Hannover. Die neue Endlagersuche lässt trotz eines geregelten Verfahrens jede Menge Raum für Streit. „Konrad“ soll in jedem Fall in Betrieb.

Unser Leser Eckart Sander aus Salzgitter fragt:

Wo soll der viele Atommüll bleiben? Der Assemüll muss entsorgt werden, Konrad bleibt über, weitere Endlager sind nicht in Sicht.

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) fühlte ein neues Zeitalter anbrechen. „Jetzt kann es losgehen mit der neuen, offenen, wissenschaftsbasierten und transparenten Suche nach dem sichersten Standort für den Atommüll“, jubelte die Ministerin Ende März in einer Mitteilung. Der Bundesrat, die Länderkammer, hatte den Gesetzentwurf zur „Fortentwicklung“ des Standortauswahlgesetzes angenommen. Zwar gibt die neue Endlagersuche noch keine direkte Antwort auf die Frage, die auch unser Leser stellt. Hendricks’ Länderkollege Stefan Wenzel (Grüne) nutzte die Zustimmung von Bundesrat und auch Bundestag nun aber zu einer Regierungserklärung im niedersächsischen Landtag. Er sprach von einem „Neubeginn von historischer Bedeutung“.

Das Gesetz zeichnet schließlich einen Weg vor, mit dem eine Antwort gefunden werden könnte. Die Suche geht von einer „weißen Landkarte“ aus, schließt kein potenzielles „Wirtsgestein“ aus und geht spätestens mit obertägigen Erkundungen von möglichen Standorten in die heiße Phase.

Die „weiße Landkarte“ bedeutet, dass auch der heftig umstrittene niedersächsische Standort Gorleben nicht vorab ausgeschlossen wird – auch weil spätere Standortregionen sonst umso deutlicher mit dem Finger auf Gorleben zeigen könnten. Gorleben-Kritiker wie die Grüne Miriam Staudte interpretieren die angeblich „weiße Landkarte“ allerdings ganz anders. Die Landtagsabgeordnete sieht im „Kleingedruckten“ Anhaltspunkte dafür, dass Gorleben gezielt im Spiel gehalten werden soll – etwa trotz der Möglichkeit des Wegsackens des Salzstocks durch Wasserwegsamkeiten. Dass alle Wirtsgesteine auf Eigenschaften und Eignung betrachtet werden, verhindert methodisch ein Vorfestlegen auf Salzstöcke wie Gorleben. „Kristallingestein muss an den gleichen Maßstäben gemessen werden wie Salz und Ton“, forderte aber bereits Bayern. Denn kristalline Granitformationen finden sich vor allem in Bayern und Sachsen. In ihnen würden wohl aufwändigere „technische Barrieren“, also vor allem Einlagerungsbehälter, gebraucht. So bleibt, bei aller „Transparenz“ und wissenschaftlichen Begleitung, jede Menge Stoff für Streit. Wenzel betonte denn auch, Länder wie Kanada nähmen sich für den Prozess mehr Zeit als Deutschland. Bis 2031 soll hierzulande der bestmögliche Standort gefunden sein.

Schon seit langem ist Deutschland auch beim Lagern schwach- und mittelaktiver Abfälle in Not. Der Bund hatte deshalb eine Erweiterung von „Schacht Konrad“ ins Spiel gebracht. Denn „Konrad“ war ursprünglich weit größer beantragt, dann aber zur Amtszeit der Umweltminister Jürgen Trittin (Bund, Grüne) und Wolfgang Jüttner (Land, SPD) „halbiert“ worden – auf jene 303 000 Kubikmeter, die jetzt auch Wenzel im Parlament noch einmal in Erinnerung brachte. In Betrieb gehen soll „Konrad“ nach dem Willen des Bundes in jedem Fall. Die Überprüfung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik beinhaltet keine Grundsatzfragen der Konzeption. Doch mehr Müll nach „Konrad“ zu bringen, ginge wohl rechtlich wie politisch nur mit einem neuen Planverfahren.

Der Bund hat sich daher auch bei der Standortauswahl des nun zu suchenden neuen Endlagers eine Hintertür offengelassen. Dieses solle „insbesondere“ das Problem der hoch radioaktiven Abfälle lösen, heißt es – das lässt Raum für mehr. „Wir wollen die Entsorgung des Asse-Mülls mit der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll verbinden“, hatte Hendricks unserer Zeitung Anfang 2016 gesagt.

„St. Florian ist kein guter Ratgeber. St. Einsicht wäre besser“, sagte der CDU-Abgeordnete Martin Bäumer im Parlament. Das Auswahlverfahren soll der Vernunft nun zum Sieg verhelfen.