„Wenn wir in das normale Leben zurückkehren, werden alle immun werden – die einen durch Impfung, die übrigen durch Infektion.“

Nein, die Urlaubsreise im Sommer ist nicht gemeint mit der Frage: Wo geht die Reise hin? Zwar könnte man sich trefflich darüber den Kopf zerbrechen: Wo kann man hin mit ungeimpften Kindern? Bei welchen Zielen muss man fürchten, dass die Reise in Quarantäne endet? Ist Camping sicherer als ein Hotelzimmer? Aber nein, das sind nicht die drängendsten Fragen, mit denen sich Familien derzeit beschäftigen.

Wo geht die Reise hin, meint eher: Bekommen wir das mit der Schulöffnung stabil hin? Wie verlässlich ist die Betreuung in den Kitas – und wann steht endlich das Testkonzept für Kita-Kinder? Wird es weiterhin ein permanentes Hin und Her zwischen Shutdown und Regelbetrieb geben? Alle paar Tage ein neues Szenario aus dem Corona-ABC für Schüler?

Und wann ist mit einer Impfstoff-Freigabe für Kinder und Jugendliche zu rechnen? Das Pharmaunternehmen Biontech lässt derzeit von der EU-Arzneimittelbehörde prüfen, ob auch bei uns Kinder ab zwölf Jahren geimpft werden können. In den USA und in Kanada ist es bereits soweit. Viele Eltern werden froh sein, wenn es auch hier so kommt – andere sind verunsichert, auch, weil im Internet obskure Theorien zu Folgen für das Wachstum oder die Fruchtbarkeit der Kinder herumgeistern. Da braucht es mehr Aufklärung durch Fachleute.

Die Mutante hat für rasant steigende Infektionszahlen bei Kindern gesorgt

Der Anteil infizierter Kinder und Jugendlicher ist rasant gestiegen. Zum Glück verlaufen die Erkrankungen meistens milde, aber auch bei Kindern kann es zu Langzeitfolgen kommen, manchmal sogar zu einer gefährlichen Folgeerkrankung, dem

PIMS-Syndrom

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    Laut aerzteblatt.de wurden bislang bundesweit „mindestens 68 Kinder und Jugendliche auf Intensivstationen betreut. In 4.789 Fällen mussten die Kinder und Jugendlichen im Krankenhaus stationär versorgt werden.“ Dem Robert-Koch-Institut sind elf Personen unter 18 Jahren übermittelt, die an Covid 19 gestorben sind, in acht Fällen waren Vorerkrankungen bekannt. Deutlich weniger schwere Verläufe als bei Senioren – aber für die betroffenen Familien ein unglaubliches Leid.

    Virologe Christian Drosten sagte diese Woche in seinem Podcast: Wenn wir in das normale Leben zurückkehren, werden alle immun werden – die einen durch Impfung, die übrigen durch Infektion: „Dieses Virus wird endemisch werden, das wird nicht weggehen. Und wer sich jetzt beispielsweise aktiv dagegen entscheidet, sich impfen zu lassen, der wird sich unweigerlich infizieren.“ Kinder aber entscheiden sich nicht aktiv gegen eine Impfung – es gibt für sie schlichtweg noch keine Möglichkeit.

    Nehmen wir bei den Lockerungen also auf die Kinder Rücksicht, wie wir zuletzt auf die alten Menschen Rücksicht genommen haben, und lassen Vorsicht walten, bis auch sie geimpft sind? Schwer vorstellbar, da allen nach Lockerungen dürstet, und weil Handel, Gastronomie und Kulturbetriebe am Abgrund stehen.

    Der Jubel über die „Corona-Ferien“ ist längst verstummt

    „Könnt’n wir vorspul’n und so tun, als wär alles wieder gut?“, fragt Sarah Connor im Corona-Hit „Bye, Bye“. Ja, schön wär’s. Ich weiß noch, wie meine Tochter am 13. März 2020 lautstark sang: „Coroooona-Ferien. Wir haben Corona. Coroooona-Ferien!” Es war der Tag, an dem die Schulen auf unbestimmte Zeit schlossen. Die Erstklässlerin hat gejubelt. Am selben Tag machte auch die Redaktion „dicht“, bis auf Weiteres sollten alle zu Hause arbeiten. Seitdem war ich nicht mehr im Pressehaus.

    Das Homeoffice hat einiges erleichtert. Wie sonst hätten wir die Kinderbetreuung neben dem Job organisieren sollen? Wir dachten: Irgendwie schaffen wir das schon. Tun wir auch. Wir hangeln uns von einem Lockdown zum nächsten, mal ist er „light“, mal deftig. Der Jubel über die Corooona-Ferien ist schnell verstummt. Mehr als drei Monate keine Schule, Lernen mit Mama und Papa – das war längst nicht so lustig, wie die Kleine sich das vorgestellt hatte. Zuletzt waren die Grundschüler die meiste Zeit im Wechselunterricht, und dafür sind wir sehr dankbar.

    Fragt man unsere Tochter, was sie am meisten vermisst, sagt sie: ihre Freunde. Manche hat sie seit 14 Monaten nicht gesehen. Eine unvorstellbar lange Zeit für eine Achtjährige. Die Großeltern werden ebenfalls schmerzlich vermisst. Es gibt kein Kinderturnen. Klavierunterricht findet per Telefon statt – dass das funktioniert, hätte ich nie gedacht. Die Augen der Klavierlehrerin ersetze ich: schaue, ob die Finger schön gewölbt auf den Tasten liegen, der Rücken gerade ist.

    Die Familie verbringt viel Zeit miteinander – Quality-Time ist es nicht

    Als Familie verbringen wir soviel Zeit wie nie zusammen. Quality-Time ist das nicht unbedingt, denn Homeschooling und Homeoffice vertragen sich nicht sonderlich. Arbeiten im Staccato, ständig unterbrochen durch Fragen wie „Mama, kannst Du mal gucken?“ oder „Mama, wo sind meine Inliner?“

    Es ist ein Spagat, nichts und niemandem wird man so richtig gerecht. Beim Telefoninterview klemmt man sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter und kramt im Schuppen nach den Federballschlägern. In der Videokonferenz diskutieren wir im Kollegenkreis über geschlechtergerechte Sprache, während ich Möhren fürs Mittagessen schäle und das Kind mit großen Augen zuhört. Gesprächsstoff haben wir anschließend genug: „Warum gab es früher keine männlichen Ärzte? Warum verdienen Frauen weniger Geld? Und was ist divers?“

    Freunde sprechen am Telefon von Entschleunigung durch Corona. Sie haben keine Kinder. Sie nutzen die Zeit, um interessante Podcasts zu hören, um Gitarre zu lernen, Rennrad zu fahren oder stundenlang zu telefonieren. Sie fühlen sich eingeengt durch die Ausgangssperre, sehnen sich nach Kino, Theater und Kneipenbummel. Ehrlich gesagt: Meinen persönlichen Lockdown habe ich vor gut acht Jahren erlebt, als meine Tochter geboren wurde. Abends auszugehen, ist für Eltern kleinerer Kinder ohnehin ein Ereignis mit Seltenheitswert. Das sage ich ohne Groll: Ich habe es so gewollt und liebe das Familienleben.

    Wir haben auf Senioren Rücksicht genommen – lasst uns auch auf Kinder Rücksicht nehmen

    Anders als mancher Single haben wir auch kein Problem mit Einsamkeit, das ist viel wert. Langweilig ist uns nie. Im Gegenteil. Permanent sind mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Dabei das Atmen nicht vergessen! Mancher läuft schon seit Monaten auf dem Zahnfleisch. Viele Familien hat es weitaus härter getroffen als uns, da sind die Schäden gravierender.

    Wie geht es nun weiter? Wo geht die Reise hin? Was brauchen Familien? In erster Linie: Entlastung. Ein möglichst rasches Impfangebot für Kinder und Jugendliche. Damit diese sich wieder frei bewegen und entfalten können. Bis es soweit ist, muss man auf die Vernunft aller anderen hoffen: Dass sie sich an die Regeln halten. Gemeinsam haben wir Rücksicht genommen auf die Senioren. Das war toll. Nun sollten wir auch auf die Kinder Rücksicht nehmen – und alle anderen Ungeimpften.

    Wir brauchen die Lockerungen – aber mit Vorsicht. Die dritte Welle ebbt ab. Doch nach der Welle könnte wieder vor der Welle sein. Von einer Herdenimmunität sind wir noch weit entfernt.

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    Alle wichtigen Fragen und Antworten zu Corona in Niedersachsen gibt's hier . Welche Regeln zurzeit in Braunschweig gelten, erfahren Sie hier.

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