Braunschweig. Ob vor dem Zutritt zur Disko oder dem Restaurant: Über das Hausrecht können 3G-Regeln noch verschärft werden. Ein Braunschweiger erlebte das auf Sylt.

Während die meisten Restaurantbesitzer im Gegensatz zu ihrem Personal dank bekannt üppiger Unterstützung durch die Krise gekommen sind, können einige den Hals nicht vollkriegen. So verschärfen nicht nur auf Sylt einige die bestehenden Corona-Regeln und verlangen aktuelle 24-Stunden-Tests, egal ob die Gäste geimpft oder genesen sind. Die Teststation nebenan, man ahnt es, wird natürlich von den Gastronomen selbst betrieben. Zahlt ja der Steuerzahler.

Das schreibt ein Leser unserer Zeitung, der anonym bleiben will.

Dazu recherchierte Dirk Breyvogel

Der Ärger des Lesers ist groß, allgemeine Behauptungen reihen sich hier an Erfahrungsberichte. Im Gespräch mit ihm wird klar: Einen pauschalen Vorwurf gegenüber der Gastronomie will auch er nicht aus dem Erlebten ableiten. Unsere Recherche bestätigt das. Sowohl das Gesundheitsministerium in Kiel als auch das in Hannover erklären, eine derartige Verschränkung der Geschäftsfelder, wie es in den Aussagen des Lesers beschrieben wird, müsse als Einzelfall bezeichnet werden. Auch Verbraucherschützer trauen sich hier kein Urteil zu.

Die Aussagen unterstreichen aber, dass die Nerven vielerorts blank liegen. Der Tonfall sei rauer, die Beziehung zwischen Gewerbetreibenden und Kunden sei durch Corona an vielen Stellen abgekühlt, moniert der Leser in seinen Anmerkungen weiter. Sogar beim Bäcker auf seiner „Lieblingsinsel“ herrsche ein Kasernenhofton nach dem Motto: Kennen Sie nicht Corona!“

Durfte der Restaurantbetreiber auf Sylt eine Testpflicht verlangen?

Ja, das durfte er, erklärt das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium auf Nachfrage. „Mit der neuen Verordnung seit dem 23. August gilt in der Innengastronomie in Schleswig-Holstein die 3G-Regel. Diese darf über das Hausrecht des Wirtes zwar nicht aufgeweicht, jedoch verschärft werden“, erklärt Ministeriumssprecher Marius Livschütz. Daher sei es legitim gewesen, dass auch vollständig geimpfte Personen, wie der Leser es ist, einen zusätzlichen Corona-Test vorweisen müssen, bevor der Fisch auf den Teller kommt. Das Hausrecht ende aber dort, wo das Antidiskriminierungsgesetz des Bundes anfange, sagt der Sprecher. „Wer beispielsweise aufgrund seiner Hautfarbe oder seiner Weltanschauung als Gast abgewiesen werde, der kann sich juristisch zur Wehr setzen.“ Dem Einwand, dass in diesem konkreten „Sylter Fall“ weder 3G noch 2G, sondern eine „1G-Regel“ durchgesetzt worden sei, widerspricht der Ministeriumssprecher nicht.

Woran orientiert sich das Land Niedersachsen?

Die Corona-Verordnungen der Länder regeln auch für Gastronomie und Handel den Umgang mit dem Kunden. Dabei ist es den Bundesländern selbst überlassen, ob sie im Zweifel die Beschlüsse noch verschärfen. So setzt Hamburg bei Restaurants, Kneipen, Theater, Kinos und weiteren Publikumseinrichtungen als Optionsmodell auf 2G: Das heißt: ein negativer Corona-Test bringt hier nichts. Nur Geimpfte oder Genesene erhalten Zutritt, dafür ist mehr Publikum erlaubt.

Niedersachsens Verordnung, gültig seit dem 25. August, besagt: „Die Verordnung des Landes sieht derzeit keine pauschalen Erleichterungen für Veranstalterinnen und Veranstalter oder Einrichtungen vor, die im Rahmen des jeweiligen Hausrechts eine Beschränkung der Teilnehmenden/BesucherInnen auf Geimpfte und Genesene vornehmen.“ Bedeutet: Die Landesregierung hält es aktuell für geboten, über die 3G-Regel Geimpften, Genesenen und Getesteten dieselben Zugangsmöglichkeiten zum öffentlichen Leben zu gewähren. 3G gilt generell schon jetzt in Einrichtungen wie Pflegeheimen oder bei Großveranstaltungen, kann bei einer länger andauernden Inzidenz ab 50 von Kommunen auf sämtliche Bereiche ausgedehnt werden.

Sind Fälle wie auf Sylt auch in unserer Region bekannt?

In die Braunschweiger Diskothek „Eulenglück“ kommt man aktuell nur mit einem gültigen negativen Corona-Test.
In die Braunschweiger Diskothek „Eulenglück“ kommt man aktuell nur mit einem gültigen negativen Corona-Test. © Dirk Breyvogel | DIRK BREYVOGEL

Ja, sie sind aber nur bedingt vergleichbar. So ist aktuell für den Besuch der Braunschweiger Diskothek Eulenglück, kurz „Eule“, ein negativer Corona-Test unumgänglich. „Das gilt erst seit einigen Wochen. Davor hatten wir ja dicht“, erklärt Betreiber Oliver Strauß die Situation. Die Kunden, die laut Strauß zum allergrößten Teil zwischen 18 und 25 Jahren alt sind, hätten damit „überhaupt keine Probleme“. Man habe das auch sehr deutlich unter anderem bei Facebook kommuniziert. „Die meisten sind noch nicht geimpft und freuen sich, dass abends endlich mal wieder was los ist. Auch die, die geimpft sind, nehmen daher einen zusätzlichen Test in Kauf“, so Strauß, der in dem Zusammenhang auch auf den besonderen Pandemieschutz hinweist. „Auch doppelt Geimpfte können das Virus weitergeben, daher sind alle im Club safe.“ Das Hausrecht erlaubt Strauß diese Möglichkeit. Das bestätigt auch das niedersächsische Gesundheitsministerium. Eine Sprecherin formuliert es so: „Eine Disko kann auch fordern, dass alle, die rein wollen, grüngepunktete Schuhe tragen müssen. Man kann dann selbst entscheiden, ob man das möchte.“

Den Vorwurf, weil er nur wenige Meter entfernt selbst ein Testzentrum betreibt, handele er unlauter, hält er aus. Aus mehreren Gründen. „Es ist ein Angebot, keine Pflicht für die Kunden, die in den Club wollen, sich dort testen zu lassen. Uns reicht der digitale Nachweis einer negativen Testung, der kann auch in anderen Testzentren im Stadtgebiet oder beim Drive-in auf dem Weg zur Disko gemacht werden. Wenn es anders wäre, könnte ich die Vorwürfe verstehen.“ Außerdem sei das Geschäft mit den Tests immer mehr zu einem Minusgeschäft geworden. An einem Test verdiene er weit weniger als er seinen Angestellten im Testzelt an Stundenlohn zahlen würde.

Im Gespräch kündigt der Geschäftsmann jedoch noch ein weiteres Einlass-Modell im Club „Flamingo Rosso“ an. Dort herrsche demnächst 2G. „Nur vollständig Geimpfte und Genesene haben Zugang und können sich dort ohne Maske aufhalten“, erklärt er. Er begründet das auch mit dem Alter des dort verkehrenden Publikums, das älter sei und meisten geimpft. Man wolle derzeit einiges ausprobieren. Es sei ein Experiment, dass auch wieder beendet werden könne. Strauß handelt dabei offenbar nach dem Motto: Nichtstun ist keine Alternative. Demnach ist es besser, jetzt etwas auszuprobieren anstatt später wieder als erste Branche die Türen zumachen zu müssen.

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Was sagt das Landesgesundheitsministerium zu diesem Vorgehen?

Die niedersächsische Corona-Verordnung erlaubt das ausdrücklich. Sie erteilt Diskotheken, Clubs, Shisha-Bars und anderen Einrichtungen in Paragraf 12 eine „2G-Privilegierung“, die auch die Mund-Nasen-Bedeckung – also die Maskenpflicht – in den Clubs außer Kraft setzt. Man sehe die Szene nicht als Pandemietreiber, heißt es aus dem zuständigen Ministerium. Jedoch könne das zuständige Gesundheitsamt Hygieneauflagen anpassen und die Maskenpflicht nachträglich anordnen. Das hänge im Zweifel auch von den räumlichen Gegebenheiten ab.

Gibt es weitere Beispiele aus der Region?

Auch in unserer Region gibt es prominente Beispiele, wo 3G schon ausgedient hat. Unter Verweis auf steigende Inzidenzen und in enger behördlicher Abstimmung wird der VfL Wolfsburg, wie zuvor auch schon der 1. FC Köln, beim nächsten Heimspiel nur noch Zuschauer in sein Stadion lassen, die entweder geimpft oder genesen sind. Ausnahmen gelten für Kinder bis 18 Jahren. Am Donnerstag unterstrich die Stadt Wolfsburg in einer Pressemitteilung ihre Empfehlung für 2G, die auch für das Grizzly-Eishockeyteam gelten soll. Ziel sei es, keine „Hotspots für Menschen ohne ausreichenden Impfschutz oder Genesenschutz entstehen zu lassen“.

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Wie sieht die Zukunft der Testzentren aus?

In den Kreisen und Städten in unserer Region steht man immer öfter vor geschlossenen oder verwaisten Testzentren. Dass die Kapazitäten heruntergefahren werden, hat mehrere Gründe. „So sinkt mit der steigenden Impfquote die Notwendigkeit, sich testen zu lassen“, erklärt Anne Hage, Sprecherin im niedersächsischen Gesundheitsministerium. Niedrige Inzidenzen im Frühsommer sorgten dafür, dass der Bedarf geringer wurde. Zudem sank aber auch der Anreiz, Testzentren privat zu betreiben, denn auch die Vergütung nahm ab. Sie fiel ab 1. Juli auf Geheiß des Bundesgesundheitsministeriums pro Test von 18 Euro auf 11,50. Das Landesgesundheitsministerium beziffert die aktuell aktiven Teststellen und -zentren auf 2135. Dazu gehörten auch die (Zahn-)Arztpraxen, Apotheken, medizinische Labore, Rettungs- und Hilfsorganisationen, und die von der Kassenärztlichen Vereinigung betriebenen Teststellen.

Ab dem 11. Oktober ändert sich zudem der Abrechnungsmodus. Bezahlte der Bund bisher aus Steuermitteln mindestens einen Test in der Woche, müssen Ungeimpfte, die ihr Impfangebot nicht wahrnehmen wollten, den Test dann aus der eigenen Tasche bezahlen.

Wichtige Corona-Regeln und Infos für die Region

Alle wichtigen Fragen und Antworten zu Corona in Niedersachsen gibt's hier . Welche Regeln zurzeit in Braunschweig gelten, erfahren Sie hier.

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