Braunschweig. Minister Thümler und der Beamtenbund bringen Unterstützer für diejenigen ins Spiel, die in der Corona-Krise hochbelastet sind.

Es sind zwei Vorschläge, die Anlass für Diskussionen geben: Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) brachte den Aushilfseinsatz von Medizinstudenten in Kliniken während der Corona-Krise ins Spiel. Und der Vorsitzende des Niedersächsischen Beamtenbundes, Alexander Zimbehl, forderte gegenüber unserer Zeitung, Personal aus dem öffentlichen Dienst im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus einzusetzen.

Die Pflegekammer in Niedersachsen hat Thümlers Vorschlag ziemlich deutlich kritisiert. Die stellvertretende Kammerpräsidentin Nora Wehrstedt sagte laut einer Pressemitteilung: „Pflege ist ein hoch verantwortungsvoller Beruf, für den es eine mindestens dreijährige Ausbildung braucht. Pflege kann nicht jeder, auch nicht in Krisensituationen.“

Thümlers Vorschlag sei gut gemeint. Denn es sei sicher notwendig, in der aktuellen und zukünftigen Situation, Hilfspersonal einzusetzen, um die professionell Pflegenden bei pflegefernen Tätigkeiten zu entlasten, meinte Wehrstedt. „Es darf allerdings nicht der Eindruck entstehen, dass Medizinstudierende oder sonstige Hilfskräfte ohne pflegerische Ausbildung von heute auf morgen hochkomplexe Pflegeaufgaben übernehmen könnten.“

Die Ärztekammer Niedersachsen wies die Kritik an Thümler zurück. „Wir begrüßen den Vorschlag von Minister Thümler ausdrücklich“,sagte Ärztekammersprecher Thomas Spieker der Deutschen Presse-Agentur. „In dieser möglicherweise kommenden Notsituation ist die Kritik der Pflegekammer deplatziert.“ In Hannover, Göttingen und Oldenburg gibt es etwa 6000 Medizinstudenten.

Zimbehl vom Beamtenbund erklärte, dass „wir uns alle gegenseitig unterstützen müssen in dieser Situation“. Auch er lobte Thümler für dessen Vorschlag. „Ich kann dem nur Positives abgewinnen.“ Die Ministerien müssten sich nun intensiv untereinander abstimmen.

So sei es möglich, auch Beamte in Kliniken, Altenheimen oder Kitas einzusetzen. Gerade jetzt, da die Schulen geschlossen seien, Lehrer zur Verfügung stünden. Aber auch Finanzbeamte hat Zimbehl im Blick: „Die Bearbeitung der Einkommensteuer kann jetzt auch mal liegenbleiben.“

Das Potenzial wäre gewaltig. Alleine der Beamtenbund hat in Niedersachsen 72.000 Mitglieder, darunter 45.000 Beamte. „Die in der Pflege arbeiten komplett am Limit“, sagte Zimbehl. Man müsse sich in dieser besonderen Situation vom althergebrachten Denken verabschieden. Wenn es angemessen und umsetzbar sei, müssten Beamte in der Pflege oder der Kinderbetreuung eingesetzt werden. Das ginge natürlich nicht in der Intensivpflege, aber: „Beamte können in der Verwaltung helfen. Oder wenn es darum geht, Unterlagen zu kopieren. Auch das würde entlasten.“

Sebastian Wertmüller, der Chef der Gewerkschaft Verdi in unserer Region, hält hingegen von beiden Vorschlägen nichts. „Der Belastungsgrad in Kliniken und Altenheimen hat sich durch Corona noch nicht erhöht. Aber klar, hoch war er auch vorher schon.“

Laut Agentur für Arbeit gab es in Niedersachsen bereits Ende letzten Jahres etwa 3000 offene Stellen in in der Alten- und Krankenpflege. Aber nur etwa 600 suchten nach einem Arbeitsplatz.

Klinikum Wolfsburg sucht Medizinstudenten und ehemalige Zivis

Dabei wächst in Niedersachsen der Anteil der Pflegebedürftigen besonders stark. 2,65 Prozent der Niedersachsen waren 1999 pflegebedürftig, 2017 waren es 4,86 Prozent. Das sind fast 400.000 Menschen. Und jetzt also auch noch die Corona-Krise.

Dabei hätten die Kliniken die Lage derzeit sehr gut im Griff. „Ich lag bis Freitag selbst in Braunschweig im Klinikum an der Salzdahlumer Straße“, sagte Wertmüller. Die Eingänge ins Klinikum seien bereits sortiert gewesen. Das habe auch bereits für die Besucher gegolten.

Der Ablauf in einem Klinikum sei ein funktionierender Mechanismus. „Die brauchen dort kein hektisches Geschehen“, sagte Wertmüller. Unruhe würde aber hereinkommen, wenn Beamte oder Medizinstudenten umständlich in die zum Teil komplizierten Abläufe eingewiesen werden müssten.

Gleiches gelte für Altenheime. Er komme selbst aus der Branche, so Wertmüller. „In den Altenheimen braucht man vor allem Lösungen für berufstätige Eltern“, so der Gewerkschafter. Diese stünden nach der Schließung von Kitas und Schulen nun vor der Frage, wie sie die Kinderbetreuung mit dem Job im Altenheim oder auch in der Klinik vereinbaren sollten. Und zu den Beamten sagte Wertmüller: „In einem Altenheim mit 100 Betten gibt es zwei, vielleicht drei Heimmitarbeiter in der Verwaltung. Was sollen Beamte da machen?“