Braunschweig. Weil sich kein Vorstand mehr findet, droht endgültig die Auflösung des traditionsreichen Zweigvereins in Braunschweig. Gibt es noch eine Rettung?

„Eigentlich kann man sich das gar nicht so richtig vorstellen“, sagen uns jetzt Wanderfreunde, die sich an die Redaktion gewandt haben. „Braunschweig ohne eigenen Harzklub – das ist doch eigentlich undenkbar!“

Tatsächlich ist der Harzklub, Zweigverein Braunschweig, eine Institution in der Stadt, jahrzehntelang nicht wegzudenken aus der Freizeitgestaltung für viele. Sie ziehen über die Wanderwege in der Region und natürlich im Harz, ihr Hauptquartier (gefühlt) ist der Brocken – und nach der Wiedervereinigung trafen wir uns alle auf gemeinsamen deutsch-deutschen Pfaden, grenzenlos.

Braunschweigs Verhältnis zum Harz ist ein besonderes – es geht ans Herz

Der Harzklub mit Hauptsitz in Clausthal-Zellerfeld ist eine Massenbewegung, der Heimat-, Wander- und Naturschutzbund unserer Region schlechthin, er integriert mehr als 80 Zweigvereine in drei Bundesländern mit rund 12.000 Mitgliedern. Aber das Verhältnis gerade der Braunschweiger, des traditionsreichen Zweigvereins an der Oker, war doch immer ein ganz besonderes: Braunschweig und der Harz – das ist richtig emotional, das geht ans Herz.

Was ist los? Tatsächlich sieht die Nachrichtenlage nicht gut aus für den Braunschweiger Harzklub-Zweigverein, aktuell immer noch mit rund 200 Mitgliedern.

Jahrelang fand sich kein neuer Vorstand mehr. Und am letzten Samstag traf sich in der Gaststätte mit dem doch eigentlich hoffnungsfrohen Namen „Zur Erholung“ eine traurige Mitgliederversammlung. Antrag auf Auflösung des Vereins! Bestellung von Liquidatoren! Eine knappe Mehrheit der rund 50 Anwesenden stimmte zu, wie unsere Redaktion erfuhr.

Anruf bei Wander-Ehepaar Monika und Helmut Krull, das viele Jahre die Fäden im Braunschweiger Harzklub zusammenhielt. 2016 zog sich Helmut Krull dann aus Alters- und Gesundheitsgründen vom Amt des Vorsitzenden zurück.

Zweigverein Braunschweig jetzt in der Phase der Liquidation – keiner will den Vorstand machen. Oder doch?

Ja, es stimmt. Der Zweigverein befindet sich in Liquidation, es zerreißt einem das Herz, ist der letzte Schritt vor der Löschung aus dem Vereinsregister. „Es gibt leider keine Menschen mehr, die die Verantwortung übernehmen wollen“, sagen die Krulls. Nein, so wie früher ist es alles nicht mehr, wissen sie.

Anruf beim 1. Vorsitzenden Frank Ulrich in Hannover. Er hatte vor sieben Jahren den Braunschweiger Zweigverein übernommen. Schon damals, wie es hieß, nur für einen Übergangszeitraum. Bis man neue Leute gefunden habe.

Frank Ulrich brennt für den Harzklub, auch in Hannover kämpfte er schon gegen ähnliche Probleme. Er ist auch Mitglied des erweiterten Hauptvorstandes in Clausthal-Zellerfeld, kümmert sich um die Jugendarbeit. Die gilt als Schlüssel zur Lösung der Probleme. Junge Leute müssen geworben werden! Die bringen viele neue Ideen mit. Und neue Gewohnheiten.

Da sind sie, die Probleme. Nicht nur in Braunschweig kennt man sie beim Harzklub, auch in Magdeburg, Hannover und anderswo. Das Durchschnittsalter der Mitglieder geht gegen 80 Jahre, und es bereitet zunehmend Schwierigkeiten, Menschen für die Arbeit in den Vorständen zu gewinnen. Die aber muss sein, denn im deutschen Vereinsrecht ist mit hiesiger Gründlichkeit alles bestens geregelt.

Mehr noch: Während in den kleineren Harz- und Harzvorland-Gemeinden so ein Harzklub noch eine Sonderstellung hat und ein Vorstand mit der Tanne auf grünem Grund am Revers noch was gilt, ist die Konkurrenz um öffentliche Wahrnehmung in den Städten groß. Und ein Trend jagt bekanntlich in immer kürzeren Abständen im Freizeitverhalten den nächsten ...

Gute Rahmenbedingungen: Wandern ist wieder im Kommen – und wichtig, auch für Jugendliche

Anrufe bei Christoph Steingaß vom Hauptvorstand und bei Christian Resow in der Geschäftsstelle des Harzklubs in Clausthal-Zellerfeld. Ja, die Grundstimmung ist schon etwas resigniert, aber vielleicht geht da ja noch was. Die Braunschweiger sind gesellig, sie zeichnet eine rege Wandertätigkeit aus.

Und vor allem: Nach Corona, vielleicht auch durch Corona wieder daran erinnert, zieht es die Leute geradezu zum Wandern und ins idyllische Mittelgebirge. Beneidet sei die Region, die einen Harz vor der Haustür hat ...

Und auch das ist noch nicht alles. Immer mehr Menschen begreifen wieder, dass ein gesundes, gemäßigtes Wandern durchaus mit Medizin gleichgesetzt werden kann, eine Wohltat für die Gesundheit und fürs Zusammensein. Viele spüren durchaus: Wege etwa am gluckernden Oberharzer Wasserregal entlang können mitunter eher Pfade zu sich und anderen sein als verspannte Sitzungen an Bildschirmen.

Am Mitgliedsbeitrag liegt es wohl nicht: 20 Euro im Jahr sind durchaus erschwinglich

Aber das ist das eine, die Bereitschaft, sich im Verein zu engagieren, gewiss das andere. Ach ja, so eine Mitgliedschaft im Zweigverein Braunschweig ist vergleichsweise günstig, der Beitrag beträgt 20 Euro im Jahr (bis 18 Jahre 4 Euro). Davon wird das Wanderwegenetz in Schuss gehalten. Wanderführer, Helfer, alle sind im Harzklub ehrenamtlich im Einsatz. Die geführten Wanderungen sind kostenlos, bloß an den Fahrtkosten muss man sich beteiligen.

Gibt es für den Braunschweiger Harzklub noch eine Rettung? Zumindest rein formal ist dies noch möglich, wie alle Beteiligten betonen – und nicht wenige hoffen.

Ein Jahr währt die Frist der Liquidation. In dieser Spanne müssten sich Menschen finden – Vorsitzender, Schriftführer, Schatzmeister –, die es nochmal wissen wollen. Auch Langzeit-Interimsvorsitzender Frank Ulrich ließe dann nochmal mit sich reden, wie er uns sagt. Wenn alles passt und zukunftsträchtig ausgerichtet ist.

Verschwindet also der traditionsreiche Harzklub nach fast 140 Jahren aus unserer Stadt? Es kommt drauf an ...

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