Braunschweig. Mehr als 30 Jahre sind Svenja Best und Hedda Brückner mit ihrer Keramikwerkstatt erfolgreich am Markt.
Die Werkstatt an der Helmstedter Straße ist seit über 30 Jahren eine feste Adresse für Menschen, die Freude an moderner Keramik haben: „bestform. keramikatelier“. „Als wir anfingen, war Keramik vor allem klobig, dickwandig und hatte einen eher mittelalterlichen Charme“, erzählt Hedda Brückner, „wir wollten es fragil, knallbunt und schön.“
Wir, das sind Svenja Best und Hedda Brückner. Und sie haben geschafft, wovon sie damals träumten. Wobei, es hätte auch anders laufen können, die beiden Frauen sind nicht gerade einem strukturierten Karriereplan gefolgt. „Ich wollte eigentlich studieren“, sagt Svenja Best, „ aber vorher noch etwas Handwerkliches lernen.“ Zur Sicherheit, so war das damals. „Es hätte auch eine Gartenbaulehre werden können“, weiß sie noch. Aber dann war eine Azubistelle zur Keramikerin frei. In Lucklum.
Eine Anstellung als Gesellin war keine Option
Die Branche war (und ist) übersichtlich, Töpfer kennen sich. Und so half sie nach Abschluss ihrer Ausbildung ab und an in der Werkstatt an der Helmstedter Straße aus. Hier kommt Hedda Brückner ins Spiel. Die heute 60-Jährige war damals „Pfarrfrau“ in St. Johannes und studierte „zunehmend lustlos“ Sozialpädagogik. Da kam ein neues Hobby gerade recht: Sie stellte sich eine Drehscheibe in den Keller und ließ sich in der benachbarten Töpferei das Handwerk zeigen.
Kurz darauf gab der Töpfer an der Helmstedter Straße auf. „Der Hauswirt fragte mich, ob ich übernehmen würde. Er bot mir die Räume für eine sehr günstige Miete an“, weiß Svenja Best noch genau. Der heute 56-Jährigen war damals schon klar, dass eine Anstellung als Gesellin für sie keine Option war. „Ich hatte so viele Ideen im Kopf, ich wollte nicht nach den Vorgaben anderer arbeiten.“
Gleicher Geschmack, ähnliche Vorstellungen von einem erfüllten Berufsleben
Sie griff zu. Unterstützt von Hedda Brückner. Es passte mit den beiden Frauen. „Unser Erfolgsrezept sind unsere gemeinsamen Produkte“, sagt Hedda, „Svenja dreht und formt, ich male und glasiere. Zum Glück haben wir einen ähnlichen Geschmack.“
Und ähnliche Vorstellungen von einem erfüllten Leben. „Reich wirst du damit nicht“, sagt Hedda. „Aber wir haben nie einen Kredit gebraucht“, sagen sie. „Svenja konnte von unserem Einkommen leben, ich brauchte das Geld nicht für meinen Unterhalt, ich war ja noch Pfarrfrau“, beschreibt Hedda Brückner die ersten Jahre. Die Einrichtung war gebraucht, der erste Brennofen geschenkt, die Regale selbst gezimmert. „Mein Bruder ist Zimmermann“, sagt Svenja Best, „das hat geholfen.“
In den Anfangsjahren brannte bis spät nachts Licht in der Werkstatt
Inzwischen leben beide Frauen in anderen Famlienkonstellationen, für vor zig Jahren relativ „kleines Geld“ haben sie mit drei Parteien ein altes Haus in der Nachbarschaft gekauft, das sie bis heute immer wieder renovieren.
Es dauerte einige Jahre, bis sich die wirtschaftliche Situation besserte. „Am Anfang hat Svenja oft bis nachts gedreht, und an den Wochenenden sind wir auf Kunsthandwerkermärkte gefahren. Wir mussten uns bekannt machen“, blickt Hedda auf die Anfangszeit.
Keramikwerkstatt in Braunschweig mit Ukraine-Becher
Irgendwann begann die Mundpropaganda zu wirken. Die bunten, fröhlichen Vasen, Teller und Tassen fanden Fans. Die Namensbecher für Kindergärten waren und sind ein Markenzeichen von Bestform. „Inzwischen lassen an die 40 Kindergärten bei uns Becher drehen“, erzählen die beiden. Zum Sonderpreis. „Das machen wir, weil es uns wichtig ist, dass die Kinder aus Keramik trinken und nicht aus Plastik.“ Und inzwischen kommen ehemalige Kindergartenkinder mit ihren Kindern und bestellen Becher oder Kindergeschirr. „Bezahlbar und schön war immer unser Motto“, sagt Svenja Best.
Die Euroumstellung hat das Preisniveau im Handwerk schwer getroffen
Das Thema Preise ist in der Branche schwierig. „Die Euroumstellung hat unsere Preisstruktur zerstört. Das konnten wir bis heute nicht aufholen“, erklärt Hedda. Vor 2001 hat beispielsweise ein Becher 18 Mark gekostet, heute liegt er bei 14 Euro. „Eine Jeans kannst du für 120 Euro anbieten, bei einem handgetöpferten Becher wird es schon bei 20 Euro schwierig“, ist die Erfahrung.
Außerdem habe die Industrie ihr Angebot umgestellt. „Der Handel bietet längst schöne und moderne Keramik zu extrem günstigen Preisen an.“
Dennoch haben sie über die Jahre an der Qualität festgehalten: Steinzeugton aus dem Westerwald, gebrannt wird bei Temperaturen über 1200 Grad. „Je heißer du brennst, desto mehr verglast und verdichtet der Ton“, erklärt Hedda, „dadurch wird er haltbarer, belastbarer und spülmaschinenfest.“
In Zukunft mehr Zeit für die Kunst schaffen
Gerade versuchen die beiden Frauen, ihre Arbeitsstrukturen ein wenig zu ändern. „Wir wollen weg von den vielen individuellen Bestellungen“, sagen sie, „die Auftragsbücher sind voll bis zum Anschlag, aber wir haben nur vier Hände. Wir können uns nicht duplizieren.“ In Zukunft soll es mehr eigene Kreationen im Angebot geben. „Eher Inspirationen und Geschenkideen als Auftragsarbeiten“ – so der Plan.
Und nach 30 Jahren möchten sie mehr Zeit für andere Dinge haben, außerdem hinterlässt der Beruf spuren. Töpfern ist auch körperlich anspruchsvoll.
„Du musst dafür brennen“, sagt Hedda Brückner an einer Stelle in unserem Gespräch und beschreibt damit sehr genau, was für sie und Svenja Best am Anfang stand – und an guten Tagen noch immer steht: Lust auf Kreativität, Lust auf Selbstständigkeit, Lust auf Abenteuer.