Braunschweig. Die Prüfung des Corona-Impfstatus wirft für Wirte und Gäste zum Teil verwinkelte Fragen auf. Manche nicken QR-Codes ab, andere scannen sie.

Die Pandemie – verstehste nie… Nein, ganz so kategorisch sollte man es nicht sagen. Aber es gibt eine Reihe von Corona-Themen, die nicht ohne sind. Auch die Kontrolle der Impfzertifikate ist so eine Sache. Muss sein, klar. Hat sich keiner ausgesucht. Natürlich fühlt sich manch ein Gast behelligt, wenn die Kontrolle beim Eintritt ins Restaurant oder sonstwo allzu autoritär-argwöhnisch oder amateurhaft-geringschätzig abläuft. Und natürlich ist manch ein Wirt genervt von der Genervtheit der Gäste.

Schön ungeschminkt hat es der Betreiber eines griechischen Restaurants der „Hannoverschen Allgemeinen“ zu Protokoll gegeben: „Da gibt es viele Auseinandersetzungen und Gäste, die rumzicken.“ Er habe sich die Regeln ja nicht ausgedacht, fügt er hinzu. Diesem Satz pflichtet Mark Alexander Krack, Bezirksgeschäftsführer der Dehoga, uneingeschränkt bei. Und betont in dem Zusammenhang, dass die Wirte hier eigentlich – mitunter sogar heikle – Aufgaben des Staates bzw. der Ordnungsämter übernähmen.

Auch Krack kennt natürlich die Geschichten über Knatsch und Rumgezicke bei der Kontrolle. „Das ist aber kein flächendeckendes Phänomen“, sagt er gutwillig. Und tatsächlich: Sein Eindruck deckt sich mit dem, was man selbst so erlebt und was auch derjenige erzählt bekommt, der Bekannte danach fragt: Zumeist läuft das alles eher nett und sozusagen tapfer-pragmatisch ab – trotz mancher Probleme und einiger Unklarheiten. Wie? Probleme? Unklarheiten? Aber hallo! Wir kommen darauf – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – im Folgenden noch zu sprechen.

Wie ist das System grundsätzlich gedacht?

Zunächst ein paar Sätze zum Hintergrund: Menschen in der Europäischen Union erhalten nach ihrer Impfung den EU-Impfnachweis. Vom impfenden Arzt oder danach in einer Apotheke bekommt man das Impfzertifikat. Darin enthalten ist ein QR-Code. Verschlüsselt sind hier Name, Geburtsdatum und der Impfstatus. Dieser Code kann in das EU-weite digitale Covid-19-Zertifikatssystem eingespeist werden.

In Deutschland erfolgt dies über die App CovPass oder die Corona-Warn-App. Diese Anwendungen fürs Smartphone sind gratis, die Benutzung ist freiwillig. Sie wurden als Ergänzung zum Impfpass entwickelt. Wer die Corona-Impfung mit der App nachweisen kann, muss den Impfpass nicht dabei haben, um den Impfstatus zu dokumentieren. Umgekehrt ist es für Menschen mit einem Handy ohne Scan-Funktion oder überhaupt ein Mobiltelefon – nach neuesten Angaben des Portals „Statista“ sind das übrigens immerhin 11,2 Prozent aller Bundesbürger ab 14 Jahren und 35 Prozent der über 70-Jährigen – möglich, mit dem ausgedruckten QR-Code den entsprechenden Nachweis zu erbringen.

Bei Einlasskontrollen in Restaurants, Kneipen oder bei Konzerten hat nun, wenn die geltende Verordnungs-Rechtslage danach verlangt, das Folgende zu geschehen: Das mit dem Smartphone oder ausgedruckt vorgelegte Zertifikat, genauer: der entsprechende QR-Code, wird mithilfe einer App namens CovPassCheck gescannt. Und nachdem Name und Alter mit dem Personalausweis verglichen worden sind (die App speichert die gescannten Zertifikate nicht, sondern zeigt sie nur an) ist die Sache erledigt. Eigentlich. Im „wirklich wahren Leben“, wie es bei „Dittsche“ heißen würde, sieht das manchmal anders aus. Es kommen da ein paar Fragen auf.

Was soll der Wirt anschauen – und was nicht?

Kritisch hat sich die Leserin Davina Szczepanski aus Wolfsburg diesbezüglich an unsere Redaktion gewandt. Sie hat sich für die CovPass-App entschieden. Dort, auf der sozusagen ersten Weiterleitung nach der Abbildung des QR-Codes, ist ihr der folgende, im Sinne des oben skizzierten Ablaufs formulierte Hinweis aufgefallen: „Scannen bitte! Zeigen Sie diese sensiblen Daten nicht in Gaststätten, bei Veranstaltungen oder in ähnlichen Situationen vor. Lassen Sie Ihren QR-Code immer mit der Cov-PassCheck-App prüfen.“ Leider, so formuliert es Davina Szczepanski, sei dies vielerorts nicht bekannt.

So sieht die Covpass-App aus.
So sieht die Covpass-App aus. © dpa | Michael Kappeler

Des Öfteren sei es ihr passiert, dass die Person, welche die Kontrolle durchgeführt hat, sich ungefragt auf dem Handy bis in den sensiblen Datenbereich „hineingewischt“ habe, in den Bereich also, in dem etwa auch der verabreichte Impfstoff aufgeführt ist. „Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie einmal darauf hinweisen würden, dass es diese Check-App gibt, damit sich Veranstalter oder sonstige Institutionen auch dieser App bedienen.“

Dieser Hinweis ist natürlich Ehrensache. Also: Es mag in der Tat nicht jeder einzelnen Kontrolleurin und jedem einzelnen Kontrolleur geläufig sein, dass es diese vom Robert-Koch-Institut verantwortete CovPass-Check-App App gibt, dass sie kostenlos zur Verfügung steht und dass damit auch der Impfstatus in der Corona-Warn-App geprüft werden kann. Schon Ende des vergangenen Jahres liefen diesbezügliche Stichproben darauf hinaus, dass mindestens die Hälfte, zum Teil sogar zwei Drittel der Kontrollen mit dem Vorzeigen eines – böse formuliert: irgendeines – QR-Codes schon beendet waren. Den Abgleich der via Scan ermittelten Daten mit dem Ausweis, der übrigens kein Datenschutz-Problem darstellt, schenkte bzw. schenkt man sich vielerorts. Was aber, wenn nicht gescannt wird, dafür jedoch vom Kontrolleur die Impfzertifikate selbst näher angeschaut werden, wie nicht nur Davina Szczepanski es ärgerlich beobachtet hat?

Sprecher der Landesdatenschutzbeauftragten: Scannen ist „sicherster Weg“

Johannes Pepping, Sprecher der niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten Barbara Thiel, bestätigt auf Anfrage, dass ein Scannen des QR-Codes „aus datenschutzrechtlicher Sicht der sicherste Weg“ sei, „weil der Kontrolleur auf diese Weise keine weiteren Einblicke ins Smartphone des Besuchers und damit auf die dort gespeicherten sensiblen Daten erhält“.

Die Frage, wie es nun aber stehe, wenn die nähere Betrachtung vor Ort nun mal die übliche Art der Kontrolle sei, beantwortet der Datenschutz-Sprecher vorsichtig: „Betroffene müssen in diesem Fall die Entscheidung treffen, ob sie mit einer Sichtkontrolle einverstanden sind oder alternativ auf den Besuch der Einrichtung oder Veranstaltung verzichten. Sollten sie mit einer Sichtkontrolle einverstanden sein, raten wir dringend dazu, das Smartphone nicht aus der Hand zu geben, um jederzeit bestimmen zu können, was darauf angezeigt wird. Keinesfalls sollte der Kontrolleur selbstständig durch das Smartphone scrollen und klicken können.“

Für den Fall der Kontrolle ohne Scanner wünscht sich der Datenschutz-Sprecher, dass lediglich auf der zweiten Ebene der CovPass-App die Anzahl und Gültigkeit der Zertifikate angeschaut würden – was ja den Informationen des QR-Codes entspräche. Der oben zitierte Warntext beziehe sich, meint er, auf die sozusagen dritte Ebene, auf der auch der verabreichte Impfstoff angezeigt wird. Ganz abgesehen davon, dass viele Menschen die Information über „ihren“ Impfstoff ohnehin nicht als kostbar heikles Geheimnis ansehen dürften, klingt das alles einleuchtend. Doch, na klar, ganz so einfach ist es nicht.

Wie ist das jetzt mit der Booster-Kontrolle?

Diese Frage ist für diverse Wirtinnen und Wirte schmerzlich aktuell. Bekanntlich müssen sich Gastronomen in Niedersachsen bis auf weiteres damit abfinden, dass sie zwei Möglichkeiten haben: Entweder sie verfahren im Sinne der meisten (testunwilligen) Gäste nach der außerdem simpler zu kontrollierenden 2G-Regel und begnügen sich mit der 70-prozentigen Auslastung ihrer räumlichen Möglichkeiten. Dehoga-Funktionär Mark Alexander Krack sagt, dass die meisten Betriebe in unserer Region sich so entschieden hätten. Oder aber sie legen Wert auf bis zu 100 Prozent Auslastung – und müssen dann das Prinzip 2G-plus in Kauf nehmen. Von der damit einhergehenden Pflicht, nicht nur geimpft oder genesen, sondern auch frisch getestet zu sein, sind nun aber die Geboosterten befreit. Und hier stößt leider die CovPass-Check-App an ihre Grenzen. Nach dem Scannen wird der Booster gar nicht angezeigt.

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Sowohl das Zertifikat für die Auffrischungsimpfung als auch das Zertifikat für den „nur“ vollständigen Impfschutz führen nämlich zur gleichartigen Diagnose „Zertifikat gültig“. Weshalb man für die Booster-Kontrolle also doch – siehe oben – auf der zweiten Ebene schauen muss, ob da auch schön „Impfung 3 von 3“ steht. Na gut, werden manche sagen, aber...

Aber was ist mit den Ausnahmen?

Bei zwei Gruppen haut das Zählen der Impfungen zwecks Booster-Nachweis nicht hin. Mehr als drei Millionen Deutsche wurden mit dem Impfstoff Janssen von Johnson & Johnson geimpft. Hier genügte in Niedersachsen bis vor Kurzem eine Impfung für die Grundimmunisierung – und eine weitere, um als geboostert zu gelten. Neu ist nun, dass hier für den Booster-Status ebenfalls eine dritte Impfung erforderlich ist. Die CovPass-App zeigte nach der Auffrischungsimpfung bisher also „Impfung 2 von 2“ an, kann aber nicht einschätzen, ob es sich um die zweite Dosis einer Grundimmunisierung oder tatsächlich um den Booster handelt.

Übrigens beurteilte das Land Bayern diesen Fall bisher ohnehin schon so: Wer in Bayern eine Erstimpfung mit Johnson & Johnson erhalten hat, braucht zwei weitere Impfungen etwa mit einem mRNA-Impfstoff wie dem von Biontech oder Moderna, um als geboostert zu gelten und also bei 2G plus-Veranstaltungen keinen zusätzlichen Testnachweis vorlegen zu müssen. Das ist schon mal schwierig. Und auch bezüglich der großen und stetig anwachsenden Gruppe der Genesenen gibt es Erklärungsbedarf. Als Genesene müssen sie nur eine Impfdosis erhalten, um als vollständig immunisiert zu gelten. Mit einer weiteren Impfung sind sie geboostert, was die Apps ebenfalls nicht erkennen.

Laut Robert-Koch-Institut sollten diese Menschen sich, sofern die Erkrankung weniger als sechs Monate zurückliegt, ein „Genesenenzertifikat“ besorgen (beim Arzt, in der Apotheke oder beim Gesundheitsamt) und den QR-Code dieses Zertifikats in der CovPass-App einscannen, um den vollständigen Immunschutz vorzeigen zu können. Eine schnelle Kontrolle im Sinne des erwünschten Datenschutzes ist dennoch auch hier problematisch.

Und wie geht es weiter?

Die beschriebenen Hakeleien sind gewiss nicht die Hauptkampfplätze der Pandemie. Gleichwohl ist der Bedarf an klareren Regelungen und anzupassender Technik offensichtlich. Dem Journalisten Jan Mölleken bzw. dem Portal von T-Online stellte ein Sprecher des Robert-Koch-Instituts vor kurzem bezüglich der Booster-Impfungen, der Genesenen-Impfung und nach der Johnson-Johnson-Impfung immerhin „zeitnah“ eine „Neukodierung“ in Aussicht. Was „zeitnah“ so genau bedeutet, ist bei einem für die ganze EU zu regelnden Projekt wohl noch nicht zu sagen.

Auch die Frage, ob und auf welche Weise die betroffenen Gruppen dann an ein neues oder verändertes Impfzertifikat gelangen werden, scheint noch offen zu sein. Ihnen – wie aber natürlich ganz grundsätzlich allen Kontrolleuren und allen Kontrollierten – sind vor allem erstmal gute Nerven zu wünschen beim notorischen Kontroll-Spagat.

Denn klar ist mitten in der Pandemie ja wohl: Ein betrugsanfälliges „Laissez-faire“ ist keine Lösung. Ständige Operationen am Rande des Datenschutzes sind ebenso ein Problem wie widersprüchliche oder gar verwirrende Vorschriften. Und am schlimmsten ist natürlich, wenn das alles in redundante Scharmützel mündet. Auf die Vorspeise „Regelwackelpudding mit Zankapfel“ werden die allermeisten beim Essengehen sicher gern verzichten.

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