Braunschweig. Tarifstreit im öffentlichen Dienst: Beschäftigten drohten Lohnkürzungen, heißt es. Vereinbarung über Notfallversorgung am Streiktag ist gescheitert.

Im Rahmen der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst ruft die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) die Beschäftigten des Städtischen Klinikums Braunschweig am Mittwoch, 15. März, zum Warnstreik auf. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine Entgelterhöhung um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro, bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Das Angebot der Arbeitgeber umfasst eine Entgelterhöhung von insgesamt 5 Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen von insgesamt 2500 Euro, mit einer Laufzeit von 27 Monaten.

Bislang gibt es in dem Tarifstreit keine Annäherung, auch die zweite Verhandlungsrunde Ende Februar verlief ohne Ergebnisse. Für Ende März ist die wohl entscheidende dritte Runde angesetzt. Verdi-Chef Frank Werneke hat bereits mit einer Urabstimmung über einen regulären Streik gedroht, falls die dritte Runde keinen Durchbruch bringe.

Pflegefachkraft am Braunschweiger Klinikum: Wir haben die Nase voll

Verdi zufolge wollen die Arbeitgeber den Tarifvertrag zur Zukunftssicherung der Krankenhäuser sowie den Tarifvertrag Soziale Dienste für die Altenpflege und Altenhilfe wieder in Kraft setzen. „Wenn diese Tarifverträge angewendet würden, könnten Kliniken bis zu sechs Prozent, Arbeitgeber in der Altenpflege bis zu fünf Prozent weniger zahlen, wenn es dem Betrieb wirtschaftlich schlecht geht“, so die Gewerkschaft. Das sei nicht hinnehmbar.

„Wir Beschäftigte des Klinikums Braunschweig haben die Nase voll“, wird Antje Pohle, Pflegefachkraft im Klinikum, in der Verdi-Mitteilung zitiert. „Die Belastungen nehmen seit Jahren zu und nun sollen wir einen Reallohnverlust oder gar Lohnkürzungen hinnehmen. Erst wurden wir in der Pandemie beklatscht – und nun folgt die Klatsche.“

Klinikum-Geschäftsführer: Wir können unsere Preise nicht selbst gestalten

Ob eine solche Sonderregelung in einer Notlage genutzt und Lohn sogar gekürzt würde, hätte im Fall des Städtischen Klinikums die Stadt Braunschweig als Krankenhaus-Trägerin zu entscheiden. Klinikum-Geschäftsführer Dr. Andreas Goepfert ist sich indes sicher: „Für unser Haus ist das kein Thema.“ Zumal in Zeiten des Fachkräftemangels.

Goepfert betont, die Forderungen der Beschäftigten in den Tarifverhandlungen nachvollziehen zu können. Das Klinikum sei ein komplettes Tarifhaus. Bei rund 2300 der mehr als 4000 Beschäftigten handelt es sich um Pflegekräfte – deren Personalkosten inklusive Tarifsteigerungen laut Bundesregelung komplett gegenfinanziert werden.

Bei den übrigen von Verdi vertretenen Berufsgruppen hofft Goepfert ebenfalls auf eine Refinanzierung durch die Kostenträger. In der freien Wirtschaft könnten Unternehmen die Kosten für Tarifsteigerungen auf die Preise für ihre Produkte aufschlagen. „Wir können unsere Preise nicht selbst gestalten.“

Hoffnung auf Krankenhaus-Reform

Grundlage für die Abrechnung der Leistungen, die ein Krankenhaus erbringt, ist der sogenannte Landesbasisfallwert, der jährlich angepasst wird. Seiner Erhöhung um 4,32 Prozent stehen laut Goepfert auf der Ausgabenseite im Klinikum Kostensteigerungen von 8 bis 10 Prozent gegenüber. „Das kann nicht funktionieren“, setzt der Geschäftsführer nun auf die mit Spannung erwartete Krankenhaus-Reform.

Als Begleitmusik zu den aktuellen Tarifverhandlungen herrscht zwischen Verdi und der Klinikum-Geschäftsführung im Vorfeld des angekündigten Warnstreiks Uneinigkeit über einen Notdienst, der den Krankenhausbetrieb trotz des Streikrechts soweit wie nötig aufrechterhalten soll. Aber was ist nötig?

Reicht bei Streik ein Notdienst auf Wochenend-Niveau?

„Wie in allen von Streikmaßnahmen betroffenen Krankenhäusern hat Verdi eine Vereinbarung über die Notfallversorgung während des Streiks auf Niveau des Wochenenddienstes eingefordert“, heißt es seitens der Gewerkschaft. Verhandlungen mit der Klinik-Geschäftsführung über eine solche Vereinbarung seien jedoch ergebnislos beendet worden. „Die Klinikleitung lehnte zuletzt sogar einen Notdienst ab, der teils über dem Wochenend-Niveau liegt.“

Verdi: „Klinikum-Leitung will Verzicht auf Streikrecht“

„Die Geschäftsführung agiert unverantwortlich, wenn sie eine verbindliche Anpassung des Versorgungsumfangs an die geringere Personalausstattung während der Streiktage verweigert“, erklärt Streikleiter Gunther Degenhardt. „Zudem möchte die Geschäftsführung damit die Beschäftigten zu einem Verzicht auf ihr grundgesetzlich geschütztes Streikrecht bewegen“, kritisiert der Verdi-Vertreter weiter. Die Belegschaft werde sich hiervon nicht beeindrucken lassen und ihr Streikrecht verantwortungsvoll wahrnehmen. „Die gewerkschaftlich Aktiven werden zudem auch ohne Vereinbarung einen Notdienst auf Wochenend-Niveau sicherstellen.“

Klinikum-Geschäftsführer fürchtet Gefährdung der Bevölkerung

Geschäftsführer Goepfert widerspricht dem Vorwurf, das Streikrecht unterwandern zu wollen. Er stehe dem Anliegen im Gegenteil grundsätzlich positiv gegenüber. In einer Notdienstvereinbarung, wie sie Verdi vorgeschlagen habe, sehe er aber eine mögliche Gefährdung der Bevölkerung. Der Haken an der Sache aus Goepferts Sicht: Das Klinikum habe keine Informationen darüber, wie lange der Streik andauern werde. Ein Vereinbarung würde aber für den gesamten Zeitraum gelten.

Zwar würde das Angebot von Verdi – ein Notdienst auf Wochenend-Niveau – ausreichen, um einen Streiktag zu überbrücken. Werde ein Streik aber über längere Zeit fortgesetzt, argumentiert Goepfert, würden die eingeschränkten Kapazitäten nicht ausreichen, um sowohl Notfälle behandeln als auch dringliche Eingriffe – etwa bei Krebs- oder Herzerkrankungen – vornehmen zu können. Beides müsse aber sichergestellt sein. „Das Klinikum gehört zur kritischen Infrastruktur.“

Mehr Nachrichten aus Braunschweig

Mehr wichtige Nachrichten aus Braunschweig lesen:

Täglich wissen, was in Braunschweig passiert: Hier kostenlos für den täglichen Braunschweig-Newsletter anmelden!Hier kostenlos für den täglichen Braunschweig-Newsletter anmelden!