Braunschweig. Zwei katastrophale Saisons liegen hinter Fußball-Drittligist Eintracht Braunschweig. Warum es nun wieder aufwärts gehen soll...

Manchmal kommt es im Leben auf die Zwischentöne an, auf das, was nur angedeutet wird, oder auch auf das, was bewusst nicht gesagt wird. Das ist im Profi-Fußball nicht anders und kommt in jedem gut oder schlecht geführten Klub mal vor. Es muss ja auch nicht jeder Dissens gleich in der Öffentlichkeit breitgetreten werden und jede Meinungsverschiedenheit zu einer Staatskrise verkommen. Problematisch wird es, wenn der innere Zustand eines Klubs so gar nicht mehr zu dem Image passen will, das bemüht wird, gegenüber der Außenwelt aufzubauen. Wenn interne Streitigkeiten und schwierige Entscheidungen so lange wie möglich unter der Decke gehalten werden, weil sie ja das schöne Bild stören würden.

Die Dauerkartenpreise der 3. Liga in der Saison 2019/20.
Die Dauerkartenpreise der 3. Liga in der Saison 2019/20. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Eintrachts harmonisches Bild war zerstört

Eintracht Braunschweig malte viele Jahre lang erfolgreich ein schönes Bild von sich. Das einer Oase der Harmonie und der Vernunft in einer immer verrückteren und herzloseren Fußball-Welt. Doch in den vergangenen zwei Jahren ist dieses Bild vollständig zu Bruch gegangen. Die mit teils wechselndem Personal ausgetragenen Reibereien über Kompetenzen, Wege zum Ziel oder Schuld für Misserfolg ähnelten dem Kampf Jeder gegen Jeder. Das begann bei den Fans und zog sich durch die höchsten Führungsgremien. Und trotzdem wurde nach außen weiterhin Einigkeit und Eintracht propagiert, selbst wenn die gar nicht oder nur noch geringfügig vorhanden war.

Der letzte Akt in diesem Theater der Widersprüche war der Abschied von Trainer André Schubert. Der Coach war trotz des Erfolgs in der Rückrunde an einigen Stellen angeeckt, hatte sich kaum Freunde gemacht. Doch zu einer Entlassung konnten sich die Blau-Gelben auch aus finanziellen Gründen nicht durchringen, genauso wenig zu einem klaren Bekenntnis. Und auch Schubert beteuerte mal seine Pläne mit Eintracht, um kurz darauf dann doch noch seine Zelte in Braunschweig abzubrechen, als kurz vor dem Saisonstart das Angebot von Holstein Kiel auf dem Tisch lag – Vergangenheit.

Die Zukunft der Eintracht sollen nun vor allem zwei Männer prägen, die auf den ersten Blick mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten haben. Als Trainer hat die Führungsspitze um Aufsichtratschef und Präsident Sebastian Ebel Schuberts ehemaligen Assistenten Christian Flüthmann das Vertrauen geschenkt. Für den 37-Jährigen ist es die erste Station als Cheftrainer im Profi-Fußball. Ein Punkt, der einerseits an Henrik Pedersen erinnert, der bei aller anfangs entfachten positiven Energie in einer ähnlichen Situation krachend bei Eintracht scheiterte. Aber Flüthmann ist nicht Pedersen. Er kennt – anders als der Däne ­– die Erfordernisse in der 3. Liga. Er weiß, dass es nur mit Talent und einer schönen Idee nicht getan ist. Und Flüthmann hat mit Peter Vollmann einen Sportdirektor an seiner Seite, der seinen Mangel an Erfahrung mehr als ausgleichen sollte.

Peter Vollmann bringt Eintracht Braunschweig Drittliga-Erfahrung en Masse

237-mal saß Vollmann allein in der 3. Liga auf der Trainerbank – in Aalen, Rostock und Wiesbaden. In Braunschweig ist sein Name untrennbar mit dem Zweitliga-Aufstieg der Eintracht 2002 verbunden. Gegen eine Wiederholung als Sportdirektor hätten weder er noch die Fans der Löwen etwas einzuwenden. Der 61-Jährige kommt aus einer anderen Trainergeneration als Flüthmann, in der man nicht jeden Spielzug ins kleinste Detail analysierte, aus Spielsystemen keine Wissenschaft für sich machte und gegenüber Spielern sowohl klare Kante zeigte, sie hin und wieder aber auch mal an der langen Leine hielt. Das muss aber kein Widerspruch zu seinem jungen Cheftrainer sein. Zum einen, weil Vollmann die Entwicklung des Fußballs in den vergangenen Jahren aktiv miterlebt hat – als Trainer, Sportlicher Leiter und in der vergangenen Saison als TV-Experte. Zum anderen, weil Flüthmann zwar ein Coach modernen Typs ist, mit einer Vorliebe für Detailarbeit, taktische Flexibilität und einer offensiven Spielweise, aber er hat in der vergangenen Rückrunde auch gesehen, dass Führungsstärke, Kampfgeist und Charakter genauso wichtig sein können. Und Trainer wie Sportlicher Leiter sind beide so gepolt, dass es ihnen nicht um Selbstdarstellung geht. Große Eitelkeiten liegen ihnen fern. Ob dass die Basis für eine fruchtbare Zusammenarbeit ist, muss man sicherlich abwarten. Aber die Voraussetzungen erscheinen günstiger als vergangene Saison.

Die terminierten Spieltage der Eintracht in der 3. Liga 2019/20.
Die terminierten Spieltage der Eintracht in der 3. Liga 2019/20. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Eintracht und der Aufstieg – Die Vereinsführung ist vorsichtig

Auch weil die Braunschweiger ihre Lehren wohl gezogen haben. Der Kader war größtenteils frühzeitig zusammengestellt, scheint mehr Qualität und einen besseren Mix aus Jung und Alt zu besitzen. Dass sich zumindest in Teilen auf die erfolgreiche Rückrunde aufbauen lässt, ist sicherlich ein weiterer Vorteil. Die Fans sind jedenfalls euphorisch, kauften munter Dauerkarten und sicherten den Blau-Gelben damit die Spitzenposition in der 3. Liga. Und auch die Konkurrenz nimmt die Veränderungen in Braunschweig positiv wahr. Kein anderes Team wurde von den gegnerischen Trainer so oft als Aufstiegskandidat genannt wie die Eintracht. Das gefällt Flüthmann und Vollmann nicht wirklich, sie wollen sich dadurch nicht unter Druck setzen lassen. Aber auch Braunschweigs neues sportliches Führungsduo hofft auf eine neue Eintracht und einen neuen Anlauf Richtung Erfolg.

Das Wort Aufstieg wird zwar nicht offensiv in die Mund genommen, trotzdem sagt Aufsichtsratschef Sebastian Ebel: „Wir haben nach der Rückrunde schon den Anspruch, im oberen Drittel der Tabelle mitzuspielen.“ Für eine Rückkehr in die 2. Liga – das bleibt das langfristige Ziel der Löwen ­­– müssten sich allerdings viele Dinge positiv zusammenfügen, die man selber oft auch gar nicht beeinflussen könne. Deshalb wird bei der Eintracht nach der Erfahrung der vergangenen Spielzeit erst einmal tiefgestapelt. „Eines ist klar, noch so eine Saison, wie die letzte, wollen wir nicht erleben“, sagt Frank Fiedler, Stellvertreter von Ebel im Aufsichtsrat.