Braunschweig. In den Krankenhäusern unserer Region herrscht Pflegenotstand. Viele Kräfte wechseln wegen physischer und psychischer Belastungen früh den Job.

Mit der Jamaika-Koalition im Bund wird es keine strukturellen Veränderungen zugunsten der Pflege geben. Dieser Meinung ist Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Die Wolfsburgerin sieht die Lage der Krankenpflege als „desaströs“ an. Das Personal in der Branche nehme ab. Laut einer Studie der Gewerkschaft Verdi würden in der Krankenpflege 70 000 Stellen fehlen.

Aufgrund der 2004 eingeführten Fallpauschalen gebe es in Krankenhäusern immer mehr Operationen, die gar nicht nötig seien. Und privatisierte Krankenhäuser hätten vor allem das Ziel, eine gute Rendite einzufahren, sagte die 61-jährige Politikerin im Gespräch mit unserer Zeitung. „Es geht nicht mehr darum, Menschen zu helfen, sondern eher darum, Krankheiten zu vermarkten.“

„Die Pflegekräfte sind im Schnitt Ende 40. In spätestens 15 Jahren wird das Problem noch größer.“
„Die Pflegekräfte sind im Schnitt Ende 40. In spätestens 15 Jahren wird das Problem noch größer.“ © Martina Hasseler, Professorin an der Ostfalia-Hochschule

In Deutschland gibt es im Vergleich zu anderen Ländern noch keinen Personalschlüssel, der gesetzlich festlegt, wie viele Patienten ein Krankenpfleger betreut. Aktuell sind es einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge in Deutschland im Durchschnitt 13. „Mir sind allerdings Krankenhäuser bekannt, in denen eine examinierte Fachkraft nachts auf mehr als 60 Patienten aufpassen muss“, sagte Zimmermann.

Doch wie kann dem entgegengewirkt werden? Andreas Goepfert, Geschäftsführer des Klinikums Braunschweig, findet, man muss ein deutliches politisches Signal in die Gesellschaft senden, dass es sich lohnt, einen solchen Beruf zu ergreifen. „Dieser Beruf bedarf einer größeren spürbaren Wertschätzung. Hierfür muss man schon in den Schulen mit dieser Thematik früher beginnen und Lust auf ein soziales Engagement wecken.“

In unserer Region sind in den Pflegeschulen zwar die allermeisten Plätze besetzt. Doch die Bewerberzahl ist zuletzt massiv gesunken. Heute gehen bei den Personalchefs zum Teil nur noch doppelt so viele Bewerbungen ein, als es Plätze gibt. Zwischen 30 und 90 Prozent der Absolventen würden übernommen, heißt es aus den Krankenhäusern in der Region.

Allerdings bleibe ein wesentlicher Teil des Nachwuchses nicht allzu lange in der Branche, weiß Professorin Martina Hasseler von der Ostfalia-Hochschule. „Spätestens mit 35 Jahren wechseln einige den Job. Gründe sind die physischen und psychischen Belastungen der Arbeit, eine fehlende Work-Life-Balance oder Überstunden, die nicht abgebaut werden können.“ Derzeit liegt das Durchschnittsalter der Pflegekräfte bei Ende 40. Sie prognostiziert: „Ein großes Problem gibt es in allerspätestens 15 Jahren, wenn diese Personen in Rente gehen.“

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