Braunschweig. Alya Al-Kanani – Frau voller Power! Jetzt tritt sie mit Partner in Braunschweig auf. Ein starkes Porträt voller Leidenschaft – und die Termine.

„Lieber heftig mit den Füßen stampfen, als graziös im Spitzentanz zu schweben“ – Alya Al-Kanani erinnert sich noch genau an die Wucht, mit der die Liebe sie gepackt hat. Die Liebe zum Flamenco. Damals war sie klassische Tänzerin am Staatstheater.

Bluthochzeit hieß das Stück, mit dem ihr Ensemble auf der Bühne stand. Im Publikum saß auch die Regisseurin Adelheit Müter. „Du bist die ideale Carmen“, sagte die im Anschluss an die Vorstellung zu Alya Al-Kanani.

Der Handschlag ist kräftig, die Umarmung auch: Alya Al-Kanani.
Der Handschlag ist kräftig, die Umarmung auch: Alya Al-Kanani. © Ingeborg Obi- Preuß

Und tatsächlich ist sie eine Carmen geworden. Allerdings weit ab von Rüschenkleidern und Blumen im Haar. Eher eine Punk-Carmen. Aktuell ist sie in Braunschweig zu erleben, im Kult und im Kufahaus am Westbahnhof: Am 9. und 10. Juni mit dem Stück „Ausnahme /Zustand“, basierend auf dem Drama „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist.

Alya Al-Kanani ist eine kurvige Frau mit dicken, langen Haaren, schönen weißen Zähnen und einem umwerfenden Lachen. Der Handschlag ist kräftig, die Umarmung auch. Ohne Zweifel eine Frau mit Temperament.

Sie sagt über die Carmen: „Ich sehe eher eine Kriegerin in dieser Figur“

Dem irakischen Vater verdankt sie das südländische Aussehen, das gut zu einer Carmen passt. Vor allem zu einer Carmen wie ihr. „Ich sehe eher eine Kriegerin in dieser Figur“, beschreibt Alya Al-Kanani ihren Zugang. Deshalb liebt sie ihr aktuelles Stück ganz besonders. Das Drama „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist handelt von der tragischen Liebe einer Amazone.

Das passt zu Alya Al-Kanani. Sie und ihr Partner Marco Vargas holen die Geschichte ins Heute, lassen die Geschlechter miteinander ringen. Lack und Leder kommen ins Spiel, ein erotischer Machtkampf. Flamenco modern. So, wie sie das gelernt hat.

„Ich bin damals direkt nach Madrid“, erzählt Alya Al-Kanani von einer Leidenschaft, die direkt mit ihrer ersten Carmenrolle entfacht wurde. „Ohne ein Wort spanisch, ohne genau zu wissen, wohin“, sagt sie mit ihrem gurrenden Lachen.

In Madrid, neben Andalusien einer der Hotspots für gute Flamencoschulen, lernt sie das Wesen des Flamencos kennen und lieben. Das Besondere sei, dass es keine eindeutigen Rollenzuschreibungen gibt, kein typisch männlich, typisch weiblich, sondern nur die Kraft der Anziehung und der Abstoßung.

Die Ausbildung ist kompliziert und dauert ein Leben lang. „Bei uns ist nichts durchchoreografiert“

„Ich habe mich sehr früh diesem modernen Flamenco angeschlossen“, erzählt sie – und spricht von großen Namen, die das klassische andalusische Genre weitab von traditioneller Folklore tanzen. Es war genau der richtige Zugang für sie zur richtigen Zeit.

„Ich hatte eine schwierige Kindheit“, erzählt sie, und die volle Stimme wird leise, „mein Vater war gewalttätig, meine Mutter psychisch krank.“ Was bleibt aus dieser Zeit, ist eine ungeheure Wut. „Und die ist im Flamenco genau richtig. Fast wie eine Therapie“, sagt sie. „Und auch mein Körper war hier richtig, denn als klassische Balletttänzerin musst du dünn sein.“

Sie habe häufig über die Liedzeile in Ulla Meineckes „New York“ lachen müssen … New York, lieber doch kein Ballett, New York, ich bin zu fett fürs Ballett. Beim Flamenco dagegen sind ihre Kurven richtig. „Meine erste Lehrerin sagte: Tragt die Brüste wie der Stier seine Hörner.“ Na, dann…

Die Ausbildung ist kompliziert und dauert ein Leben lang. „Es ist bei uns nichts durchchoreografiert“, erzählt Alya Al-Kanani, es gibt keine Partitur. Wenn der Sänger mit der Stimme fällt, ist das dein Einsatz als Tänzerin. Du lebst den Takt.“

„Braunschweig müsste Sie auf Händen tragen, da Sie eine Brücke zwischen Spanien und Deutschland schlagen“

„Ich schlage jeden Takt mit den Füßen“, beschreibt sie ihre Trainingseinheiten. Morgens, häufig auch noch einmal am Abend. Mit ihrem aktuellen Partner Marco Vargas, ein preisgekrönter Star aus Sevilla, verbindet sie eine jahrelange Flamencozeit. Sie fühlen sich, sie leben im gleichen Rhythmus auf der Bühne.

Mit ihrem ersten gemeinsamen Stück „Versuchung“, das auch in Braunschweig zu sehen war, konnten die beiden im Programm der Bienale in Sevilla im Flamenco Museum auftreten. „Der Chef dort hatte mir zuvor immer gesagt: Hier tanzen nur Spanierinnen“, erzählt Alya Al-Kanani. Doch nachdem er sie auf der Bühne gesehen hatte, änderte er seine Haltung.

Ein echter Triumph für die Braunschweigerin. Und ein großartiger Lohn für den täglichen körperlichen Einsatz. „Mit unserem neuen Stück, das wir jetzt in Braunschweig tanzen, bewerben wir uns offiziell für die Bienale Sevilla 2024“, sagt Alya Al-Kanani.

Der Museumschef, ein Deutscher, hat „seine Entdeckung“ befreundeten Diplomaten vorgestellt. Und die haben Alya Al-Kanani gerade geschrieben: „Braunschweig müsste Sie auf Händen tragen, da Sie eine Brücke zwischen Spanien und Deutschland schlagen – und das mit arabischen Wurzeln.“

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