ein bisschen reinlesen muss erlaubt sein.

„Als ob du bei der Oma deines türkischen Freundes zum Essen eingeladen wurdest“, schreibt etwa ein Google-Rezensent über sein Geschmackserlebnis bei Nesly in Braunschweig. Und ein Lieferando-Kunde fasst seine Bringdiensterfahrungen mit dem Lokal an der Kreuzung von Hagenring und Gliesmaroder Straße so zusammen: „Wer türkische Hausmannskost sucht, ist hier richtig. Sehr lecker und viel Auswahl.“ Wer gegenüber den Fremdurteilen im Netz skeptisch ist, probiert am besten selbst und stellt fest: Die Menschen haben recht. Nur mit dem Türkischen ist das so eine Sache.

Das Nesly in Braunschweig ist ein Familienbetrieb

„Kaffee oder Tee?“, fragt Neslihan Khalaf nach der ersten Begrüßung und ist kurz danach bereit zum Gespräch. Die 24-Jährige ist Namensgeberin des Bistros, es ist die minimal aufgestylte Kurzform ihres Vornamens. „Nesli“ sei sie schon immer gerufen worden, erzählt sie.

Offiziell ist Neslihan Khalaf hier die Geschäftsführerin, aber das tut eigentlich nicht viel zur Sache. Das Nesly ist ein Familienbetrieb, und da sind Jobbezeichnungen zweitrangig. Es wird erledigt, was erledigt werden muss. Jeder bringt sich ein, alle helfen, so gut es geht. So auch die 24-Jährige. Genauso ihre Mutter. Ihr Vater ebenfalls, trotz eines Nebenjobs. Und natürlich ihre Geschwister. Fünf sind es, wobei ihr jüngster Bruder als Fünftklässler noch Schonfrist genießt.

Bald locken wieder die Außensitzplätze am Hagenring.
Bald locken wieder die Außensitzplätze am Hagenring. © Henning Thobaben

In die Schule ging Nesli Khalaf erst mit elf – in Deutschland

Schule. Das ist auch für die Geschäftsführerin des Lokals ein wichtiges Thema. Aufgewachsen ist sie in einem kleinen Dorf in Nord-Syrien. 2004 verließ die Familie das Land. Während ihre Eltern mit den Schwestern nach Deutschland ausreisten, blieb Neslihan Khalaf mit ihrem zwei Jahre älteren Bruder Arhan aus finanziellen Gründen zunächst bei Bekannten in der Türkei, nahe der Grenze zu Syrien. „In die Schule gehen durften wir dort nicht“, erzählt die Frau, die so früh ihre Heimat verlassen hatte.

Nach fünf Jahren in der Region Hatay, die jetzt so hart von dem verheerenden Erdbeben getroffen wurde, ging es für sie und ihren Bruder ebenfalls weiter nach Deutschland. In einem kleinen Ort nahe dem sächsischen Görlitz war die Familie wieder vereint. Neslihan Khalaf war elf Jahre jung, als sie im östlichsten Zipfel Deutschlands ein neues Zuhause fand. Und es war das erste Mal, dass sie in einer Schule saß, zu lesen und zu schreiben lernte – damals zunächst ohne jegliche Deutsch-Vorkenntnisse.

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Zweites Semester Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Braunschweig

Umso bemerkenswerter ist, dass die Syrerin rund 13 Jahre später flüssig deutsch spricht. Und nicht nur das. 2016, kurz nachdem die Familie nach Braunschweig gezogen war, absolvierte sie ihr Wirtschafts-Abitur an der Heinrich-Büssing-Schule. Heute studiert sie im zweiten Semester Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Braunschweig.

„Es war immer mein Wunsch, in die Schule gehen zu dürfen. Vielleicht ging es mit dem Lernen deshalb so schnell“, sagt Neslihan Khalaf. In Deutschland habe sie sich immer wohl gefühlt. Die Sprachkurse mit anderen Ausländern, die Schulzeit in Sachsen – alles sei gut gelaufen. Das Erlernen der Sprache habe wohl auch deshalb so gut funktioniert, weil die Geschwister untereinander immer deutsch gesprochen hätten, vermutet sie.

Blick auf die Speiseauswahl im Nesly.
Blick auf die Speiseauswahl im Nesly. © Henning Thobaben

Die Gäste erwartet eine orientalisch-mediterrane Küche

Die Initiative für einen Umzug nach Braunschweig hatte ursprünglich ihr Bruder Arhan ergriffen. Seine Suche nach einem Ausbildungsplatz verlief in Ostdeutschland erfolglos. Er versuchte in Braunschweig sein Glück, wo er sich letztlich im IT-Bereich selbstständig machte. Der Rest der Familie ging mit und gründete die Existenz letztlich auf der gastronomischen Tätigkeit. „Ich habe schon mit 15 angefangen, als Servicekraft Geld zu verdienen“, erzählt Neslihan Khalaf. Weil ihre Mutter begeisterte Köchin ist, ergab sich schließlich im Herbst 2021 eine verlockende Perspektive: Das zuvor an dieser Stelle beheimatete Lokal hatte schließen müssen. Familie Khalaf übernahm den Laden unter neuem Namen und mit verändertem Angebot.

Auf der Karte ist vieles zu finden, was die orientalisch-mediterrane Küche hergibt: gefüllte Auberginen, Bulgur-Variationen, Salate wie den Riesenbohnensalat mit Sesamsoße, gefüllte Weinblätter, Börek, Tzatziki und einiges mehr. Besonders beliebt: die leckeren Zucchinipuffer.

Viele vegetarische und vegane Gerichte mit arabischer Note

Vieles davon ist vegetarisch oder vegan. Einiges ist der türkischen Küche entlehnt, die viele Schnittpunkte mit der syrischen aufweist. Doch zubereitet wird es größtenteils von Neslihan Khalafs Mutter, die ihr Handwerk in Syrien gelernt hat und den Gerichten mit kleinen Details einen speziellen arabischen Akzent verleiht. Neslihan Khalaf hat lange gut zugeschaut und vieles von ihr gelernt. „Zeitweise stand ich jeden Tag mit meiner Mama in der Küche“, erzählt sie.

Im Innenbereich gibt es ein paar Tische, doch ab Frühjahr wird auch die Terrassenfläche wieder belebt sein. Neslihan Khalaf pendelt zwischen Hörsaal und Lokal, kümmert sich angesichts der wirtschaftlichen Ausrichtung ihres Studiums gerne auch um Buchhaltung und Finanzen des Nesly. Braunschweig hat sie lieben gelernt und umgekehrt scheint es ebenfalls so zu sein, wie nicht nur die vielen lobenden Worte im Netz zeigen. „Am Tisch dort drüben sitzt gerade mein Uni-Professor“, sagt die Syrerin und freut sich.

Rezepttipp: Zucchinipuffer

Zutaten: 500 g Zucchini, 3 Lauchzwiebeln, 1/2 Bund Petersilie, 2 Eier, 3 EL Mehl, 1/2 TL Paprika edelsüß, Salz und Pfeffer nach Belieben.

Zubereitung: Zucchini und Zwiebeln grob reiben. Die Zucchini in ein Küchentuch geben und gut ausdrücken. Die übrigen Zutaten hinzufügen, gut würzen und zu einem dickflüssigen Teig verarbeiten. Mit wenig Öl jeweils etwa zwei bis drei EL Teig in eine beschichtete Pfanne geben. Besonders gut schmecken die Puffer in Kombination mit Tzatziki.

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