Braunschweig. Der Ortsteil Wenden wurde auf Schwachstellen untersucht. Es wird zu Tempo-Limits und Parkplatz-Verlust geraten.

Was passiert eigentlich, wenn man nicht Autos oder Radfahrer in den Mittelpunkt der Verkehrsplanung stellt – sondern Fußgänger?

Braunschweig gehört zu den bundesweit nur fünf Modell-Städten, wo genau das untersucht wird: Wie sollte man den öffentlichen Raum im Ortsteil Wenden im Sinne der Fußgänger gestalten? Ergebnisse liegen vor. Die große Frage: Was nun? Hat ein autogerechtes Dorf Bestandsschutz?

Fußgänger haben in Braunschweig keine starke Lobby. Eine Änderung gab es im vergangenen Jahr. An ganz vielen Orten im Stadtgebiet waren sogenannte Quartiersgeher unterwegs. Rund 30 Freiwillige aus der Bürgerschaft, die an einem Online-Workshop vom Verein FUSS e.V. teilgenommen hatten.

Eine Art Schulung, um einen Fußverkehrs-Check vornehmen zu können. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand Wenden. Der Grund: Wenden hat eine Straßenbahn. Plan ist: Die Fußverkehrs-Lösungen in Wenden sollen Vorbild für Rautheim sein, wenn dort der geplante Straßenbahn-Anschluss erfolgt.

Welche Eindrücke Politik, Bauverwaltung, Quartiersgeher und Bürger sammelten, darüber wurde mittlerweile der dortige Bezirksrat informiert.

„Eine bloße Mitteilung“, sagt Bezirksbürgermeister Carsten Degering-Hilscher. Zeit- und Kostenplan gibt es nicht. „Es kann tatsächlich sein, dass nun alles in der Schublade verschwindet“, sagt dazu Volker Märgner. Er ist Vorsitzender von FUSS-Braunschweig. „Das Modell-Projekt ist beendet. Die Umsetzung der Ergebnisse war nicht Teil des Modell-Vorhabens.“

Fußgänger haben keine Lobby

Ob die Umsetzung nun kommt, ist unklar. Märgner erläutert: „Es gibt weder einen Arbeitskreis noch einen Ansprechpartner in der Stadtverwaltung. Fußgänger haben weiterhin keine Lobby. Ob nun die Verwaltung oder die Politik Anträge zur Umsetzung stellt, ist völlig unklar.“

Doch egal ist es nicht. Denn Wenden wird gewaltig wachsen. Im Westen des Orts entsteht ein riesiges Baugebiet. Die Erschließung hat begonnen. Am Baurecht für einen zweiten Bauabschnitt wird bereits gearbeitet.

Rund 1000 Wohnungen sollen entstehen. Autoarm soll es werden. Aytekin Demirbas hat während der Begehung geprüft, ob er Neubürger in Wenden werden könnte? Sein Fazit: „Nein! Ohne fremde Hilfe käme ich nicht von A nach B.“ Demirbas ist Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenverbands in Braunschweig. „Alles fehlt. Kein Leitsystem für Blinde und Sehbehinderte. Ich wüsste auch nicht, wie ich sicher über Wendens Hauptstraße zum Einkaufen käme. Per Straßenbahn müsste ich zur Hamburger Straße zum Einkaufen fahren.“

So sieht der Plan aus, wenn Fußgänger in Wenden mehr Platz erhalten sollen. Bisher handelt sich lediglich um Vorschläge.
So sieht der Plan aus, wenn Fußgänger in Wenden mehr Platz erhalten sollen. Bisher handelt sich lediglich um Vorschläge. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Büsche zurückzuschneiden, wie vorgeschlagen, ist unkompliziert. Schattenspendende Bäume zu pflanzen und Bänke zum Rasten aufzustellen, schon nicht mehr. Parkraum ginge verloren. Märgner sagt, es sei wie fast überall: „Der öffentliche Raum reicht nicht, um für alle Platz zu schaffen. Besonders dann nicht, wenn es als Recht aufgefasst wird, sein Auto vor der eigenen Haustür zu parken.“

Scheitert Aufwertung an den Kosten?

In Wenden, sagt der FUSS-Vorsitzende, sei es besonders kompliziert: „Mitunter gibt es Fußwege nur einseitig an den Straßen und dann auch noch so schmal, dass man die Fußwege weder mit Rollstuhl,Rollator oder Kinderwagen nutzen kann.“ Das sei nicht nur in Wenden, sondern in vielen Dörfern der Fall. „Doch wenn die Fußgänger schon auf die Straßen müssen, dann sollte man die Straßen auch zu Spielstraßen machen. Für Autos Schritt-Tempo – und nicht mehr.“

In Wenden kommt hinzu: Viele der aufgeführten Straßen mit Veränderungspotenzial müssen bald saniert werden. CDU und FDP sind alarmiert. Heidemarie Mundlos (CDU) sagt: „Viele in Wenden waren von der Idee begeistert, dass die Hauptstraße Radwege bekommt. Die Begeisterung war ganz schnell verflogen, als es um die Straßenausbau-Beiträge ging.“

Also keine Radwege. Die CDU/FDP-Gruppe hat bereits angefragt: Was kostet es, wenn Fußgänger tatsächlich mehr Platz bekommen? Und: Was heißt das für die Straßenausbau-Beiträge der Anwohner?

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