„Wirtschaftsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben. Die Zeit für Musterklagen war längst reif.“

Drei Jahre nach Bekanntwerden des Abgas-Betrugs bei VW sollen Kunden doch noch auf Schadenersatz hoffen können. Der Verbraucherzentrale-Bundesverband und der ADAC haben die erste sogenannte Musterfeststellungsklage auf den Weg gebracht, der sich betroffene Kunden kostenlos anschließen können. Die Klage hat es in sich: In Deutschland fuhren mehr als zwei Millionen Diesel mit Betrugs-Motor, bisher geklagt hatten nicht einmal 30.000 Besitzer. Da die Klage kein finanzielles Risiko birgt – außer dass auch eine Niederlage bindend wäre –, könnten hier kurz vor der Verjährungsfrist am Jahresende doch noch zahlreiche Betroffene aktiv werden. Hinzukommen könnten zudem Kunden aus dem Ausland.

Bisher haben die Gerichte – zumindest nach Angaben der Wolfsburger – in der Mehrheit der Fälle nicht den Kunden, sondern dem Autobauer Recht gegeben. An der Frage, ob VW schadenersatzpflichtig ist, ändert auch die neue Klageform nichts. Doch die Musterklage unterscheidet sich in einem entscheidenden Punkt von bisherigen Kunden-Klagen, für die zahlreiche Anwaltskanzleien werben: Es handelt sich nicht um ein Geschäftsmodell findiger Anwälte. Den Verbraucherschützern geht es nicht ums eigene Geld, sondern um den Verbraucherschutz. Der Abgas-Skandal, in dem sich die Wolfsburger gegenüber den betroffenen Kunden wenig reumütig zeigten, hat also ironischerweise den Verbraucherschutz insgesamt gestärkt. Denn dass das Gesetz noch vor der Verjährungsfrist umgesetzt wurde, dürfte auch auf den Umgang mit dem Skandal in Wolfsburg zurückgehen.

Auch wenn die Gewinne längst wieder sprudeln, könnte ein hoher Schadenersatz für eine große Zahl von Kunden den Konzern doch wieder ins Schleudern bringen. Letzteres ist nicht zu hoffen. Doch Wirtschaftsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben. Die Zeit für Musterklagen war längst reif.