Braunschweig. Braunschweigs Ex-OB Hoffmann spricht im Interview über unterschätzte Krisenanzeichen bei der Nord-LB.

Zur Zukunft der kriselnden Nord-LB sprachen Armin Maus und Michael Ahlers mit dem früheren Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Gert Hoffmann.

Herr Hoffmann, Sie haben als Braunschweiger Oberbürgermeister durchgesetzt, dass es überhaupt eine Braunschweigische Landessparkasse gibt, wenn auch als Teil der Nord-LB. Nun soll die Sparkasse aus der Nord-LB herausgenommen werden, also selbstständig werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Mit gemischten Gefühlen. Zunächst ist es natürlich eine Genugtuung. Der damalige Kampf hat sich jetzt ausgezahlt. Nur weil die Sparkasse seinerzeit mit eigenen Organen ein Stück aus der Nord-LB herausgelöst wurde, ist es nun in der Krise der Bank möglich, diesen nächsten Schritt zu gehen. Das Ganze kommt allerdings zwölf Jahre zu spät, denn das war damals schon möglich. Die Aufstellung als eigene selbstständige Sparkasse wäre auch für das Geschäft der Landessparkasse gut gewesen. Schade um die verlorene Zeit. Manches geht offenbar nur in einer Krise.

Die BLSK geht aus der Nord-LB, soviel scheint klar. Aber wie soll die neue Landessparkasse aussehen?

Ich würde mir wünschen, dass die Sparkasse wenigstens teilweise auch in kommunale Hände kommt. Der Sparkassenverband soll ja offenbar die Trägerschaft übernehmen. Das ist als erster Schritt auch in Ordnung. Es sollte aber wenigstens eine Teilträgerschaft der kommunalen Gebietskörperschaften geben, dann wäre es eine echte Sparkasse. Dann wären wir formal da, wo ich seinerzeit schon hinwollte.

Es hieß ja immer mal wieder, die Sparkasse bräuchte rund 700 Millionen Euro Eigenkapital.Und diesen Betrag könnten die Kommunen gar nicht aufbringen. Was halten Sie von diesem Argument?

Die Finanzfrage ist in der Tat das Entscheidende bei diesem letzten Schritt. Dass da viel Geld in die Hand genommen werden muss, ist klar. Eine volle Übernahme zum gegebenen Wert ist den Gebietskörperschaften im Braunschweiger Land nicht möglich. Nun gibt es aber eine Bestimmung in Paragraf 13 des Staatsvertrages über die Nord-LB. Da heißt es, die Bank könne mit Zustimmung der Landesregierung die Landessparkasse ganz oder teilweise auf kommunale Körperschaften übertragen. Und weiter: „In diesem Fall leisten die Träger angemessene Hilfen“.

Was das konkret heißt, das ist die Frage, die ausgehandelt werden muss.Es war aber Konsens, dass das eine kommunalfreundliche Bestimmung sein soll. Dazu gibt es auch ein Gutachten, das ich damals in Auftrag gegeben habe. Die Kommunen hier haben zugunsten der Bank Jahrzehnte auf eine eigene Sparkasse verzichtet und damit auch auf hohe Erträge. Das müsste man auch einmal gegenrechnen.

Das Bankenwesen ist ja insgesamt in Bewegung. So gibt es auch eine Fusionsankündigung zwischen den Sparkassen Gifhorn-Wolfsburg und Celle. Wäre nicht eine Fusion entlang den Grenzen einer tatsächlichen Wirtschaftsregion sinnvoll? Wäre Gifhorn-Wolfsburg also nicht besser beraten, sich Richtung Braunschweigische Landessparkasse zu orientieren?

Sehr wahr, mindestens aus regionalpolitischer Sicht. Auch Sparkassen sollten Wirtschaftsräume abbilden. Vor diesem Hintergrund ist das, was da diskutiert wird, kontraproduktiv. Wenn nun die ganze Sparkassenlandschaft in Bewegung kommt, unter Beteiligung der Sparkassenverbände, dann wären alle Beteiligten gut beraten, jetzt nicht übereilt zu entscheiden. Sondern vielleicht besser mit dem Land zusammen beraten, was zukunftsträchtig ist.

Die Sparkassen waren ja als ein Träger der Nord-LB in ein spekulatives Geschäftsmodell eingebunden. Sie waren zu Ihrer Zeit als Oberbürgermeister selber Mitglied im Nord-LB-Aufsichtsrat. Man fragt sich, wie es sein kann, dass hochbezahlte Manager solche Risiken eingehen, auch Fehler machen, und der Steuerzahler dann einspringen muss. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Stefan Wenzel hat unter Bezug auf eine Buchpassage in Ihren Erinnerungen eine Landtagsanfrage dazu gestellt. Sie haben danach 2010 den damaligen Nord-LB-Vorstand vor den Risiken unter anderem der Schiffskredite gewarnt und ein Zurück zum Kerngeschäft einer Landesbank gefordert. Also genau das, was jetzt passiert.

Natürlich fragt die Öffentlichkeit sich nun, ob die Aufsichtspflicht erfüllt wurde. Die Frage geht an jeden früheren Aufsichtsrat. Ich jedenfalls habe im Jahr 2010 darauf bestanden, in Prüfberichte Einsicht zu nehmen. Das war für mich besorgniserregend. Ich habe damals deswegen den Vorstand der Nord-LB angeschrieben. Dass die Schiffe so stark abgewertet werden müssen, konnte man nicht definitiv vorhersehen, das gebe ich zu. Ich war da eher Pessimist. Was man aber sehen konnte: Dass dieses Schiffsportfolio von deutlich unter 10 Milliarden innerhalb einer relativ kurzen Zeit deutlich über 20 Milliarden Euro angewachsen war. Dazu kam noch das nicht unbeträchtliche Schiffsportfolio der Bremer Landesbank. Das nennt man „Klumpenrisiko“. Das musste einem Angst machen. Das hätte man viel schneller zurückfahren müssen.

Der Handel mit der EU scheint ja klar zu sein: Die Nord-LB schrumpft gewaltig und darf dafür gerettet werden. Es hat ja schon früher öffentliche Hilfen für die Nord-LB gegeben, nachhaltig war es aber offenbar nicht. Gab es auch da Versäumnisse?

Es gab eine Alternative zur Stützung durch das Land. Ich hatte im Dezember 2012 angeregt, unter den Schirm des sogenannten Soffin zu gehen. Das war ein Rettungsfonds des Bundes in der Bankenkrise. Dessen Chef war damals der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Nord-LB, Hannes Rehm. Ich hatte vorgeschlagen, sich von dort einige Milliarden zu holen. Dann wäre die Operation, die jetzt läuft, entbehrlich gewesen. Oder zumindest kleiner. Finanzminister Hilbers, der das ja alles geerbt hat, hat ein sehr professionelles, kühles Krisenmanagement gemacht. Herr Bürkle, der Nord-LB-Chef, auch.

Haben die politisch Verantwortlichen die Gefahr unterschätzt? Und wird die Nord-LB ein Fass ohne Boden?

Unterschätzt? Uneingeschränkt ja. In der Bank selbst gab es natürlich Prüfberichte und Risikomanagement, es gab auch Debatten über die Risiken. Im Vorstand aber bin ich nicht dabeigewesen. Dort war man auf jeden Fall optimistischer als ich. Welche Risiken da jetzt noch da schlummern, wissen wir erst in einigen Jahren.