Braunschweig. Als Küchenchef bei der Lebenshilfe arbeitet Adrian Hamann mit Menschen mit Beeinträchtigung. Privat reist er zum Angeln gerne nach Skandinavien.

Ein Bild einer jungen Mitarbeiterin hat Adrian Hamann noch heute vor Augen, obwohl die Veranstaltung schon viele Jahre zurückliegt: Bei einem Catering hantierte die Frau so grazil mit dem Lachsmesser, dass die Gäste ins Staunen gerieten. Hauchdünne Scheiben vom hausgemachten Graved Lachs fielen dabei ab, und der Küchenchef war mächtig stolz.

Es zeigte ihm, dass er mit seinem Jobwechsel die richtige Entscheidung getroffen hatte. Von seinem Posten in der gehobenen Küche war er 2007 zur Lebenshilfe gewechselt, um dort als Küchenchef Menschen mit Beeinträchtigung anzuleiten.

Rund 150 Essen gehen in der Kantine täglich über den Tisch

In den Küchenräumen in der Fabrikstraße nahe dem Braunschweiger Bürgerpark herrscht am frühen Nachmittag noch reger Betrieb. Ein Putzkommando macht gründlich sauber. Aber nicht nur Hygiene wird bei der Lebenshilfe groß geschrieben. Auch klare Strukturen sollen den Mitarbeitern den Arbeitsalltag erleichtern. Es gibt getrennte Kühlkammern für Fleisch und Fisch, Gemüse und Molkereiprodukte, dazu einen Tiefkühler und eine Trockenkammer für Grundnahrungsmittel. „Die Lebensmittel benötigen unterschiedliche Temperaturen. Das soll jedem in der Ausbildungsküche vermittelt werden“, sagt Hamann.

Rund 150 Essen gehen in der Kantine täglich über den Tisch. Vor Corona waren es meist über 200. Der Rückgang ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass Menschen mit Beeinträchtigung zu den von einer Infektion besonders gefährdeten Gruppen gehören. Auch viele Gäste aus umliegenden Betrieben konnten bis vor kurzem nicht mehr in der Kantine essen, weil Externe aus Vorsichtsgründen nicht mehr zugelassen waren.

Adrian Hamann (links) leitet als Küchenchef seine Mitarbeiter an.
Adrian Hamann (links) leitet als Küchenchef seine Mitarbeiter an. © Henning Thobaben

Nachhaltigkeit, Tierwohl, Regionalität: Das zählt in der Lebenshilfe-Kantine

Adrian Hamann liebt seinen Job einerseits, weil an seinem Arbeitsplatz die Wertigkeit von Lebensmitteln im Fokus steht. Vieles kauft er in Bio-Qualität ein. Was kein Siegel trägt, hat zumindest aus nachhaltiger und dem Tierwohl entsprechender Produktion zu stammen. „Außerdem kochen wir viel mit regionalen Zutaten“, sagt Hamann.

Andererseits fährt der Braunschweiger jeden Morgen gerne zu seinem Arbeitsplatz, weil er das Umfeld mag. „Die Menschen mit Beeinträchtigung sind hier immer mit viel Freude bei der Arbeit. Sie freuen sich sehr über Erfolge, und sie sind vom Charakter her immer ehrlich“, meint der 43-Jährige.

Schon als Zivi war er bei der Lebenshilfe

Er selbst hatte bereits in seiner Zivildienst-Zeit erste Erfahrungen im Bereich der pädagogischen Arbeit gesammelt. Bei der Lebenshilfe in Rautheim hatte er in der Betreuung und Pflege ausgeholfen. „Ich war sofort schockverliebt. Das Zusammensein mit den Menschen hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen“, erklärt der Koch, der zuvor seine Ausbildung im Hotel Aquarius absolviert hatte.

Nach dem Zivildienst trat er seinen Job im MMI-Hotel in Riddagshausen an. An der Seite von Küchenchef Jörg Thiess war Hamann für große Veranstaltungen wie Hochzeiten, Vernissagen oder Firmenevents zuständig. „Dort wurde ebenfalls immer nur mit frischen Lebensmitteln gekocht. Auch in die spannende Welt der Molekularküche durfte ich reinschnuppern“, berichtet Hamann.

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Rund-um-Versorgung beim Festival „Rock in Rautheim“

Catering steht für den Koch und sein Team noch heute auf dem Programm. Denn die Lebenshilfe wird immer wieder beauftragt, diverse Veranstaltungen kulinarisch zu begleiten – ob Sommerfeste von Firmen, der Dehoga-Neujahrsempfang oder das Fußball-Pfingstturnier des FC Rautheim. Zudem beliefert die Küche verschiedene Einrichtungen der Lebenshilfe. Weitere Lebenshilfe-Teams sind in Schulen oder etwa im Bundesamt für Strahlenschutz im Einsatz.

Ein Höhepunkt ist zudem das Catering für das von der Lebenshilfe ausgerichtete Festival „Rock in Rautheim“. Es ist kein Geheimnis, dass bekannte Größen aus der Metalszene auch deshalb gerne für einen Auftritt bei der inklusiven Veranstaltung in den Braunschweiger Stadtteil kommen, weil sie dort rundum gut versorgt werden. „Vor dem Auftritt gibt es einen Energy Drink, danach einen Smoothie“, erzählt Adrian Hamann – von den ganzen anderen Köstlichkeiten hinter der Bühne ganz abgesehen. Die Kochkünste des Teams kommen bei den Gruppen so gut an, dass sogar schon persönliche Kontakte gewachsen sind. „Mit dem Sänger und dem Gitarristen von Rage bin ich mittlerweile befreundet.“

In der Kantine der Lebenshilfe Braunschweig in der Fabrikstraße gehen jeden Tag rund 150 Essen über die Theke.
In der Kantine der Lebenshilfe Braunschweig in der Fabrikstraße gehen jeden Tag rund 150 Essen über die Theke. © Henning Thobaben

Zweijährige pädagogische Zusatzausbildung

Dass Hamann den Weg in einen gastronomischen Beruf einschlagen würde, stellte sich früh heraus. Seine Eltern betrieben im Landkreis Helmstedt eine Gaststätte, waren später in verschiedenen Lokalen im Angestelltenverhältnis tätig. „So ist Kochen schnell zu meinem Hobby geworden. Ich war auch immer derjenige, der bei Feiern gerne am Grill stand“, erzählt der in Braunschweig-Wenden wohnende Mann, der früher auch als Servicekraft am Tetzelstein jobbte.

Als er 2007 bei der Lebenshilfe anfing, eignete er sich in einer zweijährigen Zusatzausbildung alle nötigen pädagogischen Fähigkeiten an. Die braucht er nicht nur im Umgang mit den eigenen Mitarbeitern. Das Küchenteam ist auch Teil von sozialen Projekten. So wird beispielsweise jungen Sportlern des USC Braunschweig das Thema gesunde Ernährung vermittelt, die jüngeren von ihnen legen bei Adrian Hamann und seinen Mitarbeitern ihren Ernährungsführerschein ab.

Dorsch, Köhler, Pollack und Scholle aus Skandinavien

Auch privat dreht sich bei dem Braunschweiger viel um das Thema Kochen. Der Familienvater lebt mit seiner Frau Kerstin und seinen beiden Kindern in einem Schwedenhaus mit Garten – und natürlich einer Outdoor-Küche. „Auch zu Hause bin ich immer derjenige, der für die Mahlzeiten zuständig ist. Das mache ich aber gerne“, erzählt der Koch, der auch immer für Gartenarbeit zu haben ist.

Sein liebstes Hobby ist jedoch das Angeln. Gerade erst im Mai war er mit Kumpels in Norwegen. Dorsch, Köhler, Pollack und Scholle lagern deshalb auch in dem Kühlraum in der Lebenshilfe-Küche. „Aber der ist nur für mich, meine Familie und Freunde“, erklärt der Koch augenzwinkernd. Weil sein Schwiegervater nahe der Nordsee ebenfalls einen Teich hat, in dem sich gut angeln lässt, wird bei Familie Hamann häufig Fisch gegessen. „Sogar Weihnachten kommt gebeizter Lachs auf den Tisch“, sagt er.

Bei der Lebenshilfe stehen die Meerestiere ebenfalls häufig auf der Speisekarte – selbstverständlich auch hier aus nachhaltigem Fang mit entsprechendem Siegel.

Lachstartar, empfohlen von Adrian Hamann.
Lachstartar, empfohlen von Adrian Hamann. © Hamann

Hamanns Rezepttipp: Räucherlachstartar mit Schmand

Zutaten (2 Personen): 200 g Räucherlachs, 1 Tomate, 1 Apfel, 1 kleines Bund Dill, 200 g Schmand, Salz, Pfeffer, 200 g Eisbergsalat, 100 g Salatgurke, ½ Zitrone, EL Olivenöl, Balsamico-Essig.

Zubereitung: Den Lachs in feine Würfel schneiden. Apfel und Tomate ebenfalls in kleine Würfel schneiden. Den Dill waschen und fein schneiden. Den Schmand in eine Schüssel geben und glattrühren. Die restlichen Zutaten dazugeben und vorsichtig unterheben. Mit Salz, Pfeffer und Zitrone abschmecken. Den Eisbergsalat in feine Streifen und die Salatgurke in feine Würfel schneiden, beides in einer Schüssel mit etwas Olivenöl und Balsamico-Essig vermengen und etwas salzen. Den Salat als Topping auf den Teller legen und das Tartar in der Mitte anrichten. Mit einem Dillzweig garnieren.