Braunschweig. Die Partei orientiert sich an Österreichs Hauptstadt. Dort kostet ein Ticket für den Nahverkehr nur einen Euro pro Tag.

Machbar ist das Ein-Euro-Ticket bestimmt, aber dafür muss man die Busse und Züge besitzen.

Das bemerkt Frank Titze auf unseren Facebookseiten.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle.

Ein Euro. Dafür erhält man nicht viel. Einen Liter Milch. Ein Espresso ist schon nicht mehr drin. In Wien bekommt man für einen Euro pro Tag eine ganze Stadt. Die Jahreskarte im öffentlichen Nahverkehr kostet dort nämlich 365 Euro. Nun prüft auch die SPD in unserer Region das Wiener Modell – und erhält Unterstützung von den Grünen und der FDP. Die CDU überlegt noch.

In Deutschland würde unsere Region damit zu den Vorreitern zählen. Bisher gibt es die fünf Modellstädte Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen. Meistens ist das Jedermann-Ticket dort in deutlich abgespeckter Form erhältlich. In Bonn verkaufen die dortigen Stadtwerke seit Montag das „Klima-Ticket“. Es basiert auf dem Wiener Modell: Das Jahresticket kostet 365 Euro für den gesamten Nahverkehr der Stadt. Allerdings gibt es „nur“ Tickets für 17.000 Kunden. Und es gilt auch nur für Neukunden, die dazu bewegt werden sollen, das Auto stehen zu lassen. Für mehr reichen die Fördermittel des Bundes nicht. Mannheim will seine Preise um ein Drittel senken. Herrenberg in Baden-Württemberg will die Ticketpreise halbieren.

Geht es nach der SPD zwischen Harz und Heide, kommt bei uns der große Wurf: Das Ein-Euro-Ticket pro Tag für jedermann. Dann könnte man zwischen den Landkreisen Gifhorn und Goslar sowie zwischen Peine und Helmstedt fahren – so oft man will.

Bisher hat der zuständige Regionalverband Großraum Braunschweig versucht, den Nahverkehr über das Angebot attraktiver zu machen. Seit 2014 fahren jedes Jahr mehr Züge und Busse in unserer Region. Zum Fahrplanwechsel am vergangenen Sonntag zum Beispiel gibt es als Kernstück den 30-Minuten-Takt zwischen Braunschweig und Hannover. So steigerte der Regionalverband stetig die Fahrgastzahlen – von 91,6 Millionen Fahrgästen im Jahr 2014 auf geschätzte 98 Millionen in diesem Jahr.

Fahrgastzahlen in der Region-01.jpg

Die SPD nimmt nun den Preis in den Blick. Vergangene Woche beschloss die Verbandsversammlung das Schülerticket für einen Euro pro Kopf und Tag, jetzt sollen Pendler, Senioren und Familien von günstigeren Tickets profitieren. Als Fernziel ruft die SPD das Jedermann-Ticket für einen Euro am Tag aus. Marcus Bosse, Fraktions-Chef der SPD in der Verbandsversammlung, nennt es eine „Vision“. Sie will es per Gutachten prüfen lassen.

Die FDP und die Grünen ließen bereits durchblicken, dass sie den Antrag der SPD unterstützen werden. Die drei Fraktionen werden dann wohl einen gemeinsamen Antrag auf den Weg bringen. Die SPD will das Tarifsystem zudem vereinfachen und gerechter machen. Frank Schröter von den Grünen ist mit dem System zufrieden. Er sagte: „An den Tarifgrenzen entstehen immer Härten. Irgendwo muss man Grenzen aber ziehen.“

Ingo Schramm von der FDP sagte zum Jedermann-Ticket: „Wir wollen prüfen, was finanzierbar ist.“ Man müsse nun ordentlich rechnen, aber: „Die Masse macht’s.“ Schramm geht davon aus, dass der günstigere Preis viel mehr Kunden anlockt. Die Kommunen in unserer Region und auch Firmen müssten sich an den Kosten beteiligen. Die CDU will sich Anfang kommenden Jahres entscheiden.

Verbands-Direktor Hennig Brandes gibt zu bedenken, dass die Fahrgasterlöse von derzeit 100 Millionen Euro pro Jahr halbiert würden. Wie unser Leser sagt auch er: „Wir müssten viel mehr Züge und Busse bestellen. Das kostet zusätzlich.“

Professor Christoph Menzel vom Institut für Verkehrsmanagement der Ostfalia bezeichnet die SPD-Initiative als guten Ansatz. Er rät aber dazu, ein Jedermann-Ticket zeitlich zu befristen. Es sei mit einem Probe-Abo im Fitness-Studio vergleichbar. Das Jedermann-Ticket könne so helfen, die Leute für Bus und Bahn zu gewinnen. Menzel: „Die Schweizer zum Beispiel sind viel mehr als wir Deutschen dazu bereit, für einen guten ÖPNV zu bezahlen.“