Helmstedt. Husten, bis der Atem stockt – und immer diese Angst: Die Corona-Infektion verändert die Sicht auf alles, schreibt unser Autor Erik Beyen.

Es ist ein ganz normaler Samstag, und doch irgendwie nicht. In der Nacht Fieber. Am Morgen treibt jeder Schritt die Schweißperlen auf die Stirn. Das ist nicht normal. Schwitzen bei Anstrengung, ja, aber der Weg zur Dusche sind Meter. Ein in diesem Moment noch abwegiger Gedanke huscht durch den Kopf: „Ich habe mir doch nicht etwa? Nein, so ein Quatsch, gestern war der Test auch negativ. Routiniert stecke ich das Stäbchen in die Nasenlöcher… Es braucht eine Weile, bis die beiden Striche da auf dem Ergebnisstreifen zu mir durchdringen. Mein Kopf ist plötzlich leer.

Diese Corona-Infektion war kein Spaziergang

Ich hätte es nicht für möglich gehalten – und doch hat Corona mich erwischt. Wo ich mir das Virus eingefangen habe, das ist mir bis heute nicht klar. An alle Regeln hatte ich mich gehalten, meist mehr als gefordert. Am Ende fand es seinen Weg zu mir. Und nein, diese Infektion war kein Spaziergang, nicht einmal im Ansatz.

Mein Bericht stellt keinemoralischen Fragen. Er beschreibt zutiefst persönliche Erfahrungen mit diesem Virus. Aber vielleicht hilft er bei einer wichtigen Entscheidung: sich zu schützen, so gut es geht, denn: Wenn wir für uns Verantwortung übernehmen, tun wir das auch ein Stück für andere.

Gefühlt eine Stunde hocke ich in mich gekauert, dann folgen Sorgen: „Du hattest Kontakte, was ist mit denen?“ Ich erdrücke diese Gedanken zunächst, schließlich gibt es noch Hoffnung. Tests können sich vertun. Hörte ich doch, dass sie gern mal falsch positiv anzeigen. Trotzdem begebe ich mich sofort in Selbstquarantäne. Am nächsten Tag wage ich einen zweiten Test. Alles kann gut werden, doch diese Hoffnung zerstören zwei Striche auf dem Teststreifen.

Geschmackssinn ist spürbar eingeschränkt

Die Kontakte in meinem Kopf klopfen wieder an. Ich telefoniere, sage, „ich habe mich vermutlich...“ und frage nach dem Befinden und bitte, selbiges im Auge zu behalten. Alles gut. Und das sollte übrigens auch so bleiben. Inzwischen rieche ich nichts mehr, und der Geschmackssinn ist spürbar eingeschränkt. Mein Gesundheitszustand verschlechtert sich. Aber ich habe Menschen, die mir helfen, immer unter Selbstschutz. Keine Kontakte.

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Kurzatmigkeit, mein Herz rast plötzlich und beruhigt sich wieder. Das wiederholt sich. Klare Gedanken fallen für den Moment schwer. Ich fange an, einen Medikamenten-Cocktail in exakt berechneten Intervallen in mich „hineinzustopfen“ und inhaliere, so oft und intensiv wie nie zuvor in meinem Leben. Dazu Hagebuttentee, bis der zu den Ohren wieder hinauskommt. Corona soll keine Chance haben. Und doch dreht sich im Kopf fortan alles um dieses Virus.

Immer wieder diese Luftnot

Ein PCR-Test bestätigt, was ich längst wusste. Die Quarantäne wird offiziell. Die nächsten Tage haben es in sich: Schüttelfrost in Schüben, Schmerzen in der Brust, Husten, bis der Atem stockt, Schwitzen, dass man glaubt, davonschwimmen zu müssen und immer wieder diese Luftnot. Ich konzentriere mich auf jeden Atemzug. In der Brust wird es enger. All das kommt und geht in Intervallen.

Essen? Dafür fehlt der Appetit. Der Körper hält nichts mehr, bläht sich wie ein Ballon auf. Das schnürt den Atem zusätzlich ab. Ein Freund bringt Aufbaukost. Allein die Kiste zu mir zu holen, wird zum fast unmöglichen Kraftakt. Aber ich kann immerhin noch gehen.

Lichtblick für unseren Autoren: Anrufe des Helmstedter Gesundheitsamts

Ich werde schwächer. Will ich ein paar Schritte gehen, wird es Nacht vor den Augen, mit einem Sausen in den Ohren rausche ich zurück auf mein Lager. Ich schiebe das auf den Kreislauf, warte etwas und stehe wieder auf. Es geht. Ich halte das für einen Fortschritt, doch dann wird es für einen Moment wieder Nacht. Wird das Blut doch nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt?

Husten bis zum Erbrechen. Wenn ich wegnicke, sacke ich gefühlt durch ins Nichts, wache mit einem Zucken auf. Im Hintergrund immer wieder diese Angst. Trotzdem gibt es Ruhephasen und Momente einer kurzen Erholung.

Ein Lichtblick sind die regelmäßigen Anrufe des Corona-Teams im Gesundheitsamt des Landkreises Helmstedt. Liebevoll und einfühlsam sprechen sie Kraft zu und versichern, mich nicht aus den Augen zu verlieren. Überhaupt helfen Telefonate mit Vertrauten. Mut einholen, so viel wie möglich.

Rückfall statt Genesung: Ab ins Helmstedter Krankenhaus

Dann kommt der Sonntagabend am Ende meiner ersten Corona-Woche. Bis dahin war ich vorsichtig optimistisch, besser: voller Hoffnung. Nach einer Woche ist der Höhepunkt überschritten, heißt es ja schließlich. Es kann also nur aufwärts gehen.

Doch es kommt anders. Ich bewege mich nur noch auf allen Vieren. Alle Energie ist verbraucht, ich rufe den Rettungsdienst. Der arme Mann in der Leitstelle muss jeden Satz aus mir herausquetschen, immer wieder nachfragen ob meines Gestammels. Sicher bin ich mir mit meiner Entscheidung nicht.

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Im Helmstedter Krankenhaus herrscht Routine, während ich vor mich hinhuste. Noch immer habe ich Zweifel, ob das alles so richtig ist. Irgendwann in der Nacht geht es auf die Corona-Station. „Sie sind hier genau richtig“, sagt die freundliche Nachtschwester, und ich hänge am Sauerstoff. Überhaupt: Auf dieser Station verbreiten die Schwestern eine Freundlichkeit und Zuversicht, sind verbindlich klar und zugleich voller Herzlichkeit. Das gibt mir für die nächsten Tage ein Gefühl der Sicherheit.

Es folgen etliche Untersuchungen, CT der Lunge, Fusion über Fusion, und am Ende wird klar: Die Lunge ist nicht so schwer betroffen wie befürchtet, aber: Die Ärzte haben weitere Infekte festgestellt. Ungünstig.

Zurück in die Quarantäne

Ich huste mir weiter die Seele aus dem Leib. Mit einer Sauerstofftherapie geht es nach fünf Tagen Aufpäppeln, randvoll mit Antibiose und anderen Medikamenten zurück in die Quarantäne. Ein Sauerstoffgerät steht dort schon bereit. In mir bleibt die Angst, das alleine nicht durchzustehen, denn noch kann ich nicht einmal fünf Meter am Stück gehen. „Wir haben hier alles getan. Da müssen Sie jetzt, wie alle, durch. Sie brauchen Zeit und Ruhe. Auskurieren und dann mindestens zwei Monate Krankschreibung“, sagt der Arzt zum Abschied. Der hat gut reden.

Das Krankenhaus entlässt mich als „positiv“. Das heißt, ich könnte noch Menschen anstecken. Ein Gedanke, der mich zusätzlich krank macht, zumal ich bereits ansteckend war, bevor sich das erste Symptom bemerkbar machte. Doch das Testergebnis der Klinik hat nur noch Fragmente gezeigt, erfahre ich später vom Gesundheitsamt.

Wie hätte meine Seele wohl reagiert, wenn ich nur einen Menschen auf diese Virus-Reise mit ungewissem Ausgang geschickt hätte? Das möchte ich mir nicht ausmalen. Schon die eigene Infektion hat Scham- und Schuldgefühle in mir ausgelöst.

So geht es Erik Beyen heute

Und heute? Drei Tage lang stand ich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch vollständig neben mir, habe ich mir sagen lassen. Dann ging es kontinuierlich aufwärts. Zwei Wochen nach der Entlassung diagnostizierte mein Hausarzt noch eine leichte Lungenentzündung. Noch bin ich schnell außer Atem, doch das wird sich geben. Die Sauerstofftherapie benötige ich nicht mehr, und dieser dauernde Hustenreiz, der weicht zusammen mit der Lungenentzündung, wie auch dieser seltsame Druck auf der Brust.

Ich beobachte ein paar merkwürdige und aus meiner Sicht beunruhigende Erscheinungen an und in meinem Körper. Ob das Folgen der Infektion sind? Das wird sich zeigen, aber: Meine Kraft kehrt Stück für Stück zurück. Wenn ich gehe, wirkt es manchmal noch, als hätte ich einen über den Durst getrunken. Mein Geschmackssinn ist mit leichten Abstrichen da, aber noch ist mein Geruchssinn sehr schwach ausgeprägt. Auch das wird sich sicher legen. Ich kann endlich wieder Körperpflege betreiben. Eine Wohltat, denn auch dafür fehlte schlichtweg die Kraft.

Es wird noch dauern, bis der alte Erik wieder da ist, wenn der überhaupt je zurückkehrt, denn diese Virus-Infektion verändert die Sicht auf alles. Am Ende bleiben mir zwei Erkenntnisse: Ohne Freunde kommt ein Mensch ohne Familie nicht da durch, und: Ich hatte angesichts der vielen weit schlimmeren Verläufe noch großes Glück. Irgendwer hat da seine Hände schützend über mich gehalten.

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