Braunschweig. Gabriela Burscheid hat ihre Eltern sieben Jahre gepflegt. Mit uns sprach sie über die Herausforderungen.

Gabriela Burscheid blickt mit Sorge in die Zukunft. „Ich habe Angst, alt zu werden“, sagt die 55-Jährige. Zwischen 2007 und 2014 hat die Braunschweigerin ihre Eltern gepflegt. Dabei erlebte sie emotionale Momente, aber auch Schwierigkeiten im deutschen Pflegesystem.

„Die Bürokratie behindert die Pflege massiv“, sagt sie. „Meine Mutter hatte kurz vor ihrem Tod starke Demenz, hat mich nicht mehr erkannt, mich angeschrien und nach mir geschlagen. Sie war zudem bettlägerig. Die dritte Pflegestufe hat sie aber nicht mehr bekommen. Es dauerte einfach zu lange.“ Mit der Rente ihrer Eltern und dem finanziellen Zuschuss der Pflegekasse konnte sie die Pflege dennoch weitestgehend allein bewältigen.

Einen Pflegedienst beauftragte sie zunächst für ihren Vater, der Kehlkopfkrebs hatte. Wegen einer Falschbehandlung eines Pflegers verlor ihr Vater aber das Vertrauen in die Berufsgruppe und wollte ab sofort nur noch von seiner Tochter gepflegt werden.

Burscheid, die in einer Metallwarenfabrik in der Region als Gabelstaplerfahrerin tätig war, verlor vor der Pflegephase ihren Job und ist seitdem Hartz-IV-Empfängerin. Die alleinstehende Frau war rund um die Uhr ehrenamtlich für ihre Eltern da.

Sie besuchte täglich ihren Vater, der zudem einen Schlaganfall erlitt und bei dem ein Speiseröhrentumor diagnostiziert wurde, in verschiedenen Reha-Zentren und Kliniken zwischen Braunschweig und dem Harz. „Ich hatte für meine Eltern Patientenverfügungen. Als ich bei meinem Vater sah, dass es mit ihm zu Ende geht und er sterben wollte, bat ich die Ärzte, die lebenserhaltenden Maßnahmen zu stoppen.“ 2011 war das.

Als ihre Mutter den toten Gatten im Krankenhausbett liegen sah, brach sie zusammen. Beide waren 55 Jahre verheiratet. Der Gesundheitszustand von Burscheids Mutter verschlechterte sich ab dem Zeitpunkt rapide. Burscheid organisierte wieder einen Pflegedienst, der mittags und abends zum Essen kam. „Da habe ich schon mitbekommen, dass die Mitarbeiter unter Zeitdruck stehen, so häufig, wie sie auf die Uhr geschaut haben.“

Sie lebte in dieser Zeit auch bei ihrer Mutter. Mit Mitteln der Pflegekasse beantragte Burscheid ein Krankenbett. „Grundsätzlich werden Hilfsmittel für Kranke erst einmal abgelehnt“, erinnert sie sich. „Das Bettgestell kam Monate später, nur auf der ebenso beantragten Matratze konnte meine Mutter nicht mehr liegen. Denn sie kam nicht pünktlich.“ Im Sommer 2014 starb sie.

„Ich fand es superschön, meine Eltern begleiten zu können.“ Allerdings bemerkt sie auch, dass sich einige Familienmitglieder während der Zeit immer mehr von ihr distanzierten. „Mein einziger Lebensgefährte ist mein Dackel“, sagt Burscheid. Sie wünscht sich mehr Menschen, die Älteren „einfach mal die Hand reichen, wenn sie Hilfe benötigen. Wir werden doch auch alle mal alt und wünschen uns das, oder?“

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