Wolfsburg/Braunschweig. Der klare Sieg der IG Metall um Daniela Cavallo soll einen schalen Beigeschmack haben, klagen Oppositionslisten. Das Gericht gab ihnen recht.

Das ist ein Hammer: Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl im VW-Stammwerk Wolfsburg für unwirksam erklärt. Eine Begründung des Beschlusses wird schriftlich erfolgen. Der amtierende Betriebsrat bleibt im Amt, denn die Liste der IG Metall, die die Wahlen im März mit knapp 86 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, wird Beschwerde gegen den Beschluss beim Landesarbeitsgericht einlegen.

Oppositionslisten klagten über massive Behinderungen

Anfechtende waren neun wahlberechtigte Arbeitnehmer, davon sechs, die als Wahlbewerber auf der Liste „Wir für Euch“, zwei, die auf der Liste „Die Alternative“ und einer, der auf der Liste „MIG 18“ kandidierten. Die Wahl wurde aus folgenden Gründen angefochten:Verstoß gegen den Vorrang der Präsenzwahl vor der Briefwahl durch Versendung der Wahlunterlagen an ca. 59.000 von ca. 67.000 Wahlberechtigten; Verstoß durch die Art und Weise der Briefwahl - Verwendung von Wahlumschlägen, die eine Durchsicht der Wahl bei Verwendung einer Taschenlampe ermöglichen; bevorzugte Nutzungsmöglichkeit des Intranets durch die Liste „IG-Metall“; mehrfache Entwendung, Zerstörung oder Überklebung von Wahlplakaten (mit Plakaten der Liste „IG Metall“) der Listen „Wir für Euch“, „Die Unabhängigen“, „Die Alternative“ und „Die andere Liste“, die nicht effektiv unterbunden worden sei; Benachteiligung von Kandidaten bei der Redezeit im Rahmen einer digitalen Betriebsversammlung am 16.Februar2022; öffentliche Diffamierungen von Wahlbewerbern insbesondere der Listen „Wir für Euch“ und „Die andere Liste“. Beteiligte des Verfahrens sind neben den neun Antragstellern der gewählte Betriebsrat sowie die Volkswagen AG.

Kläger Dirk Kaiser: „Die haben einfach Mist gebaut“

Dirk Kaiser von der oppositionellen Liste „Wir für Euch“ wertete den Beschluss als „Etappensieg“. „Das Gericht hat festgestellt, dass die Manipulationsfreiheit nicht sichergestellt war“, so Kaiser. Es habe klare Verstöße gegen die Wahlordnung gegeben. Das werde auch die nächste Instanz objektiv nicht anders bewerten können. Das Gericht in Braunschweig habe gar nicht alle angeführten Anfechtungsargumente hören wollen. Als wesentlichen Punkt habe die Richterin gesehen, dass die Briefwahlunterlagen auf dem Weg von der Poststelle zum Wahlvorstand nur von einem Mitarbeiter beaufsichtigt worden seien. „Die haben einfach Mist gebaut. Und das wirft einen extrem dunklen Schatten auf das Unternehmen, den Betriebsrat und die Art der Durchführung dieser Wahl“, urteilt Kaiser. Es sei das erste Mal, dass eine Betriebsratswahl in Wolfsburg angefochten worden sei und die Wahl juristisch für unwirksam erklärt wurde. „Die Gegenseite wird jetzt auf Zeit spielen, denn im Herbst steht die Tarifrunde an“, erwartet Kaiser einen Termin vor dem Landesarbeitsgericht Ende des Jahres und eine mögliche Neuwahl frühestens im nächsten Jahr. Die Kläger wurden von zwei Anwälten der Kölner Kanzlei KBM vertreten.

„Der Betriebsrat geht in die nächste Instanz“

Ein Sprecher des Betriebsrates teilte auf Anfrage mit:„Wir haben die Entscheidung des Arbeitsgerichts zur Kenntnis genommen. Nun gilt es, die schriftliche Begründung abzuwarten. Unabhängig davon ist aber bereits klar: Der Betriebsrat wird in die nächste Instanz gehen, um die aktuelle Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht überprüfen zu lassen. Die gegenüber dem Arbeitsgericht Braunschweig vorgetragenen Gründe für eine angebliche Anfechtbarkeit der Wahl überzeugen unserer Einschätzung nach weiterhin nicht. Unabhängig von dem nun laufenden Rechtsstreit ist der neue Betriebsrat im Amt. Alle seine Handlungen und Beschlüsse sind wirksam.“

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