Wolfsburg. In der Corona-Zeit haben sich viele Leute eine Alternative zum Stadionbesuch gesucht, sagt Experte Harald Lange. Kehren sie nun zu ihrem Team zurück?

Endlich wieder die Lieblingsmannschaft in der Kurve anschauen? Der große Run auf Tickets nach der monatelangen Corona-Pause ist ausgeblieben. Wieso ist das so? Wir sprechen mit dem renommierten Fanforscher und Sportwissenschaftler Harald Lange von der Universität Würzburg.

Herr Lange, einige Sportvereine hegen die Sorge, dass während der Corona-Zeit eine Entwöhnung der Fans stattgefunden hat. Berechtigterweise?

Wären Fans eine homogene Gruppe, wäre die Frage einfach zu beantworten. Sind sie natürlich nicht. Aber die Entwöhnung trifft definitiv auf einen gewissen Teil des Sportpublikums zu. Auf diejenigen nämlich, die man im Fußball-Jargon überspitzt Event-Fans nennt – die in den vergangenen Jahren vor allem in der Fußballindustrie als Kunden aufgebaut wurden. Genau sie sind es, die sich vom Sport entwöhnt haben. Ganz einfach, weil das Angebot monatelang schlicht nicht so präsent und möglich war wie gewohnt. Aktive Fans oder Ultras haben aber einen ganz anderen Grund, weshalb sie sich abwenden und nicht ins Stadion kommen.

Der da wäre?

Sie sind einfach enttäuscht. Zum Beispiel hat der Fußball mit den Geisterspielen gezeigt, dass er auch ohne Fans kann. Die Kluft zur Basis ist bei den Fußballvereinen riesengroß geworden. Im Moment kann man sehr gut ablesen, wie gut der Draht zwischen den Klubs hinein in die Gesellschaft und in die Fanszene ist. In der Vergangenheit musste ein Bundesliga-Verein das gar nicht unbedingt können, weil die Stadionplätze immer nachgefragt waren. Hinzu kommt, dass manche Fanszenen das 2G-Modell boykottieren, weil bei ihnen das Solidaritätsgefühl ganz weit oben steht. Auch hier hilft: Kommunikation und Transparenz. Diejenigen, die sich nicht verstanden fühlen, sollten zumindest wissen, dass es einen offenen Diskussionsprozess, eine Möglichkeit zur Beteiligung gibt und gab.

Wie sehen Sie die Situation in den anderen Sportarten?

Beim Eishockey, Handball oder Basketball zum Beispiel ist der Teil derer, die „nur interessiert“ sind, deutlich größer. Dort sind mir allerdings auch kaum kritische Debatten über 2G und 3G bekannt. In diesen Sportarten wird die Rückkehr aus meiner Sicht flotter vonstatten gehen als im Fußball – weil die Atmosphäre vergleichsweise schnell wieder die alte sein könnte.

„Schnell“ impliziert: Das wird aus Sicht der Sportvereine alles wieder?

Der Schrittmacher wird die Kommunikation zwischen Verein und Fans sein. Meine – schon mutige – Prognose ist, dass der Winter schleppend verlaufen wird, dass wir aber zum Sommer hin wieder annähernd normale Verhältnisse in den Stadien und Hallen erreichen. Bis dann im Fußball die nächsten Verwerfungen auflaufen, zum Beispiel durch die WM in Katar.