Braunschweig. Geschichtenerzählen ist eine der ältesten Künste der Welt. Die Mitglieder der Erzählwerkstatt Braunschweig pflegen diese Kunst mit Leidenschaft.

In einer kleinen Stadt lebte einst ein altes Fräulein namens Ophelia. Als sie zur Welt gekommen war, hatten ihre Eltern den Wunsch, dass sie später einmal eine berühmte Schauspielerin wird. Deshalb gaben sie ihr den Namen Ophelia. Doch Ophelia hatte kein Talent auf der Bühne… So oder ähnlich klingt es, wenn man die Ophelia-Geschichte frei nach Michael Ende erzählt. Es ist eine Liebeserklärung an das Theater und an das Geschichtenerzählen. Diese Geschichte ist eine der vielen Erzählungen aus dem Repertoire der Erzählwerkstatt Braunschweig. Der Verein hat sich der Förderung und Pflege mündlicher Erzählkultur verschrieben.

Schattentheater, Märchenwanderungen und Pop-up-Bilder

25 Mitglieder sind es, die das Erzählen und Hören von Geschichten lieben. Märchen sind es, Sagen aus fremden Kulturen, Mythen, Fabeln und durchaus auch selbst ausgedachte Geschichten. „Wenn man eine Geschichte erzählt, ist der Kontakt zu den Zuhörern viel intensiver, als wenn man die Geschichte aus einem Buch vorlesen würde. Man kann viel besser auf das Publikum eingehen“, weiß Karen Kamp. Die 62-Jährige bezeichnet sich als Märchenerzählerin: „Selbst wenn 200 Kinder im Publikum sitzen, legt sich die Erzählung wie ein Tuch über das Publikum. Es ist dann so leise, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte.“

Elvira Wrensch und ihr Schattentheater.
Elvira Wrensch und ihr Schattentheater. © Peter Sierigk

Bei den Treffen der Erzählwerkstatt wird viel gelacht, und jeder bringt seine Ideen und sein Können ein. Elvira Wrensch zum Beispiel erzählt gerne Geschichten in Form des Schattentheaters. Andere begleiten ihre Geschichten musikalisch, mit Hilfe von Pop-up-Bildern oder in Form eines japanischen Kamishibai-Theaters, bei dem die Handlung mit Hilfe von kleinen Bühnenbildern untermauert wird. So tragen sie Geschichten in die Welt über Junge und Alte, Arme und Reiche, über Schlaue und Dummlinge, über Verluste und die stete Suche nach dem Glück: in Schulen, Kitas und Seniorenheime, in Museen, auf Feste und Kleinkunst-Bühnen.

Kino im Kopf

„Märchen berühren die Seele. Mir ist es wichtig, sie in unsere schnelllebige Zeit rüber zu retten“, sagt Dorothea Krock (65). Die Anfänge der Erzählwerkstatt reichen mehr als 35 Jahre zurück, erinnert sich Brigitte Vaupel (67). Ihr Mann hatte einst den Okernick erfunden. Damals begannen die Ehrenamtlichen, mit einem Erzählkoffer Fachkräfte in Kitas und Schulen zum Geschichtenerfinden anzuregen. Mittlerweile ist der Verein breit aufgestellt, veranstaltet Workshops, offene Bühnen, Märchenwanderungen und größere Veranstaltungen wie das Braunschweiger Erzähl-Festival, das im März 2021 zum vierten Mal stattfinden wird. Das alles wird finanziert aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und mit Hilfe von Stiftungen und Sponsoren.

Karen Kamp (links) und Dorothea Krock erzählen gerne Märchen.
Karen Kamp (links) und Dorothea Krock erzählen gerne Märchen. © Peter Sierigk

Die meisten Mitglieder der Erzählwerkstatt haben sich zu Geschichtenerzählern weiterqualifiziert. „Anfangs habe ich versucht, die Geschichten auswendig zu lernen und sie wortwörtlich wiederzugeben“, erzählt Elvira Wrensch. Das funktioniere aber nicht. Dorothea Krock ergänzt: „Man muss sich die Geschichten in Bildern merken und so erzählen, dass diese Bilder auch beim Publikum entstehen.“ Elvira Wrensch nickt: „So entsteht Kino im Kopf.“

Fakten

Name des Kandidaten: Erzählwerkstatt Braunschweig

Das Ziel: Förderung und Pflege der mündlichen Erzählkultur

Kontakt: Erzählwerkstatt Braunschweig e.V. Hopfenkamp 6, 38124 Braunschweig. Mail: post@erzaehlwerkstatt-bs.de

Gemeinsam-Preis 2020- Die Kandidaten im Überblick

Kandidat 1: Die Aktion „Memorial Ride“ der „brunswick wheelers“

Kandidat 2: Wolfgang Pozzato organisiert Kulturveranstaltungen der Kleinkunstbühne

Kandidat 3: Das Projekt „Eine Chance für Bienes Zukunft“

Kandidat 4: Leonardo Emilian Meyer-Welz sammelt Spenden für die Trostinsel in Wolfsburg

Kandidat 5: Der Einsatz für die „German Church School“ in Addis Abeba

Kandidat 6: Das Team des außerschulischen Lernorts am Kaiserdom Königslutter

Kandidat 7: Klaus Dieter Brandt hat den Weihnachtsmarkt von Wasbüttel ins Leben gerufen

Kandidat 8: Bodo Wenzel und sein Engagement für die AG zum Themenfeld Digitaltechnik, Computer und Programmieren

Kandidat 9: Annika Herzberg und ihr vielseitiges Engagement in Wolfenbüttel

Kandidat 10: Marius Schenkel ist Lengedes Tausendsassa

Kandidat 11: Das Team rund um Rosemarie Streich und das Umweltschutzforum Schacht Konrad

Kandidat 12: Die freiwilligen Helferinnen des Secondhandladens des Mütterzentrums Braunschweig

Kandidat 13: Melanie Ziembinski setzt sich für ehrenamtlichen Schwimmunterricht ein

Kandidat 14: Das Team rund um die Gruppe „Stark für Tiere“

Kandidat 15: Die Erzählwerkstatt Braunschweig und die Förderung der mündlichen Erzählkultur

Kandidat 16: Frank Lillie und sein Engagement bei der Musikgruppe „Oldies but Goldies“

Kandidat 17: Das Team der Jugendfreizeitzentrum-Initiative Schöningen

Kandidat 18: Der Bürgerverein Steterburg und sein Engagement

Kandidat 19: „Fridays for Future“ Braunschweig

Kandidat 20: Peter Bronold - der „Vater der Streuobstwiesen“

Kandidat 21: „Sybilla kämpft gegen Plastikmüll“ - zwei junge Frauen und ihr Engagement als FÖJlerinnen

Kandidat 22: Die Damen des DRK Krankenhaussozialdienstes in Wolfenbüttel

Kandidat 23: Die Ehrenamtlichen der Braunschweiger Karnevals-Gesellschaft

Kandidat 24: Eine Idylle für Mensch und Tier: Das Naturfreibad Bettmar