Peine. In der kriselnden Celler AKH-Gruppe entscheidet der Aufsichtsrat am Freitag, ob Peine im Verbund bleibt oder verkauft wird.

Gebürtige Peiner gibt es nicht mehr, sofern das Kind nicht bei einer Hausgeburt zur Welt kommt. Denn im Klinikum Peine wurde im April die Fachabteilung Frauenheilkunde geschlossen, ein besonders schmerzlicher Einschnitt für das 300-Betten-Haus und vor allem für die Peiner Seele. Die Abteilungsschließung war nicht der einzige Einschnitt und wohl auch nicht der letzte. Denn das Peiner Haus gehört seit dem Verkauf durch den Landkreis Peine im Jahr 2003 zum Klinikverbund der AKH-Gruppe Celle, und die ist im vorigen Jahr in eine tiefe finanzielle Krise gestürzt.

Im Oktober meldete der neue AKH-Vorstand Martin Windmann einen Verlust von 16,5 Millionen Euro der beiden Klinikstandorte Celle und Peine im Geschäftsjahr 2017 – ein „überraschendes“ Ergebnis, mutmaßlich durch Management-Fehler in der Vergangenheit verursacht. Vermeintlich offene Forderungen vor allem an Krankenkassen in Millionen-Höhe hätten abgeschrieben werden müssen. Hinzu gekommen waren laut AKH schlechtere Belegungszahlen in Peine. Den Peiner Anteil an dem Minus taxierte der Peiner Geschäftsführer Hans-Werner Kuska auf rund 6,5 Millionen Euro. Ob nun der vorherige Vorstand die Zahlen „zu schön“ gerechnet hat oder der neue „zu schlecht“, um Sparmaßnahmen durchzuboxen, darüber wird spekuliert.

Fakt ist: Seither läuft der Sanierungsprozess.Die Schließung der Frauenheilkunde oder die Auslagerung von Küche und Speisenversorgung waren erste Schritte, um frühzeitig Effekte zur Verbesserung der Lage zu initialisieren. Die entscheidenden Weichenstellungen aber werden erst aus einem umfangreichen Sanierungsgutachten (Kosten: mehr als eine Million Euro) abgeleitet, über das am Freitag dieser Woche der Aufsichtsrat in Celle zu befinden hat. Und für das Klinikum Peine wird es aus Celler Sicht nur zwei Varianten geben: „Verbleib in der AKH-Gruppe oder Veräußerung an Dritte“, wie AKH-Sprecher Ralf Kuchenbuch im Vorfeld sagte. Und alle Signale sprechen für einen bevorstehenden Verkauf.

Aus Sicht der Peiner Kreispolitik und der Kreisverwaltung wäre ein Herauslösen des Peiner Hauses aus dem Verband die Wunschlösung. Denn mit der Celler Regie und der fehlenden Mitbestimmung – der Landkreis Peine hat nur einen beratenden Sitz im Aufsichtsrat – sind die Peiner höchst unzufrieden. Landrat Franz Einhaus formulierte es so: „Das Klinikum Peine ist in dem Verbund nicht so aufgestellt worden, dass es sich gut hätte entwickeln können.“ Der Landkreis sieht deutlich besserer Chancen in einer Kooperation in der hiesigen Region – konkret mit dem Städtischen Klinikum Braunschweig. Gespräche laufen. Einhaus: „Wir hoffen, dass wir in dieser Richtung ein für alle Beteiligten akzeptables Angebot erarbeiten können.“

Tatsächlich gehört das Braunschweiger Klinikum zu einem Kreis von fünf Interessenten,die laut AKH bereits in Celle vorstellig geworden sind. Dazu gehören offenbar auch weitere Klinikbetreiber, die schon in der Region tätig sind, so der Klinikenkonzern Helios und die Schweizer Ameos-Gruppe.

Das Städtische Klinikum Braunschweig wird Peine indes nicht aus eigener Tasche übernehmen wollen und auch nicht können. Der Maximalversorger mit 1500 Betten muss selbst einen Kredit über 300 bis 400 Millionen Euro stemmen, um den notwendigen Neubau seines größten Standortes an der Salzdahlumer Straße zu finanzieren. Denn die Fördermittel des für Krankenhaus-Investitionen zuständigen Landes reichen nicht aus. Mit dem Kauf des Peiner Klinikums würden die Braunschweiger ein neues finanzielles Risiko eingehen. Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD), zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des Braunschweiger Klinikums, denkt nach eigener Aussage an einen Rechtsverbund innerhalb der kommunalen Familie, dem etwa Braunschweig, Kreis Peine und die Region Hannover als gemeinsame Krankenhaus-Träger angehören könnten. Markurths Interesse ist es, kommunale Krankenhausstrukturen in der Region zu stärken. Die städtischen Kliniken Braunschweig, Wolfsburg und Wolfenbüttel – in unserer Region die einzigen drei Häuser in kommunaler Trägerschaft – machen sich derzeit auf den Weg, die Zusammenarbeit zu intensivieren und die Gesundheitsversorgung sinnvoll abzustimmen. „Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen und können“, sagt Markurth.

Sollte der AKH-Aufsichtsrat am Freitag für die Eröffnung eines Verkaufsverfahrens votieren, hofft Markurth, dass nicht nur der Preis über die Frage entscheiden werde, welcher Kaufinteressent in diesem Fall den Zuschlag erhalten wird. Darauf hofft auch Dr. Andreas Goepfert, Geschäftsführer des Braunschweiger Klinikums: „Ich halte es für sehr wichtig, in der Region kommunale Trägerstrukturen aufrechtzuerhalten und weiter zu stärken.“

Die Peiner haben sich unterdessen auch auf ein solchen Kommunal-Modell vorbereitet.Politik und Verwaltung haben ein knapp 31-Millionen-Euro-Finanzpaket geschnürt, um den Erhalt des Peiner Hauses zu stützen. Davon sind zunächst aber nur vier Millionen Euro an die AKH-Gruppe in Form von rückzahlbaren Darlehen ausgezahlt worden. Für eine mögliche Rückübernahme liegen die erforderlichen Mittel also haushaltstechnisch schon auf der hohen Kante. Und auch die Stadt Peine steht im Wort, zumindest mit einem mittleren einstelligen Millionen-Betrag für Peiner Klinikum einzustehen.

Auch im Kreishaus in Celle wird der Verkauf des Peiner Hauses offenbar favorisiert.Klaus Wiswe, in einer Person Landrat und AKH-Aufsichtsratsvorsitzender, sieht in dem Klinikverbund zwar durchaus Vorteile für beide Standorte Celle wie Peine, aber die medizinische wie folglich auch wirtschaftliche Zukunft des Klinikums Peine verortet er eher im Raum Braunschweig-Hildesheim-Hannover. Aus seiner Sicht als Landrat sei es jedenfalls nicht vertretbar, dass sich der Kreis Celle mit Millionen-Beträgen für das AKH indirekt für ein Klinikum im Landkreis Peine engagiere – nicht mittelfristig, langfristig schon gar nicht.

Die Grundprobleme im niedergelassenen Bereich wie im Krankenhaus verortet Kuska in einer „Überregulierung durch Politik, Kassen und Krankenhausträger“, in einer massiven Zunahme des wirtschaftlichen Drucks. Einer Zentralisierung medizinischer Leistungen stehe der Versorgungsauftrag gegenüber. Das stelle vor allem Häuser mittlerer Größe – wie Peine – vor großen Herausforderungen.