Viele Menschen finden den Netflix-Abend eh kuschliger, als auf der Tribüne einer muffigen Sporthalle zu sitzen.

Das rheinische Derby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln im Borussia-Park am 11. März 2020 schrieb Bundesliga-Geschichte. Es war das erste Spiel in der obersten Fußball-Liga Deutschlands, das komplett ohne Zuschauer im Stadion ausgetragen wurde.

Lesen Sie mehr zum Thema:

Was war das für eine Aufregung. Ohne Publikum sei das doch kein Fußball-Spiel, und der Ausschluss der Fans sei eine völlig überzogene Reaktion, meinten viele. Und selbst jene, die damals schon den Ernst der Lage erahnten, hatten die Hoffnung, dass dieser Spuk bald wieder vorbei sein würde und Fußballspiele ohne Zuschauer eine absolute Ausnahme blieben. Wie haben wir uns alle geirrt.

Viele Sportarten wollen zur Vor-Corona-Normalität zurückkehren

Inzwischen sind nicht Spiele ohne Zuschauer gewöhnungsbedürftig, sondern solche mit ihnen. Nicht nur im Fußball, sondern auch in den anderen Sportarten, vom Basketball über Eishockey bis zum Volleyball, wird gerade wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen mühsam um eine Rückkehr zur Prä-Corona-Normalität gerungen. Corona hat einiges auf den Kopf gestellt, auch im Sport. War es früher selbstverständlich, dass Menschen eng an eng lauthals gemeinsam ihre Mannschaft anfeuern, herrscht jetzt immer noch Unsicherheit, ob das alles richtig ist.

Die Fans sind zurück im Sport. Das könnte die positive Nachricht sein, nachdem immer mehr Vereine, Klubs und Veranstalter über alle Sportarten hinweg ihre Konzepte angepasst haben und nach und nach ihre Kapazitäten erhöhen durften. 2G, also geimpft und genesen, ist dabei der neue Goldstandard wie in so vielen anderen Bereichen auch. Aber auch bei 3G, wenn die negativ auf Covid-19 getesteten Personen dazugehören, ist inzwischen wieder mehr erlaubt. Trotzdem sorgt die Diskussion, ob 2G oder 3G der richtige Weg ist, für neue Aufregung in unser an Aufregung nicht gerade armen Zeit. Manche fühlen sich im Stadion oder in der Sporthalle, egal bei welchem Konzept, nicht sicher; andere sehen sich aufgrund der neuen Vorgaben und dem Ende der kostenlosen Tests ausgeschlossen, und wieder andere sind aufgrund des Regelwusts sowieso so verunsichert, dass sie lieber gleich zu Hause bleiben und sich ihre Mannschaft, wenn möglich, im Fernsehen anschauen. Dem Sport, in dem Emotionen traditionell eine große Rolle spielen, ergeht es dabei nicht anders als anderen Bereichen der Gesellschaft.

Speerspitze Fußball mit besonderem Problem

Ja, die Fans sind zurück. Aber sind sie es auch wirklich? Fast alle professionellen Sportteams stehen vor dieser Frage, auch in unserer Region. Ob Eintracht Braunschweig, der VfL Wolfsburg, die Basketball Löwen oder die Grizzlys Wolfsburg – sie alle haben ihre Stadien und Hallen auch bei reduzierter Kapazität noch nicht voll bekommen. Die Gründe sind vielfältig und auch schon ein wenig angeklungen. Die sportliche Speerspitze Fußball hat dabei aber ein besonderes Problem. Schon oft wurde in dieser Pandemie über die Sonderrolle der professionellen Kicker gesprochen und gestritten. Während vieles im Lockdown ruhen musste, waren die Top-Fußballer unter den Ersten, die wieder loslegen durften. Vom Fernsehen begleitet – denn das zahlt inzwischen das meiste Geld.

Aus marktwirtschaftlicher Sicht war das logisch, und viele Fans werden sich vielleicht auch gefreut haben, am Abend nicht nur die neuesten Inzidenzzahlen im TV präsentiert bekommen zu haben. Doch jede Medaille hat zwei Seiten. Die vermeintliche Bevorzugung des Fußballs hat bei vielen auch Sympathien gekostet.

Die Sportarten werden es nicht einfach haben mit dem Rückkehr-Plan

Es ist gefährlich für die Sportart Nummer 1, dass das vor dem Hintergrund von Entwicklungen stattfand, die unabhängig von Corona vielen Menschen sauer aufstoßen. Irre Transfer- und Gehaltssummen, aufgeblähte Turniere – die dann auch noch in Vorzeigestaaten wie Katar stattfinden sollen – sportliche Langweile durch gewisse Krösus-Teams und eine Übersättigung an Spielen, die im Fernsehen übertragen werden, führen zu einer Entfremdung. Von Plänen von einer Super League, die am Freitag übrigens wieder neue Nahrung erhielten, ganz zu schweigen. Der perfekte Sturm braucht sich gar nicht erst zusammenbrauen. Er ist schon da. Für den Fußball ist es nur die Frage, wie er ihn übersteht.

Doch auch die anderen Sportarten werden es nicht einfach haben. Angst vor einer Ansteckung und Unbehagen bei Menschenansammlungen ist vielleicht das eine. Beides wird hoffentlich irgendwann wieder verschwinden. Was allerdings bleiben könnte, ist eine dauerhafte Gleichgültigkeit. Viele haben in den vergangenen Monaten festgestellt, dass sie auch ganz gut ohne Stadionbesuche ihr Leben leben können, und haben sich neue Hobbys gesucht. Andere finden den Netflix-Abend eh kuschliger, als auf der Tribüne einer muffigen Sporthalle zu sitzen. Die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland hätten auch ohne Corona wahrscheinlich nicht vor dem Sport halt gemacht. Das Durchschnittsalter steigt beständig, und viele Menschen der jüngeren Generationen begeistern sich vielleicht noch für die internationalen Sportstars, aber weniger für die lokalen Helden. Das ist keine neue Entwicklung, aber eine, die durch die Corona-Pandemie womöglich noch einmal verstärkt wurde.

2G ein möglicher Faktor, um die Ränge wieder voll zu bekommen

Deshalb ist es richtig, dass die Vereine und Klubs nun wieder alles versuchen, ihre Ränge voll zu bekommen. 2G kann dabei ein entscheidender Faktor sein, auch wenn viele diesen Schritt scheuen, um niemanden auszuschließen. Doch einen Königsweg gibt es nicht, und die Alternative, zu warten, bis im Frühjahr vielleicht wirklich wieder alles in normalen Bahnen verläuft, ist auch kein angenehmer Ausblick. Erstens können alle Sportklubs nach eineinhalb Jahren Entbehrungen die Einnahmen durch die Zuschauer bei ihrer angespannten Finanzlage gut gebrauchen. Und zweitens darf sich niemand zu sicher sein, dass die Fans wiederkommen, wenn er zu lange weg vom Fenster ist.

Die Corona-Pandemie hat vieles in unserem Leben infrage gestellt. Doch trotz aller Unsicherheit und der aktuellen Zurückhaltung der Fans hat der Sport eine Chance, seine ursprüngliche Stellung zurückzuerobern. Es könnte aber ein Weilchen dauern.

Wichtige Corona-Regeln und Infos für die Region

Alle wichtigen Fragen und Antworten zu Corona in Niedersachsen gibt's hier . Welche Regeln zurzeit in Braunschweig gelten, erfahren Sie hier.

Die Corona-Lage in der Region

Unsere Redaktionen sammeln alle wichtigen lokalen Infos zum Coronavirus auf FAQ-Seiten, die stets aktualisiert werden. Online sind die Überblicke aus Braunschweig, aus Wolfsburg, aus Wolfenbüttel, aus Gifhorn, aus Salzgitter, aus Peine und Helmstedt sowie aus Osterode.

Hier finden Sie eine Übersicht über die Corona-Lage im gesamten Bundesland Niedersachsen.