Braunschweig. Studentenvertreter fordern in der Pandemie einen Ausbau der psychotherapeutischen Beratung. Minister Thümler sieht hier vor allem die Unis gefragt.

Unter Corona-Bedingungen zu studieren, geht bei immer mehr niedersächsischen Studierenden an die Substanz. Einer am Dienstag in Hannover vorgestellten Befragung zufolge leiden Studierende in der Corona-Pandemie in einem wachsenden Maß unter psychischen Belastungen. „In Niedersachsen geht es den Studierenden im Schnitt sogar noch etwas schlechter als im Bund“, sagte Dary­oush Danaii, Vorstand des freien Zusammenschlusses von Studentinnenschaften im Gespräch mit unserer Zeitung.

Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, depressive Symptome

Danaii, 23, der an der Leibniz-Universität Hannover Politik studiert, erklärte: „Immer mehr Studierende erleben zu wenig soziale Kontakte und fühlen sich allein gelassen.“ Die Folgen seien individuell verschieden, jedoch klagten viele Studierende über Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme oder depressive Symptome. Von den 60 Prozent der Befragten, die über psychische Schwierigkeiten klagten, gaben 10 Prozent an, deshalb psychotherapeutische Beratung in Anspruch zu nehmen. Weitere sechs Prozent warten aber noch auf Hilfe. Um dem Bedarf gerecht zu werden, fordert Danaii einen Ausbau der entsprechenden Hilfsangebote.

Psychotherapeutische Angebote schon vor Pandemie stark nachgefragt

Der Braunschweiger Lehramtsstudent Luca Kienel (27), Sprecher des AStA der Technischen Universität, bestätigt auch für unsere Region die gestiegene Nachfrage. „Schon vor der Pandemie waren die Angebote der psychotherapeutischen Beratungsstelle des Studierendenwerks stark nachgefragt. Durch die Corona-Auswirkungen hat das aber noch mal stark zugenommen.“

Etwas schlechter als im Bundesschnitt wurde in Niedersachsen die Online-Lehre der Hochschulen bewertet. Danaii vermutet, dies könnte damit zusammenhängen, dass hier länger als andernorts auf Präsenz gesetzt wurde – eine Entscheidung, die er aber für richtig hält. „Vielleicht“, mutmaßt er, „verlief die Einführung der Online-Lehre hier deshalb etwas holpriger.“ Kienel stellt für die TU fest, dass der Digitalunterricht hier mittlerweile gut funktioniere. „Die Online-Lehre ist selbstverständlich geworden – für uns ebenso wie für die Lehrenden.“ Gleichzeitig sei sie auf Dauer kein vollwertiger Ersatz für die reale Begegnung, „allenfalls eine sinnvolle Ergänzung“. Dass die TU frühzeitig ermöglichte, dass Praktika und Labore wieder in Präsenz stattfinden, rechnet er der Hochschule hoch an.

Lesen Sie auch: Digitale Lehre – Der notgedrungene Fortschritt

Lesen Sie auch: Neue TU-Präsidentin will „ganzheitliche Exzellenz“

Thümler: Hochschulen sind in der Lage zu helfen

Auch die Teilnehmer einer Diskussionsveranstaltung des Niedersächsischen Wissenschaftsministeriums gingen auf Anfrage unserer Zeitung auf die Belastung Studierender ein. Auf die Frage, wie dem gestiegenen Bedarf an psychotherapeutischer Beratung Rechnung getragen werde, verwies Minister Björn Thümler (CDU) knapp auf die entsprechenden Beratungsstellen der Studentenwerke. Überdies seien die Hochschulen, sofern sie weiter gefordert seien, „in der Lage zu helfen und zu vermitteln“.

Mit Blick auf die therapeutischen Beratungsangebote sagte Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU): „Da müssen wir die Angebote natürlich verbessern. Aber ich glaube, wir sind hier auch schon ganz gut.“
Mit Blick auf die therapeutischen Beratungsangebote sagte Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU): „Da müssen wir die Angebote natürlich verbessern. Aber ich glaube, wir sind hier auch schon ganz gut.“ © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Prof. Christine Falk, hakte nach: „Die Situation der Studierenden ist echt nicht gut – auch wenn sie nicht erkrankt sind“, sagte die Forscherin. Wenn man aufgrund der Beschränkungen niemanden mehr an seinem Studienort kennenlernen könne, „so wie wir das früher erlebt haben“, sollten die Universitäten „in den Angeboten unterstützt werden, die sie machen können, um hier zu helfen“. Dies lege sie dem Minister noch einmal ausdrücklich ans Herz.

Hohe Impfbereitschaft der Studenten

Den möglichen Eindruck, dass ihm am Wohl der Studenten nicht genug liege, wollte Thümler dann doch ausräumen. In einem zweiten Anlauf hob er zu einem Lob der hohen Impfbereitschaft der Studenten an. Und natürlich sei es „völlig klar“, dass die Einschränkungen nicht spurlos an ihnen vorbei gehe. Mit Blick auf die therapeutischen Beratungsangebote sagte er: „Ja, da müssen wir die Angebote natürlich verbessern. Ich glaube aber auch, dass die Universitäten hier aus eigener Motivation schon tätig sind.“ Man könne alles immer noch besser machen, „aber ich glaube, wir sind hier auch schon ganz gut“. Angesichts 210.000 Studierender im Land seien diese Herausforderungen aber „eben auch gewaltig“.

Lesen Sie auch: „In der Krise hat sich gezeigt, was Wissenschaft leistet“