Braunschweig. Die Polizei erwartet bei den Protest-Demos bis zu 12.000 Teilnehmer. Außerdem rechnet sie mit mehr als 500 gewaltbereiten Linksextremen.

Ende nächster Woche trifft sich die AfD in Braunschweig zu ihrem Bundesparteitag. Mehrere Gegendemonstrationen sind angekündigt – das „Bündnis gegen Rechts“ organisiert einen breiten Protest. Der Parteitag findet am Samstag, 30. November, und Sonntag, 1. Dezember, statt. Doch schon für Freitag ist eine erste Kundgebung angemeldet, außerdem kommt dann bereits der AfD-Bundesvorstand zusammen. Am Samstag sind mehrere Aufzüge und Demos vorgesehen, morgens und vormittags rund um die VW-Halle, ab 13 Uhr auf dem Schlossplatz.

Wie die Polizei die Ereignisse bewertet, erläutert Einsatzleiter Roger Fladung, der Vizepräsident der Polizeidirektion Braunschweig.

Herr Fladung, für die Polizei sind der Parteitag und die Demos sicher eine große Herausforderung. Hätten Sie sich gewünscht, dass der Parteitag in Braunschweig gar nicht genehmigt worden wäre?

Ein Großeinsatz über drei Tage, wie wir ihn jetzt erwarten, ist kein Einsatz, den man sich wünscht. Aber die rechtlichen Voraussetzungen sind so, dass mit der Anmeldung eines solchen Bundesparteitages und den sich daraus ergebenden Veranstaltungen ein Schutzauftrag für die Polizei gegeben ist – und dem werden wir uns auch stellen.

Was genau erwarten Sie an den drei Tagen? Es soll ja am Freitag mit der ersten Demo losgehen, auch der AfD-Bundesvorstand wird am Freitag anreisen. Dann folgt der Samstag mit Kundgebungen und Demo-Zügen, und erst am Sonntag endet der Parteitag.

Wir erwarten einen breiten friedlichen Protest von 10.000 bis 12.000 Menschen, die Vorbehalte gegen eine aus ihrer Sicht rechtspopulistische und rechtsnationale Entwicklung der AfD haben. Da sind wir gefordert, diesen wichtigen Protest zu gewährleisten, unter anderem auch mit Blick auf verkehrliche Fragen. Der zweite Schutzauftrag ist der Bundesparteitag selbst: Wir gehen mit Delegierten und Personal von 1200 bis 1500 Personen in der VW-Halle aus.

Dann gibt es einen weiteren Schutzauftrag, weil wir eine sicherlich nennenswerte Größe von Gruppen aus dem linksextremen Spektrum haben werden, die gezielt durch Gewalt verhindern wollen, dass der Parteitag stattfinden kann, oder die Gewalt gegen Polizei und andere richten wollen.

Aber auf die möchte ich nicht an erster Stelle eingehen. Denn, es gibt viele Menschen an diesem Tag, die wollen weder das Eine noch das Andere – die wollen sich einfach in der Stadt bewegen. Und das wird bei den angekündigten Kundgebungen am Samstag nicht ganz so einfach sein. Viele wollen sicher auch zum Einkaufen ...

… zum Beispiel auf dem Weihnachtsmarkt. Wird das überhaupt möglich sein?

Der Weihnachtsmarkt findet natürlich statt,und die Besucher werden auch hinkommen. Wir werden das Ganze mit einem umfassenden Verkehrskonzept gemeinsam mit der Stadt und der Braunschweiger Verkehrs-GmbH begleiten.

Aber zwischen Europaplatz und Schlossplatz wird am Samstag für einige Stunden möglicherweise nicht viel Verkehr fließen, oder?

Das hängt alles vom Verlauf der Versammlungen und des Aufzugs ab. Der Europaplatz wird zeitweise nicht befahrbar sein, und es kann auch sein, dass wir auf dem Bohlweg den Verkehr anhalten müssen, vielleicht auch die Straßenbahnen. Auch schon am Freitagabend werden wir im Zusammenhang mit der angekündigten Demonstration zeitweise Sperrungen am Europaplatz vornehmen. Aber die Einsatzkräfte sind angewiesen, den Verkehr solange wie möglich laufen zu lassen, weil wir ja um diese Verkehrsader wissen. Zu all dem folgen auch noch genaue Informationen.

Sie sprachen von gewaltbereiten Gruppen. Mit wie vielen Linksextremen rechnen Sie?

Mit mehr als 500, überwiegend aus dem norddeutschen Raum, aber auch darüber hinaus. Es gibt eindeutige Aufrufe. Da wird von Widerstand gesprochen, teilweise von Blockaden. Nicht jede Blockade führt zur Rechtswidrigkeit – aber Blockade und Widerstand sind dann rechtswidrig, wenn sie zielgerichtet der Verhinderung der Veranstaltung der anderen dienen.

Inwiefern richten Sie Ihr Einsatzkonzept an früheren AfD-Bundesparteitagen aus? Vor zwei Jahren in Hannover gab es ja beispielsweise Eskalationen mit Verletzten unter Demonstranten und Polizeibeamten. Rechnen Sie mit solchen Vorfällen auch in Braunschweig?

Zu unserer Vorbereitung gehört natürlich ganz maßgeblich auch die Auswertung der Einsatzverläufe bisheriger AfD-Bundesparteitage der vergangenen Jahre und der damit verbundenen Versammlungen: Hannover, Augsburg, Köln, Stuttgart. Bei all diesen Bundesparteitagen hat es Straftaten mit Einwirkung auf Veranstaltungsteilnehmer, Einsatzkräfte und Rettungskräfte gegeben. Das macht uns hochsensibel. Szenarien wie in Hannover und anderswo sind Teil unserer Überlegungen – solche Verläufe werden aber nicht das Stadtbild prägen.

In Hannover hatte die Polizei Wasserwerfer eingesetzt, Schlagstöcke, Pfefferspray. Werden Sie in Braunschweig auch von vornherein Wasserwerfer positionieren?

Es wird Wasserwerfer in der Stadt geben, denn wir müssen Reaktionsmöglichkeiten haben, falls es zu Gewaltaktionen kommt. Mir ist aber eines ganz wichtig: Was es nicht geben wird, ist ein Wasserwerfer an einem friedlichen Aufzug. Daran möchte ich mich hinterher auch messen lassen. Bei einem bürgerlichen Protest wird es keine Maßnahmen geben, die den Eindruck erwecken, dass wir irgendetwas einschränken. Gleichzeitig werden wir uns sehr konsequent und niederschwellig auf die konzentrieren, die etwas anderes vorhaben.

Was heißt niederschwellig?

Wer Gewalt begehen will und das durch sein Verhalten zeigt, der hat an diesem Tag an diesem Ort nichts zu suchen. Wo wir Gewaltgruppen erkennen, werden wir frühzeitig die Grenzen ziehen und sie auffordern, das zu unterlassen. Wenn Straftaten stattgefunden haben, werden wir sofort für Ermittlungsverfahren und Beweissicherung sorgen.

Eine Besonderheit bei Versammlungslagen tritt außerdem dann ein, wenn eine Vermischung bis hin zur Solidarisierung mit Gewaltgruppen stattfindet. Dann ist es ganz schwierig, polizeiliche Maßnahmen so klar erlebbar zu machen, dass keine verzerrten Wahrnehmungen entstehen und Menschen meinen, die Polizei sei überaktiv. Deswegen werden wir mit unserem Social-Media-Team ständig berichten. Wir wollen sehr schnell Situationen erklären, die missverstanden werden können. Wir werden twittern und auf Facebook unterwegs sein und proaktiv beschreiben, was wir tun.

Die wichtigsten Infos zum AfD-Bundesparteitag in Braunschweig

Wie viele Polizeibeamte werden sich damit beschäftigen?

Sechs am Tag und vier in der Nacht.

Mit wie vielen Einsatzkräften werden Sie an den drei Tagen insgesamt unterwegs sein?

Mit deutlich mehr als Tausend Beamten, maßgeblich aus der Landespolizei Niedersachsen.

Sind Sie der Meinung, dass dieser Parteitag in einer anderen, aufgeheizteren Atmosphäre stattfindet als bisherige AfD-Parteitage?

Ja. So haben die Wahlergebnisse der AfD in den vergangenen Monaten zu einer intensiven gesellschaftspolitischen Diskussion geführt, wie man sich richtig positioniert. Das ist anders als bei bisherigen Bundesparteitagen. Es geht dabei auch immer wieder um polarisierende Einzelpersonen und auch ihre Rollen, die sie künftig in Bundesgremien wahrnehmen werden. Das will ich gar nicht bewerten, aber es kann an diesem Wochenende ein Faktum sein, das den Protest betreffen wird.

Die AfD-Landesvorsitzende Dana Guth sagte vor wenigen Tagen im Interview mit unserer Zeitung, sie befürchte, dass die Sicherheit der Delegierten gefährdet sein könnte. Teilen Sie diese Sorge?

Es hat bei vergangenen Bundesparteitagen sehr wohl Übergriffe auf Delegierte gegeben, die auf dem Weg zur Veranstaltung waren. Dies sind nicht hinnehmbare Straf- und Gewalttaten. Unser Schutzauftrag ist auch hier eindeutig! Wir sind natürlich mit dem Veranstalter im Gespräch und werden Empfehlungen geben, wie man den Veranstaltungsort erreichen kann.

Wie nah dürfen Gegendemonstranten denn an die VW-Halle herankommen?

Wer seinen Protest auf die Straße bringen will, muss in Hör- und Rufweite agieren können. Wir werden uns hier in hohem Maße versammlungsfreundlich verhalten. Die Grenzen der Versammlungsfreiheit sind dort gesetzt, wo die Rechte eines anderen in einer Weise betroffen sein werden, dass dieser wiederum seine Rechte nicht wahrnehmen kann.

Es gab Kooperationsgespräche zwischen den Anmeldern, der Stadt als Versammlungsbehörde und uns. Dort wo Gefahrenbereiche berührt werden, etwa dort, wo man zu nahe an die VW-Halle gelangen will, haben wir unsere begründeten Vorbehalte erklärt. Wir erwarten in Kürze den Bescheid der Versammlungsbehörde mit Angaben zu den Standorten der Kundgebungen. Dann bleibt abzuwarten, ob die Anmelder den Rechtsweg beschreiten werden.

Sind an dem Wochenende rechtsextreme Aufmärsche zu erwarten?

Nein, es gibt keine Anmeldungen und auch keinen Aufruf zur Mobilisierung.

Gehen Sie gelassen in diesen Einsatz?

Wir sind sehr gut vorbereitet. Wir planen diesen Einsatz seit zwei Monaten sorgfältig. Meine Einsatzleitlinie heißt an erster Stelle: Kooperation und Dialog – unsere Polizeibeamten sind überall im Gespräch mit den Versammlungsleitern, wir setzen da auf die Kooperation.

Der zweite wichtige Punkt: Friedlichkeit und Differenzierung. Das heißt, ich möchte keine offensiven Maßnahmen an friedlichen Protestlern.

Und dann gibt es drittens die Interventionsfähigkeit und die Flexibilität: An dem Tag geht es um dynamische Prozesse, bei denen sich Gewalt gegen die Polizei richten kann. Ich werde nicht zulassen, dass Polizeibeamte intensiv angegangen werden, die in Ausübung ihres Dienstes keine Meinung und keine Sache vertreten werden, sondern einen Schutzauftrag wahrnehmen, der sich durch das Recht begründet. Hier appelliere ich auch an alle, genau zu gucken, wo man mitgeht und wo man nicht mitgeht.

Ich erwarte das Vertrauen in die Polizei, dass alle unsere Maßnahmen auf die friedliche Durchführung aller angezeigten Veranstaltungen ausgerichtet sein werden. Dazu gehört auch, darauf zu vertrauen dass wir differenziert agieren, wenn Gefahren entstehen oder sogar Straftaten begangen werden. Bei allem, was nicht der Verhinderung dieses Parteitages dient, kann ich mir viel Kreativität vorstellen.

Service

Die Polizei schaltet rund um den Bundesparteitag eine Telefon-Hotline: 0800/1920192. Diese ist am Freitag, 29. November, von 12 bis 19 Uhr erreichbar, sowie Samstag und Sonntag jeweils von 6 bis 18 Uhr. Außerdem will das Social-Media-Team der Polizei auf Twitter und Facebook intensiv informieren (#BS3011).