Wolfsburg. Das Hochwasser sorgte an Aller, Schunter und Mühlenriede für heftige Überflutungen. Bei einigen Wolfsburgern liefen die Keller voll.
Von großflächig überschwemmten Wohnsiedlungen oder Hauptverkehrsstraßen ist Wolfsburg zwar bisher verschont geblieben. Dennoch hat das Weihnachts-Hochwasser für starke Überflutungen in vielen Teilen des Stadtgebiets und für etliche vollgelaufene Keller gesorgt. Aufgrund der heftigen Regenfälle sowie über die Ufer getretener Flüsse und anderer Gewässer hat sich Wolfsburg vielerorts in eine Seenplatte verwandelt. Aufgrund des Dauerregens ist die Hochwasser-Gefahr nicht gebannt.
Wer auf dem nördlichsten Abschnitt der A 39 in Wolfsburg unterwegs war, blickte schon seit Weihnachten beiderseits auf eine riesige Wasserlandschaft. Die Aller und ihre Seitenarme haben östlich der Autobahn in Warmenau Felder, Wiesen und Waldstücke unter Wasser gesetzt. Westlich der A 39 bietet sich bis hinüber nach Weyhausen im Landkreis Gifhorn ein ganz ähnliches Bild. Auch südlich von Kästorf steht das Hochwasser im Allerurstrom-Tal – dort, wo VW noch vor gut einem Jahr eine gewaltige Verkehrstrasse zur inzwischen auch offiziell ad acta gelegten Trinity-Fabrik in Warmenau bauen wollte.
„Wir hatten in Wolfsburg bisher keine größeren Einsätze im Zusammenhang mit dem Hochwasser“, sagte Polizeisprecher Thomas Figge nach den Weihnachtsfeiertagen auf Anfrage. Auch seien weder an den Weihnachtsfeiertagen noch danach Straßensperrungen erforderlich gewesen. Die Stadt Wolfsburg war direkt nach Weihnachten zunächst nicht in der Lage gewesen, tagesaktuelle Fragen wie zum Beispiel zur Hochwasser-Situation, zu Pegelständen und zu eventuellen weiteren Feuerwehreinsätzen zu beantworten.
Das sind die heftigsten Bilder vom Wolfsburger Hochwasser
Vorsfelde
In Vorsfelde waren in der Südstadt der Rotkehlchenweg und der Spechtweg von heftigen Überschwemmungen betroffen, ausgelöst durch das Überlaufen des dortigen Seitenarms des Hehlinger Bachs, eines Zuflusses zum Mittellandkanal weiter nördlich. In der Wohnsiedlung standen einige Grundstücke unter Wasser, auch mehrere Keller liefen voll.
„Der Rotkehlchenweg ist komplett abgesoffen“, berichtete Thomas Figge, der am Zweiten Weihnachtstag privat zur Hilfeleistung dorthin gerufen worden war. „Das Wasser stand etwa einen Meter hoch im Garten.“ Mit Tauchpumpe, Besen und Schieber sei er den Bewohnern zur Hilfe gekommen. „Viele haben einander geholfen, die Anwohner haben alle gemeinsam gegen das Wasser gekämpft“, schilderte der Polizeisprecher. Nach seinen privaten Informationen hatten sich Morast und Müll gesammelt und zum Überlaufen des Gewässers geführt.
Zu den Betroffenen im Rotkehlchenweg zählte die Familie Greco. „Wir hatten keine Chance, so schnell strömte das Wasser vom etwa 250 Meter entfernten Bach hoch zu unseren Häusern“, schilderte Anke Greco die dramatischen Szenen vom zweiten Weihnachtstag. Dienstagmorgen sei der große Garten plötzlich zu drei Vierteln geflutet gewesen. „Ich habe dann meinen Mann und die Nachbarn alarmiert und angefangen, die Sachen im Keller hochzustellen.“ Doch rasend schnell sei das Wasser auch im Keller hochgekommen. „Das hat von unten, durch die Fliesen und durch die Wände gedrückt“, berichtete die Vorsfelderin.
Gegen 10.30 Uhr habe sie beim Wasserverband Vorsfelde den Notdienst angerufen, der sofort reagiert habe. Die Feuerwehr habe allerdings nur die Lage sondiert und nichts unternommen, sagte Anke Greco. Am Nachmittag sei dann die WEB angerückt, habe ein Gitter im Bach geöffnet und den dort angesammelten Müll entfernt. „Wir konnten dann zusehen, wie der Wasserstrom schnell nachließ.“ Das Problem sei nicht neu und in der Siedlung bekannt, die Anwohner sahen zunächst den Aller-Ohre-Ise-Verband in der Pflicht. Doch wie sich später herausstellte, liegt der kanalisierte Bachlauf unter der ICE-Trasse nach Angaben der Stadt Wolfsburg in der Verantwortung der Deutschen Bahn.
Hattorf und Heiligendorf
Der Ortsbürgermeister von Hattorf und Heiligendorf berichtete nach Weihnachten, dass er schon seit einigen Tagen immer wieder an der Schunter vorbeigeschaut habe, um zu sehen, wie sich die Lage an dem Flüsschen entwickelt. Marco Meiners sagte, dass bisher keine Straßensperrungen erforderlich waren und nach seinem Kenntnisstand nur vereinzelt Keller vollgelaufen waren. Die Menschen hätten insbesondere nahe der Schunterniederung in Heiligendorf gelernt, damit zu leben.
Meiners schilderte, dass die Schunter in Hattorf und Heiligendorf weit über die Ufer getreten ist. An den Weihnachtstagen gemachte Drohnen-Luftbilder zeigten, dass unter anderem auch das Wäldchen in der Schunteraue zwischen beiden Orten unter Wasser stand. Wiesen und Felder waren bis hin zu den Anlagen der Hattorfer Gärtnerei Dieterichs überflutet.
Beeindruckende Luftbilder vom Ausmaß des Schunter-Hochwassers im Hasenwinkel hatte der Hattorfer Hobby-Fotograf Jorma Müller mit seiner Drohne gemacht. Sie zeigten unter anderem die von den Überschwemmungen fast komplett eingeschlossene Gärtnerei Dieterichs am westlichen Ortsrand von Hattorf, ebenso wie die in der Schunteraue überfluteten Wiesen und Felder sowie das Waldstück zwischen Hattorf und Heiligendorf. Auf seinem Instagram-Account finden sich Dutzende aktuelle Bilder und auch Videos.
Ehmen
„Die Mühlenriede ist randvoll. Aber die Hochwasserschutz-Maßnahmen greifen, denn sonst wäre die Lage jetzt viel dramatischer“, sagte Peter Kassel unserer Zeitung nach Weihnachten. Der Ortsbürgermeister von Ehmen/Mörse berichtete, dass das Mühlenriedetal südlich von Ehmen am Hochwasser-Staudamm überflutet war. „Aber die Talsperre am alten Bahndamm hat noch Fassungsvermögen.“
Kritisch sah der Ortsbürgermeister, dass die Wassermassen der Riede, die aus dem Brunsroder Bereich kommen, „immer noch unreguliert“ in die Mühlenriede und damit auch durch das Ehmer Unterdorf fließen. Von vollgelaufenen Kellern in dem Bereich war ihm aber nichts bekannt. Gehört hatte er aber, dass es im Kerksiek aufgrund der Topographie schon seit den Weihnachtstagen Probleme mit viel Regen gebe, der sich dort in den Gärten staue. „Auch viele Äcker und Weiden stellen voller Wasser“, sagte Kassel.
Warmenau
Am westlichen Ortseingang von Warmenau, direkt an der Autobahn-Unterführung, hatte die Kleine Aller schon am Zweiten Weihnachtstag die Wassergräben randvoll laufen lassen, so dass die dortige Landstraße teilweise unter Wasser stand. Auch nach Weihnachten stand das Wasser in den Gräben am Ortseingang auf beiden Seiten bis zur Hannoverschen Straße. Auf der Südseite war sogar ein Teil des ersten Hausgrundstücks überschwemmt, Hühner tummelten sich direkt am Wasser.
Laut Feuerwehr keine alarmierende Hochwasserlage in Wolfsburg
Überall im Umland hieß es über Weihnachten: Land unter. In Wolfsburg hielten sich die Folgen von Sturm und Dauerregen hingegen in Grenzen. Immer wieder mussten die Feuerwehren zwar über die Festtage ausrücken, weil Keller vollgelaufen waren und auch Bäume von den Sturmböen umgeknickt wurden. Doch eine alarmierende Hochwasserlage blieb aus, wie Daniel Lieske, Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr, am zweiten Weihnachtstag bestätigte. Die Einsätze fanden ohne besonderen örtlichen Schwerpunkt statt. So konnten einige Züge der Wolfsburger Wehren am zweiten Weihnachtstag auch zu einem Hilfseinsatz in das wesentlich stärker betroffene Wolfenbüttel ausrücken.
Entwicklung in Wolfsburg permanent beobachtet
Am späten Nachmittag des zweiten Weihnachtstages bezog die Stadt Wolfsburg in einer Mitteilung Stellung. Darin hieß es: „Die Hochwassersituation betrifft mittlerweile leider auch Wolfsburg. Die Lage ist aber unter Kontrolle, es besteht keine Gefahr. Die Wolfsburger Berufsfeuerwehr mit Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehren sowie die Wolfsburger Entwässerungsbetriebe (WEB) beobachten die Entwicklung permanent. Im Moment sind die Pegelstände der Aller an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet erhöht, auch Entwässerungsgräben und Bachverläufe führen viel Wasser.“
Auch Oberbürgermeister Dennis Weilmann kommentierte die Lage am zweiten Weihnachtstag: „Die Hochwassersituation in Wolfsburg ist aber nicht so gravierend, wie in anderen Teilen Niedersachsens. Dennoch behalten wir die Lage jederzeit im Blick. Ein Dank gilt dabei allen Einsatzkräften.“ Die Experten forderten die Bevölkerung auf, nur dann den Notruf zu wählen, wenn Menschenleben in Gefahr sind, das Wasser die Stromversorgung bedroht, oder erhebliche Wassermengen in Haus oder Wohnung eindringen.