Braunschweig. Femmie Tollkien ist immer in Bewegung, hat neue Ideen. Mit der Unterstützung ihres Partners hat sie vor 13 Jahren das „Kabinett 24“ eröffnet.
„Alles, außer Käse – schöne Dinge aus Holland“, war der Werbeslogan, mit dem Femmie Tollkien gestartet ist. Das Kabinett 24 war als „Holländischer Winkel“ konzipiert, ein Laden rund um die Themen Wohnen, Schenken, Dekorieren. Jetzt, 13 Jahre später, gehört das Kabinett 24 zu den inzwischen 13 Concept Stores in der Stadt. Also einer unter vielen? Ja und nein. Die Geschichte der Chefin ist speziell. Hausbesuch in der Heinrichstraße.
„Wichtig ist mir, dass alles in Bewegung bleibt“, erklärt die Holländerin die ständige Veränderung in ihrem Geschäft. Und in ihrem Leben. Das ist mindestens so bunt wie ihr Kabinett.
Immer in Bewegung – Femmie Tollkien ist schon 25 Mal umgezogen
„Wenn es einen roten Faden gibt, dann meine häufigen Umzüge“, erzählt die Frau mit den kurzen blonden Haaren und dem sympathischen Lachen. „Ich bin mindestens 25 Mal umgezogen“, erzählt sie, „12 Mal allein in Braunschweig.“
Das erste Mal aus Spanien nach Holland. Damals war sie drei. Und hieß noch Maria Amparo. „Femmie hat nur meine Mutter mich immer genannt.“ Die Mutter floh regelrecht mit ihrem kleinen Mädchen aus einer unglücklichen Ehe mit einem Spanier. Das war 1970.
Harte Ausbildung zur Floristin in Amsterdam
Femmie lernt mit 16 Floristin. Eine harte Ausbildung bei einem der besten Floristen Amsterdams. Er hat sie mitgenommen zu Promi-Modenschauen, sie haben fürs Fernsehen gearbeitet, einmal hat Femmie sogar einen Handstrauß für die damalige Prinzessin Beatrix gebunden. „Aber weil ich diesen Job eigentlich nicht wollte, war ich bockig“, erzählt sie, „es gab Ärger und jede Menge Tränen.“
Aber – sie hat durchgehalten und viel gelernt. In einem Urlaub trifft sie einen Braunschweiger, den sie anschließend besucht. Und bleibt. „Ich habe meinen Hund geholt, meine Wohnung untervermietet und bin nach Braunschweig gezogen“, beschreibt sie eine ihrer spontanen Entscheidungen. Dabei verband sie mit dem besagten Mann lediglich eine Freundschaft.
„Terra Nova“ – ihr erstes Blumengeschäft in Braunschweig am Hagenring
Nach einigen Jobs als angestellte Floristin ein eigener Laden. „Terra Nova“ am Hagenring hieß ihr erstes Geschäft. „10.000 Mark habe ich mir dafür von meiner Mutter geliehen“, erzählt sie von den Anfängen in die Selbstständigkeit.
Vier Jahre ging das gut. Sie lernte einen Mann kennen, Hochzeit und die Geburt des Sohnes. Aber die Ehe hielt nicht. Die Selbstständigkeit war als Alleinerziehende auch nicht mehr möglich. Femmie Tollkien begann bei Praktiker zu arbeiten. Und traf Bernhard. „Mein Fels in der Brandung“, schwärmt sie, „mein Partner, mein Freund, mein Unterstützer. Ohne ihn hätte ich das hier nicht erreicht“, sagt sie und zeigt stolz ihr Kabinett. „Seitdem spreche ich nur noch von Wir.“
Mit 5000 Euro Startkapital in eine neue Selbstständigkeit
Gemeinsam mit Bernhard, der als Elektriker und Beleuchter am Staatstheater arbeitet, traut sie sich noch einmal in die Selbstständigkeit. „Wir haben fast aus dem Nichts angefangen“, erinnert sie sich an die Anfänge. „Ich habe mir 5000 Euro geliehen, das war mein
Inneneinrichtung, Fußböden, Wände – die beiden haben alles in Handarbeit renoviert und schick gemacht.
Das Kabinett lief von Anfang an gut. „Obwohl wir nur wenig Ware hatten“, sagt sie. Die aber stand auf Tischen und Regalen vom Sperrmüll, die Femmie und ihr Bernhard selbst aufgearbeitet hatten. „Plötzlich fragten uns die Kunden, was die Möbel kosten“, blickt Femmie zurück. Also zogen sie zunehmend am Wochenende über die Flohmärkte, kauften alte Möbel und frischten sie auf. „Mit Kreidefarbe“, erklärt sie, „da bin ich heute noch Fan von.“ Sie zeigt auf ein Regal, in der verschiedene Sorten Kreidefarben einer nachhaltig arbeitenden Firma stehen.
„Kreide und Acryl kann jeder“, macht sie Mut zum Selbermachen, „Öl und Aquarell ist für Künstler, das ist schwer.“
Handwerkliches Geschick als wesentliche Grundlage für den unternehmerischen Erfolg
Ohne dieses handwerkliche Geschick hätte sie sich auch nicht an ihren zweiten Laden gewagt. Das Kabinett 24 hat seit vergangenem September eine Schwester. Am Lindenbergplatz. „Wir wohnen dort um die Ecke, und das leerstehende Geschäft hat mich einfach gereizt“, erklärt sie. Sie hatte und hat eine Vision für diesen Platz, eine lebendige Mischung aus Handel und Gastronomie. Nach einem erhofften Ende der Coronakrise setzte sie auf Zukunft. Und wieder einmal auf etwas Neues in ihrem Leben.
Sie ist zuversichtlich. „Geholfen hat mir in meinem Leben immer, dass ich genau spüre, wann ich aufhören muss, wann etwas zu Ende ist.“
„Kleine Brötchen“ – Femmie Tollkien hatte ihre Ausgaben immer genau im Blick
Und: „Ich habe nie mehr Geld ausgegeben, als ich eingenommen habe. Ich habe nie große Schulden gemacht.“ Die Rechnungen der Lieferanten hingen anfangs neben der Kasse an der Wand. „In genau der Reihenfolge, in der sie fällig wurden“, erzählt sie, „und wenn ich einmal nicht zahlen konnte, habe ich angerufen und um Aufschub gebeten. Wir haben immer kleine Brötchen gebacken, führen einen einfachen Lebensstandard. Ich fahre zum ersten Mal in meinem Leben ein relativ neues Auto“, lacht sie.
Ausgerechnet jetzt überschatten aber Kriege, Inflation und auch wieder Corona die wirtschaftlichen Aussichten. „Ich bin ein sehr optimistischer Mensch“, sagt sie zuversichtlich. Der Sohn ist fast aus dem Haus. „Er wird Polizist“, strahlt sie. Und sie freut sich schon jetzt auf die Weihnachtszeit („für die Weihnachtsstimmung liebe ich Deutschland besonders“). Dann kann sie wieder schmücken und basteln, mit ihrer Kunst als Floristin Kränze binden und ihre Läden wieder einmal neu dekorieren. Hauptsache, alles ist in Bewegung. „Denn nur fließende Gewässer sind gesund“, sagt sie zum Schluss.
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