Braunschweig. Die Klimaaktivisten stoppten kurzzeitig den Verkehr auf dem Rebenring. Es gab Staus. Mit welchen rechtlichen Konsequenzen müssen sie rechnen?

Zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen haben Anhänger der Gruppe „Letzte Generation“ am Donnerstag den Braunschweiger Ring im Feierabendverkehr blockiert. Dieses Mal betraf es den Rebenring in Höhe Geysostraße. Die Aktion hatte laut Polizei kurz vor 16.30 Uhr begonnen – und war gegen 17 Uhr beendet.

Die Aktivisten der „Letzten Generation“ in Braunschweig.
Die Aktivisten der „Letzten Generation“ in Braunschweig. © Constantin Jäge

Wie Polizeisprecherin Carolin Scherf mitteilt, hatten sich mehrere Personen auf die Fahrbahn in Richtung Hamburger Straße gesetzt – ohne sich festzukleben. Die Polizei habe mit den Blockierern gesprochen. Diese würden in diesen Fällen zunächst immer als Versammlung betrachtet, so Scherf. Schließlich sei die Verfügung erlassen worden, dass die Personen die Straße verlassen müssen. Dem seien sie nachgekommen.

Der Verkehr hat sich wie immer gestaut. Auch im ÖPNV kam es zu Beeinträchtigungen, weil Busse nicht weiterkamen.

„Letzte Generation“: Tempolimit auf Autobahnen und dauerhaftes 9-Euro-Ticket

In der Pressemitteilung schrieb die „Letzte Generation“, man fordere die Abgeordneten des Bundestags dazu auf, „einen Gesellschaftsrat einzuberufen, der die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen erarbeitet, die den Klimakollaps abwenden und unsere Zukunft in einer sich erhitzenden Welt sichern“.

Die Blockade auf dem Rebenring in Braunschweig dauerte am Donnerstagnachmittag etwa eine halbe Stunde – danach stellten sich die Klimaaktivisten mit ihren Transparenten auf den Fußweg.
Die Blockade auf dem Rebenring in Braunschweig dauerte am Donnerstagnachmittag etwa eine halbe Stunde – danach stellten sich die Klimaaktivisten mit ihren Transparenten auf den Fußweg. © Peter Sierigk

Zentrales Ziel sei, Deutschland bis 2030 emissionsfrei zu machen. „Das Gremium aus Bürger:innen wird Maßnahmen zur Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende, Konsumwende und Kreislaufwirtschaft erarbeiten. Die Bundesregierung soll verbindlich zusagen die Maßnahmen umzusetzen.“

Als erste Sofortmaßnahmen zur CO₂-Reduktion fordere die „Letzte Generation“ weiter ein Tempolimit von 100 km/h und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den ÖPNV.

Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Nötigung

Während es sich bei den Aktionen aus Sicht der Klimaaktivisten um gerechtfertigten zivilen Widerstand handelt, ermittelt die Braunschweiger Staatsanwaltschaft in allen bisherigen Fällen wegen des Verdachts der Nötigung, also wegen des Verdachts auf eine Straftat: Vor einer Woche saßen zwei Frauen und zwei Männer auf dem Hagenring im Bereich Jasperallee, drei von ihnen hatten ihre Hände an die Fahrbahn geklebt. Im November 2022 hatten Klimaaktivisten den Bohlweg in beide Richtungen blockiert, im Mai die Wolfenbütteler Straße und den Sachsendamm.

Hinsichtlich der Bohlweg-Blockade im November dauern die Ermittlungen gegen die Beschuldigten – acht Männer und vier Frauen – noch an, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Wolters, auf Anfrage mitteilt.

Geldstrafen von 40 Tagessätzen à 25 Euro beantragt

An der Blockade auf der Wolfenbütteler Straße im Mai 2022 waren sechs Männer beteiligt. Sie hatten den Verkehr für rund zwei Stunden gestoppt. Wolters zufolge wurden die Ermittlungen gegen zwei der Beteiligten abgeschlossen: In beiden Fällen habe die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht den Erlass von Strafbefehlen wegen Nötigung und die Verurteilung zu Geldstrafen jeweils in Höhe von 40 Tagessätzen à 25 Euro (insgesamt 1000 Euro) beantragt. Gegen einen 16-Jährigen sei Anklage wegen Nötigung erhoben worden.

Gegen einen 41-Jährigen und einen 16-Jährigen werden die Ermittlungen laut Wolters in Kürze abgeschlossen. Auch in diesen beiden Fällen sei mit der Beantragung eines Strafbefehls beziehungsweise einer Anklageerhebung zu rechnen. Die Ermittlungen gegen den sechsten Beteiligten, einen 59-jährigen Beschuldigten, dauern laut Wolters noch an.

An der Blockade auf dem Sachsendamm Mitte Mai 2022 war nur ein Klimaaktivist beteiligt. Der 41-Jährige habe einen Strafbefehl wegen Nötigung erhalten, so Wolters – 40 Tagessätze zu je 30 Euro, also insgesamt 1200 Euro – und dagegen Einspruch eingelegt.

Bei Widerspruch gegen Strafbefehl entscheidet Gericht

Grundsätzlich gilt: Wenn ein Gericht dem Antrag auf einen Strafbefehl stattgibt, kann der Angeschuldigte diesen entweder annehmen und die Geldstrafe zahlen – oder dagegen Widerspruch einlegen. Bei einem Widerspruch geht das Ganze vor Gericht.

Im Strafgesetzbuch wird Nötigung so definiert: „Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.“

Verurteilungen wegen Nötigung führen meist zu Geldstrafen

Bundesweit laufen zurzeit einige Tausend Verfahren gegen Klimaaktivisten. Allein in Berlin hat es seit Januar vergangenen Jahres 39 Verurteilungen und 511 Strafbefehle gegeben, wie der Evangelische Pressedienst kürzlich berichtete. Freisprüche habe es dort bislang keine gegeben. Die Verurteilungen wegen des Vorwurfs der Nötigung führten in Berlin wie auch andernorts in der Regel zu Geldstrafen.

In zwei Fällen habe das Amtsgericht Berlin-Tiergarten den Erlass eines Strafbefehls abgelehnt, heißt es weiter. Dagegen habe die Staatsanwaltschaft bislang in einem Fall erfolgreich Beschwerde eingelegt. Ein Richter des Amtsgerichts hatte seine Ablehnung damit begründet, es bestehe eine „objektiv dringliche Lage bei gleichzeitig nur mäßigem politischem Fortschreiten unter Berücksichtigung namentlich der kommenden Generationen, wie dies auch durch das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich angemahnt werden musste“. Autofahrer seien zudem keine gänzlich Unbeteiligten, so der Richter, sondern „maßgeblich an dem Verbrauch von Öl beteiligt und damit Teil der Klimaproblematik“.

Urteil: Eingriff in die Rechte Dritter ist nicht gerechtfertigt

Inzwischen gibt es auch ein Berufungsurteil zu einer Blockadeaktion: Das Landgericht Berlin hat im Januar ein erstinstanzliches Urteil bestätigt. Demnach hätten die Demonstrierenden zwar das Demonstrations- und Versammlungsrecht auf ihrer Seite. Dies rechtfertige es aber nicht, gezielt in die Rechte Dritter einzugreifen, um eigene politische Ziele zu erreichen, so das Landgericht. Die Teilnehmenden hätten vorrangig den Verkehr lahmlegen wollen. Weitergehende Ziele – etwa der Schutz des Klimas – seien für die strafrechtliche Bewertung nicht zu berücksichtigen. Es gebe kein noch so hehres Ziel, das einen gezielten Eingriff in die Rechte anderer rechtfertige.

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