Fallersleben. Der DRK-Kreisverband Wolfsburg verkündete überraschend die Schließung des beliebten Pflegeheims. Jetzt reden die Bewohnervertreter.

Ärger, Frust, Enttäuschung: Es ist eine Mischung aus alledem, die die externen Bewohnervertreter vom Heimbeirat des DRK-Altenpflegeheims Schulzen Hof umtreibt. Ende Januar hatte der DRK-Kreisverband Wolfsburg bekanntgegeben, dass das beliebte Seniorenheim in der Fallersleber Altstadt zum 31. Juli geschlossen wird. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählen die vier Mitglieder des Heimbeirats, was sie davon halten und was sie umtreibt. Deutlich wurde auch, dass die folgenschwere Entscheidung nicht nur für sie aus heiterem Himmel kam.

Größtenteils über viele Jahre haben sich die vier Ehrenamtlichen in dem vor knapp 35 Jahren eröffneten Seniorenheim engagiert, das das Deutsche Rote Kreuz Wolfsburg im Sommer schließen will. Als Gründe wurden hohe Verluste und Kostendruck sowie Fachkräftemangel im gesamten Kreisverband genannt. Entsprechend groß ist die Enttäuschung über das plötzliche Aus für die bestens integrierte Pflegeeinrichtung.

Externen Bewohnervertretern hat’s die Sprache verschlagen

Schon die Art und Weise, wie der Heimbeirat Ende Januar über die vom DRK-Präsidium wenige Tage zuvor beschlossene Aufgabe der Senioreneinrichtung mit 60 Pflegeplätzen informiert wurde, stößt den vier Bewohnervertretern des ursprünglich sieben Mitglieder starken Heimbeirats – davon drei Bewohner – übel auf. „Uns hat’s die Sprache verschlagen“, sagt Angelika Benesch. Sie engagiert sich seit drei Jahren im Heimbeirat, ihre Mutter hat im Schulzen Hof gelebt.

Nachdem das DRK-Präsidium die finale Entscheidung nach Angaben von DRK-Präsident Jörg Lamberg und Vorstand Thorsten Rückert am 23. Januar, einem Montag, getroffen hatte, wurde der Heimbeirat nach Angaben der externen Bewohnervertreter kurzfristig für den Donnerstag zur Sondersitzung einbestellt, am Freitag folgte die Information der Öffentlichkeit per Pressegespräch.

Die externen Bewohnervertreter vom Heimbeirat des DRK-Altenpflegeheims Schulzen Hof in Fallersleben äußerten sich im Gespräch mit der Redaktion zu ihrer Sicht der Schließung: Annelie Spiegler, Angelika Benesch, Hans-Jürgen Lunde und Helmut Peipe (von links).
Die externen Bewohnervertreter vom Heimbeirat des DRK-Altenpflegeheims Schulzen Hof in Fallersleben äußerten sich im Gespräch mit der Redaktion zu ihrer Sicht der Schließung: Annelie Spiegler, Angelika Benesch, Hans-Jürgen Lunde und Helmut Peipe (von links). © regios24 | Michael Uhmeyer

Für Ehrenamtliche im DRK-Heim deutete nichts auf Schließung

„Man hat uns das voll an den Kopf geknallt. Das war unmenschlich – auch für die Bewohner, für das Personal und für die Heimleiterin Angela Wesche“, ist Helmut Peipe immer noch konsterniert. Seine Frau lebte seit 2012 im Schulzen Hof, nach ihrem Tod machte er im Heimbeirat weiter.

Irritiert sind die Vier auch, dass das Aus für sie, die anderen Ehrenamtlichen und die Bewohner wie aus dem Nichts kam – aber offenbar auch fürs Personal: „Wir hatten unsere letzte Sitzung vor der Ankündigung der Schließung im Januar. Da deutete nichts darauf hin“, versichert Angelika Benesch.

„Uns hat man nie etwas über die nun genannten Probleme erzählt“, beklagt Hans-Jürgen Lunde. Er kennt das Heim seit acht Jahren, ist seit fünf Jahren im Beirat, seine Mutter lebte dort. „Wir hätten erwartet, dass man uns so früh wie möglich unterrichtet“, ergänzt Helmut Peipe.

Lesen Sie mehr zum Thema:

Noch im Dezember große Volksbank-Spende an Heim in Fallersleben

Die Bewohnervertreter berichten unisono, dass man im Pflegeheim noch im Dezember und Januar ahnungslos und daher voller Tatendrang gewesen sei; von anderer Seite bekam unsere Zeitung das bestätigt. „Wir hatten noch viele Dinge geplant. Und vor Weihnachten haben wir noch geholfen, die Wände in den Fluren zu streichen“, erinnert sich Annelie Spiegler. Sie ist erst seit diesem Jahr im Heimbeirat, hat zuvor aber 17 Jahre im begleitenden Dienst im Schulzen Hof gearbeitet und kennt die Einrichtung daher wie ihre Westentasche.

Zudem wurden noch Zimmer renoviert. Und bis zuletzt wurden neue Bewohner aufgenommen. Noch wenige Wochen vor der Verkündung der Schließung übergab die Wolfsburger Volksbank-Direktorin Claudia Kayser – auch Schatzmeisterin im DRK-Präsidium – zudem eine 5000-Euro-Spende für einen Care-Table, einen digitalen Aktivitätstisch. Unsere Zeitung berichtete damals darüber. „Ich wollte 1000 Euro spenden für das Klinikclown-Projekt“, erzählt Angelika Benesch. „Jetzt bin ich froh, dass ich das noch nicht gemacht hatte.“

Noch im Dezember übergab Volksbank-Direktorin Claudia Kayser (von links) eine 5000-Euro-Spende für einen Care-Table an Heimleiterin Angela Wesche, Mitarbeiterin Melanie Janzen sowie die internen, also im Heim lebenden Bewohnervertreter Christa Sturm, Alexander Bohn und Gerda Steininger.
Noch im Dezember übergab Volksbank-Direktorin Claudia Kayser (von links) eine 5000-Euro-Spende für einen Care-Table an Heimleiterin Angela Wesche, Mitarbeiterin Melanie Janzen sowie die internen, also im Heim lebenden Bewohnervertreter Christa Sturm, Alexander Bohn und Gerda Steininger. © Volksbank BraWo / Isabell Massel (Archiv)

Ehrenamtliche wollen nicht in anderen DRK-Heimen aktiv werden

„Ich habe das Gefühl, dass nur Geld eine Rolle spielt“, resümiert Hans-Jürgen Lunde. „Ich finde, das ist für einen Wohlfahrtsverband unwürdig.“ Er will sich nach der Schließung nicht für ein anderes DRK-Heim einbringen: „Ich wickele das hier noch ab, dann ist meine ehrenamtliche Arbeit für das DRK beendet“, kündigt Lunde schwer enttäuscht an.

Annelie Spiegler will sich nur noch besuchsmäßig um Bewohner kümmern, die sie bisher betreut hat. Angelika Benesch sieht keinen Anlass, sich künftig in einem anderen Heim einzubringen. Und Helmut Peipe sagt klipp und klar: „In einem anderen DRK-Heim werde ich mich nicht engagieren. Ich werde allenfalls noch Bewohner besuchen.“

Andere Wolfsburger Seniorenheime sind teurer

Für die Pflegebedürftigen und die Mitarbeitenden sei die Situation gleichermaßen schlimm, schildern die Heimbeiratsmitglieder. „Die Bewohner mussten ja schon einmal umziehen und ihr Zuhause verlassen. Hier hatten sie ein neues Zuhause gefunden – aber jetzt müssen sie im hohen Alter noch einmal umziehen. Schlimm ist das“, sagt Hans-Jürgen Lunde. „Eine Bewohnerin ist erst vor wenigen Wochen noch im Schulzen Hof eingezogen.“

Die Bewohner werden auseinandergerissen, da sie und ihre Angehörigen schauen müssen, wo sie künftig unterkommen können. Nicht für alle ist Platz in den beiden anderen Wolfsburger DRK-Heimen. Und auch nicht alle können sich einen Umzug dorthin leisten, geben die Bewohnervertreter zu bedenken: „Andere Heime sind teurer als der Schulzen Hof. Oder die Bewohner wollen nicht da hin“, weiß Helmut Peipe.

Lesen Sie hier weitere Nachrichten aus Wolfsburg:

Ehrenamtliche schwelgen in Erinnerungen

Zwei Männer hätten erst vor kurzem Freundschaft geschlossen, berichtet Anneliese Spiegler. Der eine Bewohner sei erst 2022 aus Dortmund in das Pflegeheim gezogen. „Als sein Freund jetzt hier ausgezogen ist, hat er ihm ein Foto als Erinnerung zurückgelassen. Das ist so traurig.“

„Es gibt im Schulzen Hof und der näheren Umgebung nichts, was es nicht gibt“, betont Helmut Peipe. Supermarkt, Drogeriemarkt, Bäckerei, Friseur, Restaurant, Café: Alle Bewohner, die noch mobil seien, nutzten das, was das so zentral gelegene Heim biete – anders als bei den beiden anderen Wolfsburger DRK-Heimen in Randlage, dem WIR in der Fallersleber Oststadt und dem Seniorenzentrum in der Vorsfelder Südstadt.

Gemeinsam schwelgt das Quartett in Erinnerungen. „Was wir alles gemacht haben!“, ruft Annelie Spiegler spontan aus. Zusammen mit dem Team im Schulzen Hof haben die Ehrenamtlichen im Laufe der Jahre vieles auf die Beine gestellt: Veranstaltungen mit Sketchen und anderen vergnüglichen Auftritten beispielsweise.

Wann im Altenpflegeheim die Lichter ausgehen, ist unklar

Inzwischen werden es nach und nach immer weniger, die noch im Schulzen Hof leben, einige der im Januar noch 58 Pflegebedürftigen sind bereits ausgezogen. Wann in dem Heim tatsächlich die Lichter ausgehen, vermag derzeit niemand zu sagen. Vermutlich aber deutlich vor dem 31. Juli, „Das Haus muss vor der endgültigen Schließung ja auch noch leergeräumt werden“, gibt Annelie Spiegler zu bedenken.

Mehr wichtige Nachrichten aus Wolfsburg lesen:

Täglich wissen, was in Wolfsburg passiert: Hier kostenlos für den täglichen Wolfsburg-Newsletter anmelden!