Braunschweig. Fernverkehr, ÖPNV, Flughäfen – alles soll am Montag stillstehen. Was raten Verbraucherschützer mit Blick auf den Warnstreiktag? Eine Übersicht.

Pendler und Reisende in der Region Braunschweig-Wolfsburg müssen sich am Montag auf massive Beeinträchtigungen einstellen. Der ausgerufene Warnstreik für den 27. März der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG fällt zudem auch auf den Beginn der Osterferien in Niedersachsen.

Der Fahrgastverband Pro Bahn in Niedersachsen zeigte sich im Vorfeld verärgert über die Entwicklung. Es sei „äußerst misslich“, dass dieser Tarifkonflikt erneut eskaliert sei. Leidtragende seien die Fahrgäste, die nichts für die Situation könnten. Der Verband erneuerte seine Forderungen an die Bahn, an solchen Tagen einen „Streik“-Notfahrplan vorzuhalten wie es in anderen Ländern, unter anderem in Italien, üblich sei.

Verbraucherschützer wiesen darauf hin, dass auch im Streikfall allgemeine Fahrgastrechte bestünden. Reisende, ob mit Bahn oder dem Flugzeug, könnten darauf pochen, vom Anbieter der Fahrkarten Preisnachlässe oder alternative Angebote zu erhalten.

Wir beantworten in diesem Artikel alle wichtigen Fragen zum Mega-Streik am Montag! Eine aktuelle Übersicht über die Lage in der Region Braunschweig-Wolfsburg erhalten Sie mit Klick auf den Link.

Mega-Streik: Was rät der Fahrgastverband Pro Bahn?

Malte Diehl, Vorsitzender von Pro Bahn in Niedersachsen und Bremen, rät Bahnreisenden, sich gut zu überlegen, ob eine Reise an diesem Tag überhaupt Sinn ergibt. Diehl wies neben den angekündigten Streiks beim Bahnpersonal gegenüber unserer Zeitung auch darauf hin, dass mit der EVG eine Gewerkschaft zum Streik aufgerufen habe, die eine große berufliche Bandbreite abdecke.

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„Wenn beispielsweise Stellwerke nicht besetzt sind, kann auch keine Privatbahn auf diesen Strecken verkehren, selbst wenn alle Mitarbeiter dort ganz normal Dienst tun. Es wird also chaotisch werden.“ Es sei im Zweifel sicherlich sinnvoller, so Diehl, auf nicht zwingende Reisen zu verzichten.

Volle Straßen, leere Bahnsteige und Abflughallen. Der für Montag von den Gewerkschaften Verdi und EVG angekündigte bundesweite Warnstreik wird auch in unserer Region spürbar sein.
Volle Straßen, leere Bahnsteige und Abflughallen. Der für Montag von den Gewerkschaften Verdi und EVG angekündigte bundesweite Warnstreik wird auch in unserer Region spürbar sein. © Fotos: dpa | Grafik: Jürgen Runo

Warnstreik: Habe ich das Recht auf Entschädigung?

Die Rechtslage mit Blick auf Rückerstattungszahlungen von schon gekauften Tickets bezeichnete Diehl als komplex. „Fahrgastrechte gelten infolge von EU-Recht grundsätzlich in Zügen des Nah- und Fernverkehrs, also beispielsweise in S-Bahnen, Regionalbahnen oder Intercity, sowie in Fernbussen mit Laufwegen über 250 Kilometer – jedoch beispielsweise nicht in Stadtbussen, U-Bahnen oder Straßenbahnen. Dort gibt es standardmäßig keine Entschädigung.“ Hier könne man laut Diehl nur auf die Kulanz der Anbieter oder den zuständigen Verkehrsverbund hoffen.

Nach Angaben von Diehl sei mit Jahresbeginn 2023 eine für Fahrgäste nachteilige Neuerung eingeführt worden. Diese schließe höhere Gewalt als Entschädigungsgrund aus. „Streiks wie der angekündigte Warnstreik zählen jedoch nicht dazu und berechtigen weiterhin grundsätzlich zu Entschädigungen. Wie hoch diese ausfallen können, hängt wiederum von den genauen Umständen ab. Entscheidend ist oftmals die Verspätung am Zielort.“

Diehl rät Fahrgästen bei Verspätungen und Ausfällen, sich diese von Mitarbeitern des jeweiligen Verkehrsunternehmens quittieren zu lassen, um im Zweifel einen Beweis in der Hand zu haben. Für Streitfälle existierten verschiedene Schlichtungsstellen, an die man sich wenden könne, wenn das Verkehrsunternehmen nicht zahlen wolle, erklärte Diehl.

Auf was müssen sich Flugreisende einstellen?

Neben dem Bahnverkehr werden auch Flughäfen bestreikt. Zum Warnstreik an Flughäfen aufgerufen sind den Gewerkschaften zufolge die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste und die Beschäftigten der Luftsicherheit. Dies betrifft laut Verdi die Beschäftigten an allen deutschen Verkehrsflughäfen – außer Berlin.

So sind am Flughafen Hannover, dem größten in Niedersachsen, „erhebliche Beeinträchtigungen“ zu erwarten. Am Montagmorgen stand nur ein stark abgespeckter Flugplan online. Am Flughafen Bremen finden wegen des Warnstreiks überhaupt keine Flüge statt. 380.000 Geschäfts- und Privatreisende müssen laut Flughafenverband ADV am Boden bleiben.

Was erwartet der ADAC auf den Straßen in Niedersachsen?

Am Montag erwartet der ADAC für unsere Region kein „flächendeckendes Chaos“. Es werde vermutlich voller auf den Straßen, sagte Sprecherin Alexandra Kruse unserer Zeitung. Hilfreich seien die beginnenden Osterferien. „Wir wissen, dass dann üblicherweise die Pendlerströme deutlich abnehmen. Wir gehen somit davon aus, dass weniger als gewöhnlich auf den Autobahnen los ist und die, die sich an diesem Tag wegen des Bahnstreiks ins Auto setzen müssen, die Kapazitäten nicht an ihre Grenzen bringen.“

Mit einem enormen Ferien-Reiseaufkommen am Montag rechnet der ADAC ebenfalls nicht. Es sei davon auszugehen, dass schon das Wochenende genutzt wurde, „um an die beliebten Nahziele wie Ost- und Nordsee oder in den Harz zu gelangen“.

Unwägbarkeiten bestünden für Autofahrer aber dennoch, so ADAC-Sprecherin Kruse. Dabei geht es auch um geplante Vollsperrungen auf drei Teilstücken auf der Autobahn 7 im Norden. Zudem sei noch unklar, ob möglicherweise im Rahmen des angekündigten Warnstreiks am Montag auch Tunnel gesperrt würden. So hatten die Gewerkschaften auch Beschäftigte der Autobahngesellschaft zur Niederlegung ihrer Arbeit aufgerufen. Auch der Elbtunnel in Hamburg könnte davon betroffen sein, so Kruse.

Im Unterschied zu neun anderen Bundesländern hielt Niedersachsen an dem Sonntagsfahrverbot vor dem bundesweiten Warnstreik im Verkehrssektor am Montag fest. „Wir ändern nichts“, sagte am Samstag ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Hannover. Zur Begründung verwies er auf den wegen der Osterferien in Niedersachsen beginnenden Reiseverkehr, auf den gesperrten Elbtunnel in Hamburg und eine teilgesperrte Autobahn 7. „Wir hätten uns eine bessere Abstimmung mit den anderen Ländern gewünscht“, sagte er.

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Wie reagieren Flixbus, Busunternehmen und Mietwagen-Verleiher?

Die Pressesprecherin des Unternehmens Flixbus, Isabella Domke, teilte unserer Zeitung auf Anfrage mit, man werde Montag wie gewohnt fahren. Man habe allerdings Zusatzbusse eingeplant, um „dem erhöhten Buchungsaufkommen gerecht zu werden und möglichst viele Reisende an ihr Ziel zu befördern“. Dazu gehörten laut Domke auch Verbindungen, die unsere Region ansteuern beziehungsweise passieren würden, beispielsweise von und in Richtung Berlin.

Sowohl Fernbusse als auch Mietwagen verzeichnen aktuell erhöhte Buchungen und Suchanfragen. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei mehreren Anbietern. Bei Mietwagen kam es zudem teilweise zu deutlichen Preissteigerungen.

Was raten Verbraucherschützer mit Blick auf den Warnstreiktag?

Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Bahnreise gebucht haben, können bei der Deutschen Bahn das Ticket noch bis einschließlich zum 4. April flexibel nutzen, kündigte das Unternehmen an. Sitzplatzreservierungen könnten kostenlos storniert werden. Darauf verweist auch Tim-Oliver Tettinger, Reise- und Rechtsexperte der Verbraucherzentrale in Niedersachsen. Unabhängig davon würden laut Tettinger bei Verspätung oder Zugausfall die allgemeinen Fahrgastrechte gelten. „Insbesondere zählt dazu auch die Erstattung des Ticketpreises bei verspäteten oder ausgefallenen Bahnverbindungen.“ Ebenso könnten Kosten für andere Verkehrsmittel, beispielsweise das Taxi, erstattungsfähig sein.

Bei Flügen greifen laut Tettinger umfangreiche Entschädigungsregelungen. „Bei streikbedingt abgesagten Flügen haben Fluggäste Anspruch gegen die Fluggesellschaft auf Rückerstattung des Flugpreises. Sie können sich aber auch kostenlos auf einen Alternativflug umbuchen lassen.“ Sofern man am Abflugtag in einer Stadt strande und ein Ersatzflug erst am Folgetag möglich sei, hätten die Fluggesellschaften ihren Fluggästen auch Unterstützungsleistungen wie Unterbringung und Verpflegung und ggf. Transferkosten zu erbringen, teilte der Reiseexperte unserer Zeitung mit.

Er verweist zudem auf Regeln bei Pauschalreisen. Bei Bahn- oder Flugreisen als Teil von Pauschalreisen sollten sich Reisende unbedingt auch direkt an den Reiseveranstalter wenden, um Ansprüche aus dem Reisevertrag zu sichern. „Denn der Reiseveranstalter ist in der Pflicht, die Folgen der Verspätung bei An- und Abreise zu regeln. Veranstalter einer Pauschalreise sind auch bei Streiks in der Verantwortung, etwa auch für Kosten, die durch eine Verspätung entstehen. Das können zum Beispiel Verpflegung, Unterkunft, Taxifahrten und Telefonate sein.“ Je nach den Auswirkungen auf die Gesamtreise aufgrund Reisemangels kämen im Zweifel auch Ansprüche auf Minderung des Reisepreises in Betracht.

Was sagen Experten zum koordinierten Streik von Verdi und EVG?

„Das ist eine ungewöhnliche Sache“, sagte der Tarifexperte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung Thorsten Schulten der Deutschen Presse-Agentur. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend. Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: „Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.“

Die Verbraucherzentrale in Hannover weist Arbeitnehmer, die wegen des Streiks nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen können, darauf hin, unverzüglich dem Arbeitgeber über diesen Umstand zu informieren. Die in der Hochphase der Corona-Pandemie erlernte Praxis, die Arbeit, wenn möglich, aus dem „Homeoffice“ heraus zu erledigen, könnte auch in solchen Streiklagen in Betracht gezogen werden.

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