Braunschweig. Mario Kilian kam einst einigen TV-Stars nahe. Nun steht er schon lange im Betriebsrestaurant der Öffentlichen für Kreativität und Nachhaltigkeit.

„Ein Koch ist wie ein Künstler. Er lebt von Applaus“, sagt Mario Kilian, und deshalb freut er sich immer wieder über Lob. Positive Resonanz erhält der Küchenchef nicht selten, immerhin leitet er eines der wohl besten Betriebsrestaurants unserer Region.

Bei der Öffentlichen Versicherung in Braunschweig produziert sein Team manchmal sogar Nudeln selbst, der Rotkohl kommt nie aus Glas oder TK-Karton, und zum Dessert dürfen sich die Mitarbeiter im Winter über frisch gebackenen Baumkuchen freuen. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung, sagt sich Kilian und will auch seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden. In jungen Jahren hat er einige Erfahrung an der Seite von Kollegen aus Sternehäusern gesammelt.

Der Braunschweiger kochte für Thomas Gottschalk und Günther Jauch

Unterföhring ist nur eine kleine Gemeinde in Oberbayern mit nicht mal 10.000 Einwohnern. Aber der Ort am nordöstlichen Stadtrand Münchens ist ein bedeutender Medienstandort in Deutschland. Mehrere Sender und Studios haben hier ihren Sitz – früher sogar mal das ZDF. Deshalb lernte Mario Kilian schon bei seiner ersten Anstellung einige TV-Stars kennen. Er hatte sich in einer Hotel- und Gaststättenzeitung einige interessante Inserate herausgepickt. Der Leiter des Hotels mit Gasthof in Unterföhring wollte ihn sofort haben, ohne Vorstellungsgespräch und langes Herumgerede.

Und so kochte der Braunschweiger schon bald für Moderatoren wie Thomas Gottschalk und Günther Jauch, als deren Fernsehkarrieren noch am Anfang standen. Und auch der „Ede“ Zimmermann sei immer wieder zu Gast gewesen, erinnert sich Kilian. Klein habe der Moderator von Aktenzeichen XY im Fernsehen ausgesehen? „Nee, das war ein Typ wie’n Bär“, weiß der Koch heute noch.

Eingeweckte Lebensmittel gehen in dem Betriebsrestaurant der Öffentlichen Versicherung auch heute noch gut.
Eingeweckte Lebensmittel gehen in dem Betriebsrestaurant der Öffentlichen Versicherung auch heute noch gut. © Henning Thobaben

Als Rudi Carrell zu später Stunde noch Hunger hatte

Ja, und natürlich schaute der Rudi auch immer mal wieder rein. Und zwar meist donnerstags, wenn Drehtag für die säuselige Herzblatt-Show war. „Da wollte abends immer keiner Dienst haben. Man konnte sicher sein, dass die Chefin um halb elf noch den Kopf in die Küche steckte und meinte: Der Carrell kommt noch mit seiner Truppe zum Essen vorbei!“, erzählt Kilian.

Ein lustiger Kerl sei der Niederländer gewesen – ganz im Gegenteil zu diesem... Wie hieß er noch? Ach nein, egal, sagt der Koch. Das mache man ja nicht. Er redet lieber positiv über Menschen. Und er hasst es, unpünktlich zu sein. Zu spät zum Dienst erschienen ist der Koch in seinem Leben nur ein einziges Mal, weil er verschlafen hatte.

Gerd Müller gab ihm 50 Mark Trinkgeld

Vermutlich lag dieser eine Fauxpas an dem aufregenden, aber harten Leben in dieser Zeit. Kilian tobte sich im süddeutschen Raum ordentlich aus. Er findet: Ein Koch muss herumziehen und überall lernen und etwas mitnehmen, um irgendwann seinen eigenen Stil zu finden. Im Münchener Stadtteil Solln tat er das in einem Restaurant, in dem ebenfalls die Prominenz ein- und ausging. Vor allem die aus der großen Fußballwelt. „Der Olaf Thon wollte immer Hüftsteak, Thomas Strunz meist Entenbrust – beides komplett durchgebraten“, kommen ihm die Wünsche zweier Ex-FC-Bayern-Kicker in den Sinn.

Hektisch sei es angesichts von 1200 Plätzen im Biergarten zugegangen, sagt Kilian, der noch weiß, dass irgendwann eine Gruppe Männer quälend langsam vor ihm die Treppe rauf zum Restaurant ging. Als sich einer umdrehte, erkannte er ihn sofort: Gerd Müller. 50 D-Mark Trinkgeld habe der ihm in die Hand gedrückt, und der Stau auf der Treppe war damit sofort vergessen.

Ach, und erst der Lothar! Ein total netter Kerl, sei der Matthäus gewesen, sagt Kilian. Damals war der gerade zu Inter Mailand gewechselt, und darum musste er sich das Autogramm des späteren Weltmeisters unbedingt noch auf seiner Kochmütze sichern.

„Die Pinzettenlegerei der Sterneköche ist nichts für mich“

Auch in einem Restaurant mit 12 Köchen aus Sternehäusern hat Kilian schon ehrfürchtig sein Handwerk praktiziert, später in einem Schloss bei Regensburg, in dem seine Privatunterkunft ein stilvolles Turmzimmer war. Mitte der 90er Jahre zog es ihn dann aber zurück in seine Heimatregion. Nach einem kurzen Abstecher bei Schadt’s „Zum Löwen“ bot sich die Gelegenheit bei der Öffentlichen.

„Ich habe erst überlegt: Kantine? Willst du das wirklich?“, gesteht der Anhänger der mediterranen Küche. Dass es einmal fast 28 Jahre und sicher noch mehr werden würden, hätte er damals nie gedacht, gibt er zu. Letztlich sei die Pinzettenlegerei der Sterneköche nichts für ihn, meint er. „Die kochen auch nur mit Wasser“, sagt der Mann, der seinen Beruf lange über alles stellte, aber irgendwann das Familienleben schätzen lernte.

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Die besten Einfälle kommen dem Torwart beim Laufen

Nur einmal musste Kilian noch aus Braunschweig weg: Um den Meister zu machen, ging er drei Monate nach Koblenz. Bei der Abschlussprüfung musste er ein Sechs-Gänge-Menü auf die Beine stellen, aber das schaffte er ebenfalls. „Auch wenn keine Zeit war, um etwas zu essen oder aufs Klo zu gehen“, sagt der heute in Cremlingen wohnende Koch.

Bei dem Versicherungsunternehmen wissen die Mitarbeiter seine Kreativität zu schätzen, die auf der Sportleidenschaft Kilians gründet. „Die besten Einfälle für neue Gerichte kommen mir immer beim Laufen“, sagt der Mann, der außerdem schon mit Broitzems Ü32-Fußballern deutscher Meister wurde – als Torwart.

Jeder Gast wählt die Portionsgröße selbst – nichts soll in der Tonne landen

In Kilians Arbeitsbereich wird Nachhaltigkeit groß geschrieben. So viel wie möglich kauft er regional ein. Und damit so wenig wie möglich Essen in der Tonne landet, darf der Gast seine Portionsgröße selbst wählen. Knochen von Hähnchenschenkeln werden genauso wie Petersilienstängel für die Zubereitung von Soße oder Brühe weiterverwendet.

Von den einst 420 Essen pro Tag in der Vor-Corona-Zeit ist das Küchenteam vor allem wegen der Home-Office-Tage noch weit entfernt. Aber Kilian dachte während der Pandemie auch an die Heimarbeiter. Er begann, Gerichte wie Gulasch oder Königsberger Klopse, aber auch Komponenten wie Bolognese-Soße in Weckgläsern für zu Hause anzubieten – ein Renner. Genauso, wie die angebotenen Antipasti-Platten weggingen wie nichts. „Manche haben sogar Eltern oder Nachbarn welche mitgenommen“, sagt Mario Kilian. Für ihn ist das die schönste Form der Bestätigung, sozusagen: ein donnernder Applaus.