Wolfenbüttel. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit Sitz in Peine nennt Kriterien für die Endlagersuche. In zwei Jahren gibt es einen Zwischenbericht.

Wie kann die BGE garantieren, dass die Behörden in den Bundesländern nicht ganz bewusst wichtige Daten zurückhalten?

Die Frage stellte ein Zuhörer bei der Endlager-Veranstaltung in Wolfenbüttel.

Die Antwort recherchierte Andre Dolle.

Die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll hat begonnen. Von Peine aus wägt die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mögliche Standorte miteinander ab. Dass die Wahl dabei letztlich auf Niedersachsen fällt, halten Umweltschützer für wahrscheinlich.

Die BGE zieht durch Deutschland und stellt die Suche sowie die Kriterien vor. Mit Wolfenbüttel als Startpunkt solcher Veranstaltungen hat die BGE sich am Montagabend gleich ein schwieriges Pflaster ausgesucht. Die Asse ist in der Nähe. Aktivisten sitzen in der Lindenhalle und stellen kritische Fragen.

Stefan Studt (SPD), der neue Vorsitzende der BGE-Geschäftsführung, und der ebenfalls neue Geschäftsführer Steffen Kanitz versprechen eine transparente Suche – die Bürger sollen bei der Entscheidung eingebunden werden. „Wir stehen unter Beobachtung. Das ist uns klar“, sagt Studt. Die BGE wolle den besten Standort, eine gute, gesellschaftlich akzeptierte Lösung finden. Studt ist ehemaliger Innenminister in Schleswig-Holstein. Er erklärt, dass er mit den Kernkraftwerken Krümmel, Brokdorf und Brunsbüttel seine Erfahrungen im hohen Norden gesammelt habe, um die Brisanz des Themas wisse.

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Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Kanitz (CDU) erklärt, dass es richtig sei, dass die Deutschen für den Atommüll, den sie produziert haben, auch verantwortlich seien. „Wir bewerten nun alle Wirtsgesteine“, sagt er.

Jörg Tietze leitet den Bereich Standortauswahl bei der BGE. Er erläutert, dass die noch zu findende Lagerstätte in tiefen geologischen Schichten entstehen soll, also unter der Erde. Und von einer mindestens 100 Meter dicken Schicht aus Salz-, Ton- oder Granitgestein umschlossen sein soll – diese Wirtsgesteine hat das 2017 novellierte Standortauswahlgesetz vorgegeben. Die strahlenden Abfälle sollen dort für eine Million Jahre abgeschirmt werden – eine unvorstellbar lange Zeit. Der Müll soll für 500 Jahre rückholbar sein. Erst danach wird er fest verschlossen.

Die Wirtsgesteine nannte die BGE am Dienstag – weitere Kriterien ebenfalls. So darf das zu findende Gebiet keine vulkanische Aktivität vorweisen. „In der Eifelregion gab es vor 11 000 Jahren vulkanische Aktivität“, sagt Jennifer Klimke aus dem Team von Tietze. Die Eifel ist damit raus. Erdbebenzonen werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Die Schwierigkeit, so Klimke: „Wir müssen eine Prognose für den Zeitraum von einer Million Jahre erstellen. Da sind wir gerade dran.“

Ausschließen wollen die Wissenschaftler an diesem Abend in Wolfenbüttel kaum eine Region in Deutschland. Den Hinweis eines Zuhörers, dass sich in unserer Region bereits die Asse und auch das Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll, Schacht Konrad, befindet, verfängt nicht. Mitte 2020 legt die BGE einen Zwischenbericht vor, favorisiert Teilregionen. Bis dahin bleibt die Suche vage. Der Bundestag wird die Teilregionen dann benennen.

Dass die Standortwahl letztlich auf Niedersachsen fällt, halten Umweltschützer für ziemlich wahrscheinlich. Die Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“ hat eine Deutschlandkarte mit Regionen veröffentlicht, die von der Endlagersuche betroffen sein könnten. Die Karte (siehe oben) gibt auf Grundlage offizieller und zugänglicher Daten der Bundesgesellschaft für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie der – nicht mehr existierenden – Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs-Gesellschaft einen Überblick über Salzstöcke, Tongesteinsformationen und Granitvorkommen. 129 Landkreise und kreisfreie Städte in Deutschland kommen demnach infrage.

Mehr als 30 von bundesweit rund 50 Salzstöcken liegen in Niedersachsen. Als einziger wurde der Salzstock Gorleben bereits über Jahrzehnte auf seine Eignung überprüft. BGE-Geschäftsführer Kanitz erklärt: „Nach Gorleben haben wir bei der Suche bei null begonnen.“ Gorleben bleibe im Verfahren.

Auch beim Tongestein liegt Niedersachsen weit vorn. Ein massiver unterirdischer Tongürtel zieht sich vom Westen des Bundeslandes über die Mittelweser-Region bis ins Braunschweiger Land, läuft dann in Ostdeutschland aus. Nur Granit kommt in Niedersachsen nicht vor – aber in Sachsen und im Nordosten Bayerns.

Die BGE hatte im August 2017 eine erste Datenabfrage an 64 Behörden in allen 16 Bundesländern verschickt. Die Ämter sollten zunächst melden, welche Regionen für den Bau eines Endlagers nicht infrage kommen – etwa weil dort früher Bergbau betrieben wurde. Tietze macht in Wolfenbüttel deutlich, dass die Daten in sehr unterschiedlicher Qualität von den Behörden kamen. Ein Zuhörer will wissen, ob die BGE ausschließen könne, dass die Bundesländer auch bewusst Daten zurückhalten, damit der Kelch der Endlagersuche an ihnen vorbeigeht. Tietze antwortet: „Wir bekommen die jeweiligen Daten nicht nur einmal. Wir haben Möglichkeiten der Plausibilitätsprüfung.“

Das Datum 2020 steht. Dann soll der Zwischenbericht vorliegen. Das Datum 2031 steht ebenfalls. Dann soll der Bundestag das Endlager benennen. Auf die Frage, wie der Zeitplan dazwischen konkret aussieht, wissen die BGE-Vertreter keine Antwort. Auch nicht auf die Frage, über wie viel Prozent der Fläche Deutschlands schon genaue geologische Erkenntnisse vorherrschen.

Jochen Stay, den Sprecher der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“, überrascht das am Dienstag am Telefon nicht. „Das Datum 2031 ist politisch gewollt. Es ist nicht realistisch.“ Die von der BGE postulierte Transparenz und das Mitspracherecht der Bürger hält Stay für nichtssagend. Zwar gebe es Regionalkonferenzen und Gremien, in denen Bürger sitzen. „Sie haben aber gar keinen Einfluss“, gibt er zu bedenken.