“Die Regierung steht wegen des ungelösten Streits um die Flüchtlinge am Abgrund.“

Wer geglaubt hat, ­Washington oder Pjöngjang hätten ein Monopol auf Machtdramen und Polit-Irrsinn, muss nicht mehr so weit blicken. In der deutschen Hauptstadt, bis vor Kurzem politisch wahrscheinlich der stabilste Ort der Welt, herrscht Endzeitstimmung.

Die Regierung steht wegen des ungelösten Streits um die Flüchtlinge am Abgrund. Wenn nicht Vernunft einkehrt, könnte sie schon am Montag einen Schritt weiter sein.

Dabei wäre es Wahnsinn, eine bürgerliche Regierung nach nicht einmal 100 Tagen im Amt zu sprengen und in Zeiten chaotischer Weltpolitik in Neuwahlen zu gehen. Beide Partner – Union und SPD – könnten den maximalen Schaden davontragen.

Größter Profiteur wäre mutmaßlich die AfD. Deren Sympathisanten imponieren die Muskelspiele von Seehofer & Co. wenig. Sie würden beim Thema Flüchtlinge sicher das „Original“ wählen.

Fest steht: Die Kanzlerin muss sich diesmal bewegen. Horst Seehofer wird sich nicht noch einmal ihren Willen aufzwingen lassen.

Die aktuelle Solidarität in der CDU ist auch eher mit der Wut auf die Rücksichtslosigkeit der CSU als mit dem Verständnis für Merkels Flüchtlingspolitik zu erklären.

Jetzt, auf dem Höhepunkt einer großen Krise, wäre die beste Gelegenheit für die Kanzlerin, endlich Druck auf die EU-Regierungen zu machen. Denn natürlich kann es auf Dauer nicht gut gehen, dass die Nachbarn Deutschland beim Thema Flüchtlinge derart hängen lassen.

Eine ernst gemeinte Frist der Bundesregierung für das Umsetzen einer gerechten Verteilung von echten Flüchtlingen und eines funktionierenden Grenzschutzes in Europa ist überfällig. Sie könnte die Lösung dieser Regierungskrise sein.

Denn auch in Wien, Paris, Budapest und Prag ist klar: Auf Dauer ist Flüchtlingspolitik zulasten Deutschlands nicht durchzuhalten. Und ein Deutschland ohne Angela Merkel würde die eigenen Probleme mit Mi­granten eher dramatisch vergrößern als verkleinern.