Wolfsburg. Der Pachtvertrag für das Altenpflegeheim Schulzen Hof wird nicht verlängert. Am Freitag informierte der DRK-Kreisverband Wolfsburg über Details.

Das ist eine Schock-Nachricht für die Bewohner, Angehörigen und Mitarbeiter, da sind viele Tränen geflossen: Das Deutsche Rote Kreuz schließt im Sommer sein beliebtes und alteingesessenes Altenpflegeheim Schulzen Hof in Fallersleben – kurz vor dem 35-jährigen Bestehen des Hauses. Die Gründe für den drastischen Schritt erklärte der DRK-Kreisverband am Freitag.

DRK Wolfsburg nennt Fachkräftemangel und steigende Verluste als Gründe

„Präsidium und Vorstand haben beschlossen, den Pachtvertrag für das Altenpflegeheim Schulzen Hof in Fallersleben nicht zu verlängern. Die Einrichtung wird zum 31. Juli geschlossen“, informierte das Deutsche Rote Kreuz in Wolfsburg am Donnerstag in einer kurzfristigen Einladung zum Pressegespräch.

„Der Fachkräftemangel, hoher Kostendruck und seit 2010 steigende Verluste erlauben – leider – keine andere Perspektive“, hieß es in dem Anschreiben an die Redaktion zur Begründung für die Entscheidung.

DRK-Präsident Jörg Lamberg, DRK-Vorstand Thorsten Rückert und Pflegedienstleiterin Peggy Kempf informierten ausführlich über die Hintergründe und die Abläufe der geplanten Heim-Schließung. In großer Offenheit sprachen sie über die fatale Entwicklung. Derweil überbrachte Heimleiterin Angela Wesche ihren Schützlingen am Freitagvormittag die traurige Nachricht.

Präsident Jörg Lamberg (links) und Vorstand Thorsten Rückert vom DRK-Kreisverband Wolfsburg erklärten am Freitag die Entscheidung zur Schließung des Altenpflegeheims.
Präsident Jörg Lamberg (links) und Vorstand Thorsten Rückert vom DRK-Kreisverband Wolfsburg erklärten am Freitag die Entscheidung zur Schließung des Altenpflegeheims. © regios24 | Darius Simka

Für 38 Bewohner im Schulzen Hof fehlen noch neue Pflegeplätze

Nach Angaben des DRK leben im Pflegeheim Schulzen Hof aktuell 58 Pflegebedürftige, zwei Betten sind nicht belegt. Nur 20 von ihnen können ins DRK-Pflegeheim in Vorsfelde umziehen. „Für 38 weitere Seniorinnen und Senioren müssen die Angehörigen bis zum Sommer einen neuen Pflegeplatz finden“, hieß es vom Kreisverband, der dabei nach Kräften unterstützen will. Das Problem: Es gibt in und um Wolfsburg kaum freie Pflegeplätze.

Möglichst viele der 55 Mitarbeitenden im Schulzen Hof will der DRK-Kreisverband in seinen beiden anderen Pflegeheimen, dem WIR in Fallersleben und dem Seniorenzentrum in Vorsfelde, sowie im teilstationären und ambulanten Diensten weiterbeschäftigen und außerdem einen Pool bilden. Dennoch werde mit dem Betriebsrat ein Sozialplan aufgestellt. Spätestens ab Ende März will das DRK Wolfsburg für alle Beschäftigten eine klare Perspektive anbieten können.

Pflegeheim in Fallersleben machte in 20 Jahren Millionen-Verlust

Die große Stärke des Pflegeheims im Schulzen Hof ist wirtschaftlich betrachtet zugleich seine große Schwäche – die sich durch Personalmangel und Kostendruck noch verschärft hat: Unterm Strich ist die familiäre und zentral gelegene Einrichtung zu klein für einen dauerhaft kostendeckenden Betrieb.

Die finanzielle Situation im Schulzen Hof ist schlicht dramatisch, wie DRK-Präsident Lamberg und Vorstand Rückert ausführten. „2 Millionen Euro Verlust in 20 Jahren – das ist für eine kleine Einrichtung sehr viel Geld“, sagte Lamberg. Allein 2019 habe es ein Minus von fast einer halben Million gegeben. „Für die Weiterführung müssten wir uns verschulden. Der ganze Kreisverband käme in Schieflage.“

Weil schon seit Jahren immer wieder Mitarbeiter im Schulzen Hof fehlten, musste über Zeitarbeitsfirmen ausgeholfen werden. Rückert: „Innerhalb von zehn Jahren wurden 1,4 Millionen Euro für Personaldienstleister ausgegeben.“

In Fallersleben fest integriert ist das Seniorenheim Schulzen Hof, hier 2018 auf der Dachterrasse beim Sommerfestival.
In Fallersleben fest integriert ist das Seniorenheim Schulzen Hof, hier 2018 auf der Dachterrasse beim Sommerfestival. © regio24 (Archiv) | Anja Weber

Finanzielle Probleme im Schulzen Hof sind nicht neu

Die finanziellen Probleme im Schulzen Hof sind nicht neu. Daher habe man schon vor zehn Jahren Anstrengungen unternommen, um gegenzusteuern. Der DRK-Präsident nannte drei Schritte, mit denen man sich bemüht habe, die Schließung zu verhindern. Als erster Schritt sei versucht worden, ein Grundstück für einen großen Neubau in Fallersleben zu finden. „Doch trotz Unterstützung von Politik, Stadt, Sparkasse und anderen Banken über ein Jahrzehnt haben wir kein Grundstück bekommen“, erklärte Lamberg.

„In einem zweiten Schritt haben wir dann auch außerhalb von Fallersleben gesucht“, berichtete Lamberg. Ins Visier geraten sei das Edag-Gebäude in Westhagen. Doch schon bei der Planung habe sich das als nicht finanzierbar herausgestellt. Als dritten Schritt habe man geprüft, ob sich das DRK-Seniorenzentrum Vorsfelde um 40 Betten erweitern lässt. Doch die Baukosten wären zu hoch gewesen, hieß es.

Auch der Verpächter sei zu viel bereit gewesen, betonte Rückert. Früher war das eine Hamburger Immobiliengesellschaft, seit einigen Jahren ist es das Braunschweiger Immobilien Management der Volksbank Braunschweig-Wolfsburg. Lamberg: „Die Volksbank hätte uns noch einmal 10 Prozent der Miete erlassen, aber das hätte uns auch nicht mehr geholfen.“

DRK-Vorstand: Kosten sind explodiert

Ein Umbau des einst als Hotel geplanten Komplexes mit Dachschrägen und etlichen Doppelzimmern wäre im laufenden Betrieb aber undenkbar gewesen, der Miet-Anteil der Pflegebedürftigen wäre extrem gestiegen. „Die Kosten sind explodiert“, resümierte Rückert.

„Es war nicht absehbar, mit welcher Vehemenz der Fachkräftemangel auf uns zukommt“, räumte Rückert ein. In den nächsten Jahren gehe im DRK-Kreisverband ein Drittel der Pflegekräfte in den Ruhestand. „Wir müssen jetzt unsere Kräfte zusammenziehen, wir haben jetzt noch Pflegepersonal für zweieinhalb Einrichtungen.“ Wobei: Aktuell sei im Schulzen Hof rein rechnerisch nur eine dreiviertel Vollzeitstelle nicht besetzt, derzeit komme man dort ohne Zeitarbeitspersonal aus. Doch im Kreisverband fehle insgesamt knapp ein Dutzend Vollzeit-Pflegekräfte. Dazu komme ein „wahnsinnig hoher Krankenstand“ durch Corona und Grippe.

Bewohner und Mitarbeiter betroffen von drastischem Schritt

Wichtig war den Verantwortlichen, klarzustellen, dass der DRK-Kreisverband nicht insolvent sei. „Und die Schließung ist nicht auf Missmanagement zurückzuführen“, betonte Rückert. Es seien „strukturelle Defizite“, mit denen alle in der Branche kämpften.

Die Entscheidung haben sich die Verantwortlichen nicht einfach gemacht, versicherten Lamberg und Rückert. Nach der einstimmigen finalen Präsidiumsentscheidung am Montag seien am Dienstag die Mitarbeiter und die Heimaufsicht der Stadt informiert worden. Am Donnerstag erfuhr der Heimbeirat davon, am Donnerstagabend habe man die Angehörigen in einer ausführlichen Mail informiert.

„Wir sind alle sehr betroffen“, sagte die Pflegedienstleiterin sichtlich mitgenommen. „Wir haben zusammen gelebt, geliebt geweint, gelacht. Wir haben mit Herzblut dort gearbeitet.“ Es habe kaum Fluktuation beim Stammpersonal gegeben, „und wir haben im letzten Jahr eine Glanzleistung hingelegt“, als es um die Überprüfung durch den Medizinischen Dienst ging. „Da tut es natürlich weh, wenn so ein tolles Team auseinandergehen muss.“

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Eines der ältesten Seniorenheime in Wolfsburg

Der Schulzen Hof ist eines der ältesten Seniorenheime in Wolfsburg. Es entstand im Zuge der Bebauung des früheren landwirtschaftlichen Geländes mit einem Einkaufszentrum in zentraler Lage in der Fallersleber Altstadt. Eröffnet wurde die Einrichtung am 1. Oktober 1988, seitdem ist Angela Wesche die Heimleiterin. Nach Angaben des DRK-Kreisverbands bietet das Haus auf zwei Etagen insgesamt 60 möblierte Pflegeplätze in 40 Einzel- und 10 Doppelzimmern.

Viele ehrenamtliche Mitarbeiter unterstützen und ergänzen die Angebote für die Bewohner und Bewohnerinnen im Schulzen Hof. Eine Kooperation mit der Hoffmann-von-Fallersleben-Realschule gibt es im Rahmen der Generationenbrücke Deutschland. Bekannt ist das Altenpflegeheim auch für seine Ausstellungen mit Künstlern.