Braunschweig. Uwe Hildebrandt recherchierte die Antworten auf Ihre Fragen zum Thema Regionalförderung.

Unser Leser Rolf Klotzbucher fragt:

EU-Gelder müssen sinnvoll ausgegeben werden. In Ländern wie Spanien werden zum Beispiel Regionalflughäfen gebaut, die ungenutzt bleiben. Wie soll auch hier bei uns dafür gesorgt werden, dass Fördergelder sinnvoll ausgegeben und gerechter verteilt werden?

Auch Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) freute sich gestern über die Fördergelder für einen Flughafen, der allerdings genutzt wird. Ob der Forschungsflughafen Braunschweig-Wolfsburg indes eine angemessene Größe erreicht hat, diese Frage wird hier ebenso diskutiert wie die Sinnhaftigkeit mancher Terminals in Spanien.

„Wir Braunschweiger können uns insgesamt nicht beklagen, was in den letzten zehn Jahren an Landesförderung insbesondere für Großprojekte hier reingeflossen ist“, erklärte Hoffmann in einer Presse-Information und nannte eine Reihe geförderter Projekte: den Flughafen, das Niedersächsische Forschungszentrum für Fahrzeugtechnik, den For schungs campus, das Klinikum, die Stadtsanierung, die Museen der Stadt, den Öffentlichen Personen-Nahverkehr.

Und tatsächlich: Wenn es um die Verteilung von EU-Fördermitteln in Niedersachsen geht, dann ist die Stadt Braunschweig kein Sorgenkind. Sie profitiert von der Forschungsförderung für ihre vielen wissenschaftlichen Einrichtungen sowie – aufgrund der hohen Dichte von Betrieben – von den europäischen Strukturfonds. Über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) etwa soll ärmeren Regionen dabei geholfen werden, wirtschaftlich aufzuholen. Mittelständische Betriebe erhalten eine Förderung, wenn sie sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen und die Infrastruktur verbessern.

Der Förderunterschied zwischen den westlichen Landkreisen in Weser-Ems und den Landkreisen in unserer Region ist bei der Efre-Förderung nicht mehr so augenfällig wie bei den anderen bereits vorgestellten EU-Programmen zur Förderung des ländlichen Raums oder für soziale Projekte.

Doch auch hier fällt auf, dass vom demografischen Wandel und einer Strukturschwäche betroffene Kommunen fast leer ausgehen – während wirtschaftlich solide Kommunen in der seit 2007 laufenden Förderperiode ordentlich in die Fördertöpfe langen dürfen.

Braunschweig, Hannover oder das Emsland zählen zu den Profiteuren, die Kreise Wolfenbüttel und Peine oder die Stadt Salzgitter gucken in die Röhre.

Was ist die Ursache für diese Entwicklung? Kathrin Weiher, Erste Kreisrätin des Kreises Goslar, bestätigt, dass Betriebe und Kommunen in ländlichen Regionen oft nicht die Eigenmittel aufbringen könnten, die für eine EU-Förderung nötig seien. „Unsere mittelständische Wirtschaft hat oft eine Eigenmittelschwäche, die kommen gerade so klar und können in solche Projekte nicht investieren. Und auch die Kommunen im Oberharz können das nicht.“

Den meist älteren Betreibern von Hotels und Gaststätten gehe es oft nur noch ums kurzfristige Überleben – und nicht um die Sicherung einer langfristigen Zukunft, so Weiher.

Die Verwaltungschefin aus Goslar weist noch auf ein weiteres Problem hin: „Die Förderkulisse im nahen Sachsen-Anhalt ist wesentlich besser. Viele gehen lieber da hin.“

Bei derartigen Rahmenbedingungen ist klar, dass ein Fonds wie der Efre sein Ziel verfehlt, nämlich ärmeren Regionen dabei zu helfen, wirtschaftlich aufzuholen. Wenn diese aufgrund mangelnder Eigenmittel gar keine EU-Förderung abrufen, kann sogar das Gegenteil eintreten: die Starken werden noch stärker, die Schwachen noch schwächer.

Die Mahnung unseres Lesers, EU-Mittel müssten sinnvoll ausgegeben werden, ist hier also angebracht. Bei der Beantwortung seiner Frage, was sich bei der Förderpraxis künftig ändern muss, kann der Peiner Landrat Franz Einhaus behilflich sein. Seit den 90er Jahren verfolgt der Sozialdemokrat als inzwischen dienstältester Landrat in der Region diese Entwicklung – er war einst selbst für die Wirtschaftsförderung im Kreis Peine zuständig.

Zunächst weist Einhaus eine Äußerung des Vorsitzenden des Regionalplanungsausschusses im Zweckverband Großraum Braunschweig zurück – Volker Meier (CDU) aus Helmstedt hatte erklärt, unsere Region habe weniger Ideen für förderwürdige Projekte hervorgebracht als der Weser-Ems-Raum.

An Ideen habe es nicht gemangelt, sagt Einhaus und erzählt von der Erarbeitung eines Struktur- und Wachstumskonzepts für die Region Braunschweig. Damit hätten Vertreter der Kommunen, der Wirtschaft und der Unternehmensberatung McKinsey vor circa zehn Jahren begonnen.

Es seien Konzepte für eine neue Wirtschaftsförderung und viele Leuchtturmprojekte entwickelt worden, sagt der Landrat. Für den Kreis Peine war beispielsweise der Bau eines „Kunststofftechnikums“ geplant. Den vielen kunststoffverarbeitenden Betrieben, die wenige Ressourcen für eine eigene Entwicklungsarbeit haben, sollte so eine zentrale Anlage beispielsweise für den Bau von Nullserien geboten werden.

„Wir hatten ein 300 bis 400 Seiten umfassendes Wachstumskonzept mit Vorschlägen für Leuchtturmprojekte erstellt, das Ganze passierte auf regionaler Ebene“, erzählt Einhaus: „Es mangelte nicht an guten Ideen, sondern an einer Wirtschaftsförderung des Landes.“ Das Land, das in der Steuerungsgruppe vertreten gewesen sei, hätte die Initiativen aufgreifen und unterstützen müssen – „anstatt nur auf den Eingang von Zuschussanträgen zu warten.“ Hannover sei nie aktiv auf unsere Region zugegangen, um diese voranzubringen.

Was wurde aus den Leuchtturmprojekten? Ein Projektmanager lief sich die Hacken wund, die Kommunen verloren den Glauben an eine Realisierung. „Wir mussten jetzt diesen ganzen Prozess neu aufsetzen, weil wir festgestellt haben, dass wir die Wachstums- und Arbeitsplatzziele nicht erreichen konnten“, erzählt Einhaus von geplatzten Träumen: „Von den Leuchtturmprojekten ist nur ein ganz beschaulicher Rest übriggeblieben. Nach den Arbeitsplatzeffekten fragt jetzt keiner mehr, denn die sind kaum dokumentierbar.“

Der Peiner Landrat setzt nun auf die neue Landesregierung: „Ich hoffe auf mehr Unterstützung seitens des Landes und dass sich ein regionaler Entwicklungsprozess ergibt. Ich hoffe, dass das Land seine Förderpolitik in dieser Hinsicht verändert, dass man die Förderinstrumente anpasst.“ Eine Hauptstadt Hannover entwickele in ihrer Region schon selbst eine besondere Dynamik, da müsse kein Geld mehr reingepumpt werden. Das gelte auch für den Westen Niedersachsens.

Die Landesregierung hat bereits angekündigt, dass die Förderung künftig mehr den ländlichen Räumen zugute kommen soll. Auch der für 2014 angekündigte Landesbeauftragte mit Sitz in Braunschweig könnte das Fördermittelmanagement koordinieren. Problematisch ist allerdings, dass künftig deutlich weniger EU-Mittel fließen werden.

Franz Einhaus glaubt, dass es mit einer Umlenkung von Fördergeldern allein nicht getan ist: „Die ganze Standortpolitik gehört auf den Prüfstand. Es kann nicht sein, dass Ausbildungszentren und Institute immer in den Oberzentren angesiedelt werden. Wir brauchen auch junge Leute in den kleineren Städten, wir brauchen Investitionen in der Fläche.“

Goslars Erste Kreisrätin Kathrin Weiher sieht immerhin einen Silberstreif am Horizont: „Es gibt Anzeichen für positive Entwicklungen.“ Im Tourismus steigen die Übernachtungszahlen; es werde wieder in Projekte investiert, in Bio-Suiten in Bad Harzburg oder das Skigebiet in Braunlage, in die große Hotelanlage am Torfhaus. Auch bei der erforderlichen Energiespeicherung könne der Harz eine wichtige Rolle spielen.

Viele Projekte werden allerdings nur gelingen, wenn sie gefördert werden. Kathrin Weiher erinnert sich, dass der vom neuen Ministerpräsidenten Stephan Weil versprochene Südniedersachsenplan erst 100 Millionen Euro schwer sein sollte – nun sei nur noch von 50 Millionen Euro die Rede. „Es müssen 100 Millionen Euro sein, sonst ist das wenig aussichtsreich“, mahnt sie.

Und wie will Braunschweigs Oberbürgermeister Hoffmann das Fördermittel-Management für unsere Region verbessern? Er glaubt nach wie vor, dass besonders die schwächeren Landkreise davon profitieren würden, wenn eine verfasste Region gegründet wird und gemeinsam die Fördermittel eingeworben werden.

Hoffmann: „Aber bisher war weder die alte noch die neue Landesregierung bereit, ihre ureigenste Verantwortung für eine solche Reform wahrzunehmen, sondern man wartet auf eine ,Reform von unten’. Darauf kann man traditionell lange warten.“

Statt einer verfassten Region favorisiert Peines Landrat Einhaus ein Zwischenmodell, die Gründung eines Regionalverbands. Schon mit diesem könnten regionale Interessen besser gebündelt und Fördermittel eingeworben werden.