Wolfsburg. So richtig rund lief es nicht im ersten Halbjahr. Dazu der Ärger um Kurzarbeitszahlungen. Egal: Nun tanken die Mitarbeiter erst mal neue Kraft.

Im Stammwerk herrschte in den Tagen vor Beginn der Werksferien Eiszeit. Jedenfalls dort, wo der neue Chef von Marke und Volumengruppe auftauchte. Thomas Schäfer fuhr mit einem ID.Buzz durchs Werk, hielt in der Produktion, auf der Straße und an den Toren an, bedankte sich für die im ersten Halbjahr geleistete Arbeit, wünschte schöne und erholsame Ferien – und verteilte Eis. Zu sehen ist das auf YouTube. Ihm nach tat es dann live auch Torsten Priess, der Catering-Chef, mit seinem Team, als die Frühschicht nach getaner Arbeit in den Urlaub ging. Nach dem Ende der Spätschicht ruht die Arbeit nun bis zum 12. August.

Ärger um Kurzarbeit-Rückzahlungen: Bei vielen reist der Frust mit

Zwar freuen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf drei Wochen Entspannung, doch bei vielen reisen auch Frust und Wut mit. Denn die Rückforderungen der Arbeitsagentur für Kurzarbeits-Zahlungen wegen bestehender Zeitkontingente auf Urlaubs-, Flexi- und Langzeitkonten sorgen für massive Verstimmung bei den Betroffenen. Das Thema war offiziell auf der Betriebsversammlung hochgekommen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo hatte das Problem so beschrieben: „Mit dem Blick auf die Entgeltabrechnung habt ihr gesehen, dass Zeiten vom Langzeitkonto verschwunden waren. Und es lag teilweise schon zwei Jahre zurück, dass da Mehrarbeit angefallen war. Jahrelang war die Aussage: Die Guthaben auf den Langzeit-Konten sind sicher. Ja, und das stimmt auch. Aber: Mehrarbeit aus Phasen der Kurzarbeit darf da eben nicht drauf gebucht werden. Das passierte aber trotzdem. Und wurde dann teilweise zwei Jahre später wieder abgezogen – ohne die betroffenen Kolleginnen und Kollegen vorab zu informieren. Ganz ehrlich: Das geht gar nicht. Jetzt ist das Chaos um die Kurzarbeitergeld-Berechnung und eure Langzeit-Konten perfekt. Zusammen mit der IG Metall werden da jetzt Musterklagen geführt“, kündigte Cavallo an. Es bestünde zudem die Gefahr, dass Urlaubsansprüche verloren gingen. Dazu führte Cavallo auf der Versammlung aus: „Weil nicht verplanter Urlaub bei der Kurzarbeit zunächst eingebracht werden muss. Das ist aus Sicht des Gesetzgebers auch nur verständlich. Aber in einigen Fällen hat es das Unternehmen offenbar versäumt, die 15 Tage für den Werksurlaub sauber ins System zu geben. Dabei ist das doch ein Standard. Man meldet sich doch nur, wenn man in Ausnahmefällen von den drei Wochen im Sommer abweicht. Und wenn da im System dann keine 15 Tage für den Werksurlaub stehen, dann müssen sie für die Kurzarbeit verrechnet werden.“ Der Betriebsrat werde diese Fälle zusammen mit dem Personalwesen klären, versprach Cavallo.

VW wollte Samstagsschichten gleich nach dem Urlaubsende

Nach den Werkferien wollte das Unternehmen eigentlich die Produktions-Aufholjagd in Wolfsburg starten. Ende August und Anfang September sollte es schon die ersten Samstag-Extraschichten geben. Da hat der Betriebsrat aber nicht mitgespielt, weil ja erst im Mai drei von vier Nachtschichten gestrichen wurden. „Auch ich würde mich sehr freuen, wenn das Aufholprogramm gelingt und wir aus dem Vollen schöpfen. Doch zur Wahrheit gehört auch: Das Unternehmen hat gerade die Nachtschichten abgeknipst und würde dann nur wenige Monate später wieder mit Sonderschichten um die Ecke biegen. Ich wünsche mir wirklich, dass wir bald wieder besser wissen, was auf uns zukommt“, hatte Betriebsratschefin Cavallo kürzlich in einem gemeinsamen Interview mit Schäfer gesagt. Dennoch werden sich Extraschichten in diesem Jahr nicht vermeiden lassen. Denn auch die Arbeitnehmervertreter stecken in einer Zwickmühle. Trotz hoher Kundennachfrage war die Auslastung des Werkes im ersten Halbjahr sehr schlecht. Damit die Stückzahl-Planungen für 2023 nicht nach unten angepasst werden, muss im zweiten Halbjahr noch ordentlich produziert werden. Das wiederum geht nur mit Samstagsschichten. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass Schäfer in seiner Volumengruppe und damit auch bei VW auf Effizienzsteigerungen von 20 Prozent setzt.

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