Braunschweig. Im Kreis Peine ist der Widerstand gegen die Beteiligung der Anlieger besonders groß. Niedersachsen sieht keinen Spielraum.

Wie wollen Gemeinden, die Beiträge für Straßensanierungen kassieren, das ihren Bürgern erklären? Es trifft besonders sozial schwache Hausbesitzer: Alte und junge Familien!

Das fragt unser Leser Hermann Büsing aus Hordorf.

Die Antwort recherchierte Andre Dolle.

Eigentlich könnten sich die Anwohner der Ortsdurchfahrt in Gadenstedt im Landkreis Peine freuen: Die Straße soll komplett erneuert werden. Wenn da nicht das Geld wäre. Etwa sechs Millionen Euro soll der Ausbau in zwei Abschnitten kosten. Und davon sollen die mehr als 100 Anlieger 30 Prozent selbst tragen. Knappe zwei Millionen Euro will die Gemeinde den Anliegern in Rechnung stellen.

Maren Zacharias wohnt mit ihrer Familie an der Ortsdurchfahrt. Sie und ihr Mann Michael engagieren sich in der Bürgerinitiative (BI) „Wir für Gadenstedt“. Die BI kämpft für die Abschaffung sämtlicher Straßenausbaubeiträge in Niedersachsen und ist sehr umtriebig. Mehrmals waren Mitglieder im Landtag, haben auf Abgeordnete von CDU, SPD und FDP eingeredet. „Man hat uns nicht zugehört“, ärgert sich Maren Zacharias. Nur die FDP habe ein offenes Ohr gehabt. „Gerechtigkeit hängt offensichtlich davon ab, wie gut gefüllt der Landeshaushalt ist“, sagt sie.

Was Zacharias so ärgert, ist die Tatsache, dass ein FDP-Antrag von SPD, CDU und Grünen am Mittwoch im Landtag abgeschmettert wurde. Die Kommunen dürfen die Bürger weiterhin an den Kosten beteiligen. Die FDP wollte das eigentlich abschaffen. Die Landesregierung sieht dafür aber keinen finanziellen Spielraum.

Zum Ausbau kommunaler Straßen haben Haus- und Wohnungsbesitzer in Niedersachsen im Vorjahr knapp 20 Millionen Euro beisteuern müssen.Nicht selten kommen bis zu fünfstellige Eurobeträge auf die Grundstücksbesitzer zu.

Im Falle von Familie Zacharias sind das 14.000 Euro. Das uralte Haus der Oma müsse immer wieder repariert werden, sagt Maren Zacharias. Das Geld für den Straßenausbau habe die vierköpfige Familie nicht übrig. „Wir schlafen kaum noch“, sagt die zweifache Mutter. „Judo und Klavierunterricht etwa müssen wir künftig streichen.“

In Gadenstedt schwanke der finanzielle Anteil der Ortsdurchfahrts-Anwohner je nach Grundstücksgröße und Geschosshöhe von 3000 Euro bis zu satten 200.000 Euro, sagt Zacharias.

Die Regelung für den Straßenausbau der Gemeinden sei sozial nicht ausgewogen. Sie vertritt somit die Meinung unseres Lesers. Die Ortsdurchfahrt werde von jedem genutzt, zahlen müssten aber die Anlieger. „Hier fahren täglich alleine 60 Busse durch den Ort, dazu LKW und Trekker“, sagt sie. „Unsere Nachbarin ist über 80 Jahre alt. Sie hat gar kein Auto, muss aber dennoch für die Sanierung zahlen“, sagt Zacharias. In der Straße würde eine Reihe an Rentnern wohnen. Deren Altersvorsorge sei in Gefahr.

Worüber sich die Anwohnerin zusätzlich aufregt, ist die Ungleichbehandlung der Bürger. Wer an einer Bundes-, Landes- oder Kreisstraße wohne, müsse nichts zahlen. „Wird eine Gemeindestraße saniert, können die Kommunen die Bürger aber an den Kosten beteiligen. Das versteht doch keiner mehr“, sagt Zacharias. Zwei von drei Kommunen in Niedersachsen beteiligen die Anwohner an den Kosten. Die Handhabung ist sehr unterschiedlich.

Als einen „faulen Kompromiss“ bezeichnet der Eigentümerverband Haus & Grund Helmstedt und Schöningen das Reformpaket von SPD und CDU in Niedersachsen. Laut dem Entwurf sollen den Bürgern künftig großzügigere Ratenzahlungsmöglichkeiten als bisher eingeräumt werden. Außerdem soll etwa mit Vergünstigungen für Eckgrundstücke dafür gesorgt werden, dass Besitzer großer Flächen nicht überproportional belastet werden.

Der bisherige Zins soll für Anwohner von sechs Prozent auf drei Prozent halbiert werden. Der Vorsitzende von Haus & Grund Helmstedt und Schöningen, Eckhard Hoßbach, sagt dazu: „Das ist immer noch mehr als marktüblich.“

Haben Kommunen ihre Straßen über einen längeren Zeitraum ganz bewusst verfallen lassen, dürfen sie die Anwohner künftig nicht mehr zur Kasse bitten. Auch diese Regelung ist Teil des Reformpakets. Das bezeichnet Hoßbach als „kleinen Lichtblick“. Jedoch: „Auch diese Regelung ist streitanfällig. Denn es wird immer zu klären sein, wie hoch der Instandhaltungsanteil, der abgezogen wird, zu bemessen ist.“

Der Rechtsanwalt und Notar bleibt dabei: „Straßenausbaubeiträge sind ungerecht, weil sie nur eine Bevölkerungsgruppe – die Immobilieneigentümer – belasten. Die Straßen werden aber von allen Bürgerinnen und Bürgern benutzt.“ Und schließlich sagt Hoßbach: „Mit den Beiträgen werden öffentliche Aufgaben, die ohnehin schon durch Abgaben, Gebühren, Beiträge und Steuern von Bürgerinnen und Bürgern finanziert werden, doppelt privat in Rechnung gestellt.“