Wolfsburg. Die Volksbank Braunschweig-Wolfsburg lässt die leerstehende Häuserzeile abreißen. Für die entstehende Baulücke soll eine schicke Zwischenlösung her.

An diesen Schaufenstern bleibt schon lange niemand mehr stehen. Am Dienstagmittag hasten die Menschen bei eisigem Wind an der Häuserzeile am Nordkopf vorbei. Die Fensterflächen der ehemaligen Geschäfte in der nördlichen Porschestraße sind zugeklebt. „Gute Aussichten…“, „Bald was neues…“ und andere Sprüche sind darauf zu lesen. Neu sind sie längst nicht mehr. Neu ist aber das, was sich hinter den heruntergekommenen Fassaden tut.

Denn die Volksbank BraWo hat in einer Pressemitteilung am Montag bekanntgegeben, dass für das Projekt „BraWo-City“ die Entkernungsarbeiten begonnen haben und im Februar der Abbruch der Gebäude startet. Die vorbereitenden Maßnahmen liefen bereits seit Dezember. Betroffen sind nur die Häuser Porschestraße 3-7.

Auf der Gebäude-Rückseite in der Alessandro-Volta-Straße laufen erste Abriss-Arbeiten.
Auf der Gebäude-Rückseite in der Alessandro-Volta-Straße laufen erste Abriss-Arbeiten. © regios24 | LARS LANDMANN

Einst florierende Wohn- und Geschäftszeile in der Wolfsburger City

Während auf Wolfsburgs Haupteinkaufsstraße davon noch nicht viel zu sehen ist, geht’s auf dem Hinterhof an der Alessandro-Volta-Straße schon richtig zur Sache: Bauarbeiter schleppen alte Heizkörper aus den längst entmieteten Wohnungen, ein Bagger macht sich mit seinem Greifer bereits an den alten Balkonen zu schaffen.

Das Ganze war einmal eine florierende Wohn- und Geschäftszeile. McDonald’s war am südlichen Ende mit dem markanten Pavillon viele Jahre zu finden, ebenso wie Frisoetebeer. Auch eine Fahrschule, ein Imbiss, Ärzte und Büros waren dort früher ansässig. Bis die Volksbank Braunschweig-Wolfsburg vor einigen Jahren begann, die Häuserzeile leerzuziehen. Das Ziel: den Nordkopf als BraWo-City zu Wolfsburgs neuem Stadtzentrum zu entwickeln. 130 Millionen Euro oder mehr sollten in einen neuen Büro- und Gewerbekomplex investiert werden, hatte es 2018 geheißen.

Am südlichen Ende der leerstehenden Häuserzeile mit dem markanten Pavillon war früher McDonald’s zu finden.
Am südlichen Ende der leerstehenden Häuserzeile mit dem markanten Pavillon war früher McDonald’s zu finden. © regios24 | LARS LANDMANN

Wirtschaftsvertreter und Spitzenpolitiker kritisierten Stillstand

Doch in jüngerer Vergangenheit hatte sich äußerlich nichts mehr getan, so dass sich im Sommer 2022 öffentlich Unmut regte. Im Interview mit unserer Zeitung forderten Wolfsburger Wirtschaftsvertreter, dass die Volksbank endlich ihre lange geplanten Innenstadt-Projekte realisiert – neben der BraWo-City auch die BraWo-Arkaden an der Schiller-Galerie.

Wenig später geißelten sogar die Spitzen von drei Ratsfraktionen den Zustand als unhaltbar. Die Vorsitzenden von SPD, Grünen und FDP/Volt forderten, dass dem spürbaren und sichtbaren Leerstand am Nordkopf dringend entgegengewirkt werden müsse. Sie sprachen von einem Imageschaden und davon, dass sich eine ambitionierte Stadt das nicht leisten könne.

Abriss der unansehnlichen Häuserzeile am Nordkopf

Nun fast so etwas wie eine Überraschung: Die unansehnliche Häuserzeile wird kurzfristig abgerissen. In ihrer Pressemitteilung kündigte die Volksbank an, dass schon im März ein Architektenwettbewerb für das Areal starten soll. Und: Bis zum vorgesehenen Neubau ist nach dem Abriss eine wie auch immer geartete Zwischennutzung geplant.

„Mit den Abbrucharbeiten erfolgt nun der erste sichtbare Schritt unseres Projekts. Wir sind mit der Stadtverwaltung in engem Austausch, um auch die nächsten Schritte und eine mögliche Zwischennutzung abzustimmen. Im März werden wir einen Architektenwettbewerb in der Form eines Gutachterverfahrens starten“, erläuterte Claudia Kayser, Leiterin der BraWo-Direktion Wolfsburg.

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Umfangreiche Planung für BraWo-City Wolfsburg

Zunächst sollen Schadstoffe und Kontaminationen auf dem Areal beseitigt und fachgerecht entsorgt werden. Dann erfolgt der Abbruch der Gebäude. Je nach Umfang der Schadstoffe werden die Arbeiten voraussichtlich bis Ende März abgeschlossen sein, kündigt die Volksbank an.

„Das Areal ist ein bedeutender Standort in Wolfsburg, der maßgeblich zu dem Erscheinungsbild der Innenstadt beitragen wird. Umso mehr bedarf die Entwicklung der ‚BraWo-City‘ einer umfangreichen und detaillierten Planung. Zudem legen wir sehr viel Wert auf regionale Dienstleister und einen engen Austausch mit der Stadtverwaltung. Daher wird die Firma Otto Wolf die Abbrucharbeiten vornehmen. Zusätzlich wurde ein Sachverständiger für Artenschutz beauftragt, der im Vorfeld zu den Abbrucharbeiten mit Rücksicht auf Fledermäuse und andere Tierarten die Schaffung von Ersatzquartieren begleitet“, ergänzte Kayser.

Architektenwettbewerb für Großprojekt

Gegenüber unserer Zeitung erklärte die Leiterin der Volksbank-Direktion Wolfsburg, Claudia Kayser, am Dienstag, wie es mit dem Großprojekt weitergehen soll. Die Frage, die sich zunächst stellt, wenn noch gar nicht klar ist, was der Architektenwettbewerb ergeben wird: Warum wird jetzt plötzlich abgerissen? „Es sieht einfach nicht schön aus. Aber wir waren in der Vorplanung mit der Stadt, das dauert“, sagte die Volksbank-Direktorin. Es habe sich hingezogen, da spielten viele Faktoren hinein.

Zwischennutzung statt Brache in prominenter Innenstadt-Lage

„Der Abriss ist jetzt erst möglich. Wir haben jetzt die Abriss-Genehmigung, das ist erst einmal ein Lichtblick“, betonte Claudia Kayser. Es gehe zunächst nur um den Abriss der Hausnummern 3 bis 7 in der Porschestraße, „das ist unproblematisch“. Wie es beispielsweise um das dahinter gelegene Zoll-Gebäude steht, das seit vielen Jahren als Hemmschuh für die Entwicklung der BraWo-City gilt, zu der ja auch die Alessandro-Volta-Straße gehört, dazu wollte die Bankerin nichts sagen. In der Nebenstraße gehören der Volksbank schon seit Jahren ebenfalls einige Immobilien.

Was eine mögliche Zwischennutzung in der exponierten Lage betrifft, fällt sicher vielen spontan die ehemalige Kalotte ein – der einst beliebte Grünhügel als Platzhalter am Nordkopf. Einen Hügel werde es wohl nicht geben, sagte die Volksbank-Direktorin. „Aber es soll eine attraktive Zwischenlösung sein, nicht einfach nur ein Bauzaun.“ Und für wie lange? „Mehrere Jahre wahrscheinlich nicht, eher zirka ein Jahr.“ Die Gespräche dazu liefen noch, „wahrscheinlich im März können wir mehr sagen“.

Keine Visualisierung, kein Zeitplan

Apropos Zeitplan: Die Bank-Direktorin vermag dazu derzeit noch nichts zu sagen. „Wir hoffen aber, dass wir dieses Jahr die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs erhalten.“ Wann ein Baubeginn denkbar sein könnte, ist also noch völlig offen. Ebenso wie die Frage, wie es künftig am Nordkopf aussehen könnte. Weil – anders als beim Projekt BraWo-Arkaden – zunächst ein Architektenwettbewerb stattfinde, gebe es auch noch keinerlei Visualisierung.

„Die BraWo-City war bisher nur intern in der Planung“, sagte Claudia Kayser. Selbst unter den Projekten der „blueorange group“, Projektentwickler und Mitglied der Volksbank BraWo Unternehmensgruppe, ist die BraWo-City Wolfsburg bisher nicht zu finden.

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Politischer Druck als Abriss-Beschleuniger vermutet

Hans-Georg Bachmann von der SPD gehörte zu den Fraktionsvorsitzenden, die den Stillstand bei der Projektentwicklung scharf kritisiert hatten. Er ist auch Vize-Vorsitzender im Bauausschuss und sagte am Dienstag: „Es ist wichtig, dass der Schandfleck da wegkommt, das ist ein komplette Totfläche.“ Er geht davon aus, dass es der politische Druck war, der die Volksbank zum Abriss bewogen hat, obwohl noch gar nicht klar ist, was dort hin soll.

Bachmann glaubt nicht, dass das Projekt bis zur nächsten Kommunalwahl schon im Bau sein wird, hofft aber, dass bis dahin zumindest Baurecht geschaffen wird. Dennoch hält er es für wichtig, sich für einen so wichtigen Standort die Zeit für einen Architektenwettbewerb zu nehmen.

Oberbürgermeister sieht Abriss als Meilenstein

Der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wilkens war ebenfalls einer der Kritiker des Stillstands beim Projekt BraWo-City. „Wir freuen uns, dass es nun vorangeht“, sagte er. Der Nordkopf sei ein wichtiges Scharnier. Eine gute Zwischennutzung der Fläche hält er für wichtig. „Es darf dort keine Brachfläche geben.“

Wolfsburgs Oberbürgermeister Dennis Weilmann äußerte sich erfreut über die Fortschritte des Projekts: „Für unsere Innenstadtentwicklung spielt der Nordkopf eine zentrale Rolle. Mit Beginn der Abrissarbeiten wird ein echter Meilenstein in der Entstehung der ‚BraWo-City‘ gesetzt. Wir freuen uns, mit der Volksbank Brawo und der dort vorhandenen Expertise im Bereich Projektentwicklung und Baumanagement einen lokalen und kompetenten Partner zu haben, um die Aufwertung am Nordkopf insgesamt voranzutreiben.“

Die Wolfsburg Wirtschaft und Marketing GmbH kommentierte den Abriss auf Anfrage so: „Als WMG begrüßen wir sehr, dass die Innenstadtentwicklung am Nordkopf nun sichtbar vorangeht und damit eine gewisse Aufbruchstimmung einhergeht.“ Das geplante Vorhaben werde maßgeblich zur Belebung und Aufwertung dieses innerstädtischen Bereichs beitragen. „Daher gilt es auch in der Zeit bis zum vorgesehenen Neubau, die Fläche bestmöglich zwischenzunutzen.“ Dazu sei man mit der Investorin und der Stadt im Austausch.