Die Anamnese-Gespräche geraten oft zu kurz. Das bestätigen auch Ärzte.

Was haben Allgemeinmediziner und Journalisten gemeinsam? Junge Leute überlegen es sich heute zweimal, ob sie diese Berufe ergreifen – weil die Bezahlung oft nicht stimmt, weil man öfter als früher bei der Arbeit angefeindet wird, aber auch weil Jüngere höhere Ansprüche an die Work-Life-Balance als vorangehende Berufseinsteiger-Generationen haben. Die Folge, hier wie dort: Nachwuchsmangel.

Machen sich die Auswirkungen im Journalismus eher schleichend bemerkbar, so sind die des Ärztemangels schon heute offensichtlich . Die Hausärzteschaft ist überaltert. Und der Mangel erreicht die Städte, in Salzgitter ist er schon da. Damit sich der negative Trend umkehrt, muss die Übernahme einer Hausarztpraxis attraktiver werden – gerade dort, wo es schon jetzt an Ärzten fehlt. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wegen des vorhandenen Ärztemangels sind die wenigen Praxen mancherorts so überlaufen, dass einem jungen Arzt, der mit dem Gedanken spielt, eine solche zu übernehmen, der Burnout unausweichlich scheinen muss.

Wer Lösungsvorschläge diskutiert, sollte neben der Infrastruktur auf dem Land dem Thema Zeit besondere Aufmerksamkeit schenken. Das betrifft erstens die oft ausufernde Tagesarbeitszeit niedergelassener Ärzte. Daneben brauchen die Mediziner aber auch mehr Zeit für den einzelnen Patienten – wie der Journalist für seine Recherche. Anamnese-Gespräche geraten oft deutlich zu kurz. Das bestätigen auch Ärzte. Mancher Patient fühlt sich abgefertigt. Das ist wohl einer der Gründe, warum sich viele – zumindest bei leichten Erkrankungen – beim Heilpraktiker oder Homöopathen besser aufgehoben fühlen. Dort, wo der Ärztemangel schon heute Realität ist, ist das Zeitproblem nicht auf die Schnelle zu beheben. Trotzdem: Ein erster Schritt wäre, das Anamnese-Gespräch im Verhältnis zu anderen Arzt-Leistungen deutlich besser zu bezahlen.