„Jedes Unternehmen arbeitet im Alleingang – so entsteht unter anderem ein Wettlauf um staatliche Fördermittel.“

Die Salzgitter AG ist nicht alleine. Der Stahlkonzern hat sich auf den Weg gemacht, den CO2-Ausstoß seiner Produktion schrittweise zu verringern. Bis 2050 sollen die Emissionen um 95 Prozent sinken – die Stahl-Erzeugung also nahezu CO2-neutral werden. Dabei setzt das Unternehmen auf die Elektrifizierung seiner Prozesse und auf den Einsatz von Wasserstoff. Gestern nun startete der Duisburger Konkurrent Thyssen-Krupp einen Testlauf in der Stahl-Produktion, bei dem ebenfalls Wasserstoff eingesetzt wird. Im Prinzip bestätigt dies die Strategie der Salzgitteraner, auch wenn es große Unterschiede in der technischen Umsetzung gibt.

Das Gute an dieser Entwicklung: Die Industrie gewichtet – vor allem wegen des politischen Drucks – die Verringerung des CO2-Ausstoßes immer stärker. Das ist dringend erforderlich, um die Erderwärmung zu bremsen.

Das Schlechte: Jedes Unternehmen arbeitet an einer eigenen Vorgehensweise. Und das in Zeiten, in denen der Druck auf die deutschen Unternehmen wegen des Stahl-Überangebots, des Handelskonflikts zwischen den USA und China und der vergleichsweise strengen Klimaschutzpolitik in der EU ohnehin groß ist. Hinzu kommt, dass der Umbau zu einer CO2-ärmeren Stahl-Produktion Milliarden-Investitionen erfordert. Die Salzgitter AG spricht von
1,25 Milliarden Euro bis 2030, Thyssen-Krupp von 10 Milliarden bis 2050.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Hier geht es nicht um die Stärkung der Idee einer deutschen Stahl AG – also eines Zusammenschlusses der deutschen Unternehmen. Es geht auch nicht um das Aushebeln des Kartellrechts. Immer wenn Produkt-Innovationen, Qualität, Preise und Marktpräsenz im Spiel sind, sollen und müssen die Stahl-Konzerne Wettbewerber bleiben. Aber warum sollten sie nicht eine gemeinsame Strategie und gemeinsame Projekte für den Klimaschutz verfolgen – zum Beispiel, wenn es um den Aufbau der erforderlichen Wasserstoff-Infrastruktur geht ? So könnten Kräfte gebündelt, Kosten gespart werden. Aus der Gemeinsamkeit könnte Stärke entstehen, zum Nutzen der Unternehmen und vor allem ihrer Mitarbeiter.

So haben sich etwa die deutschen Autobauer trotz aller Konkurrenz zusammengetan, um den Ausbau der Elektro-Mobilität zu beschleunigen. Sie haben das Gemeinschaftsunternehmen Ionity gegründet, das entlang europäischer Fernstraßen 400 Schnellladeparks für E-Autos errichtet. Das bündelt Kapazitäten und steuert Investitionen.

Die deutschen Stahl-Unternehmen haben sich gerade erst auf den langen Weg zum Umbau ihrer Produktion gemacht. Daher ist es noch nicht zu spät, über Kooperationen ernsthaft nachzudenken.