Salzgitter. Der 19-jährige Thilo W. ist während der Pandemie volljährig geworden. Ihm fehlen die besonderen Erfahrungen, die das Jungsein ausmachen, wie er sagt.

Thilo Wilmsmeyer ist mittlerweile 19 Jahre alt – und war noch nie in einem Club oder in einer Diskothek feiern. Damit kommt er ganz gut klar, sagt er. Trotzdem fühlt er sich vernachlässigt und vermisst prägende Ereignisse, die Jungsein eigentlich ausmachen. Wir treffen ihn an einem seiner Lieblingsorte: dem Salzgitterssee. Marvin Weber hat mit Thilo gesprochen – und seine Sicht der Dinge protokolliert:

Thilo: „Einen Großteil der Pandemie habe ich in meinem eigenen Auto verbracht. Am Seeparkplatz in Salzgitter saßen wir in unserem durch Kontaktbeschränkungen geschrumpften Freundeskreis ein wenig wie Hühner auf der Stange – jeder in seinem eigenen Auto. Im Sommer waren auch die Partnerin oder der Partner mal mit dabei. Dann haben wir uns bei runtergelassen Fensterscheiben unsere Erlebnisse zugerufen.

Freundeskreis ist kleiner geworden

Am Anfang ging es noch viel um das Coronavirus. Maßnahmen, Folgen, was passiert, wenn ich mich infiziere? Irgendwann haben wir einfach damit aufgehört. Nach zwei Jahren haben wir uns alle wohl etwas wie in einem Hamsterrad gefühlt. Corona ist zum nervigen Alltag geworden. Selbst infiziert war ich noch nicht. Ich war die Pandemie über aber auch sehr vorsichtig. Mit vielen fremden Menschen an einem Ort komme ich allgemein etwas schwerer klar. Deswegen waren die Einschränkungen in Clubs und Diskos eigentlich kein Problem. Bis jetzt habe ich so einen Laden allerdings nur einmal von innen gesehen, da war ich aber 16.

Seit ich volljährig bin, juckt es mir natürlich in den Fingern, rauszugehen, zu feiern – vielleicht auch mal ein wenig exzessiver. Meine Freiheit habe ich mir dafür in anderer Weise gesucht. Mein Auto hat dabei eine riesige Rolle gespielt. Geld, das ich sonst in Alkohol oder Eintrittskarten für Events investiert hätte, ist so in meinem Tank gelandet.

Einheitsbrei in der Pandemie

Ich hatte keine Abifahrt, keinen ausgefallenen Urlaub auf Mallorca oder den Philippinen, keine riesigen Hauspartys. Mir fehlen die großen prägenden Ereignisse, an denen man festhält.

Ich glaube, deshalb fühlte sich das Leben in der Pandemie wie ein Einheitsbrei an. Aber so langsam bin ich echt genervt. Ich habe mich gerne aufgeopfert, verstanden, dass Schulen oft Infektionsherde sind, meine Oberstufenzeit vor allem zu Hause verbracht und damit eine schlechtere Schulbildung riskiert. Hier hätte ich mir mehr Unterstützung von der Politik gewünscht. A- und B-Systeme für Präsenz im Klassenraum beispielsweise und keinen vollen Lockdown.

Mit Winterjacke in Präsenz

Und ja, ich hätte auch mit der Winterjacke dort gesessen, um mehr Präsenzunterricht zu haben. Ich fühle mich überhört und nicht repräsentiert: Politiker scheinen nicht wirklich zu verstehen, was uns Junge belastet. Ich musste mir viel Unterrichtsstoff mit massiver Disziplin selbst beibringen. Einige sind daran gescheitert, mussten die Stufe wiederholen. Die Pandemie hat uns alle zermürbt – das merke ich auch an meinem Energielevel, das gefühlt oft niedriger ist, als es sein sollte. Manchmal würde ich mir wünschen, dass die Impfpflicht für alle die Diskussion endlich auflöst. Viele sind schon sauer auf den Staat. Dann können sie eben aus einem anderen Grund sauer sein.

Emotionale Debatte

Klar ist: Die Debatte ist sehr emotional aufgeladen und wir haben gesellschaftlich noch nicht durchdiskutiert, welche Folgen auf uns zukommen – außer es geht natürlich um die Wirtschaft.

Bei all den negativen Erfahrungen durch die Pandemie kann ich auch etwas Positives aus den letzten zwei Jahren mitnehmen: Die wenigen Menschen, mit denen man seine alltäglichen Probleme oder Zoom-Meeting-Fails austauscht, sind wirklich enge Freunde geworden. Mein Freundeskreis ist vielleicht nicht so groß, wie er ohne Pandemie wäre. Aber ich glaube nicht, dass ich meine momentanen Freunde noch einmal verliere. Um es mal etwas zugespitzt zu sagen: Wir sind eben gemeinsam durch eine Ausnahmesituation gegangen.

Ausbildung nach dem Abitur

Nach dem Abi will ich direkt in eine Ausbildung zum Mechatroniker gehen und habe dafür auch schon eine Zusage. Das fühlt sich erstmal richtig an. Schließlich ist das der nächste große Schritt in meinem Leben. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass ich ein Kapitel irgendwie übersprungen oder nicht richtig gelesen habe und kann jetzt noch nicht genau sagen, was und wie viel mich das gekostet hat, egal auf welchem Level. Die Reisen ins Ausland will ich nachholen, sobald ich kann. Ich hoffe wirklich, dass sich die Lage im Sommer etwas entspannt und ich auch den Winter über meinen Sport, vor allem Kraftsport und Judo, machen kann.“

Wichtige Corona-Regeln und Infos für die Region

Alle wichtigen Fragen und Antworten zu Corona in Niedersachsen gibt's hier . Welche Regeln zurzeit in Braunschweig gelten, erfahren Sie hier.

Die Corona-Lage in der Region

Unsere Redaktionen sammeln alle wichtigen lokalen Infos zum Coronavirus auf FAQ-Seiten, die stets aktualisiert werden. Online sind die Überblicke aus Braunschweig, aus Wolfsburg, aus Wolfenbüttel, aus Gifhorn, aus Salzgitter, aus Peine und Helmstedt sowie aus Osterode.

Hier finden Sie eine Übersicht über die Corona-Lage im gesamten Bundesland Niedersachsen.