Horst Seehofer gehört nicht unbedingt zu den Lieblingen im Berliner Politikbetrieb. Bajuwaren gelten dort als etwas verschrobene Hinterwäldler. Aber eines muss man dem Bundesinnenminister lassen: Seehofer hat früher als alle anderen Politiker vor den Folgen der Flüchtlingskrise gewarnt. Als die Kanzlerin das luftige Versprechen gab, „wir schaffen das“, zürnte Seehofer über einen „Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird“.

Drei Jahre später ist die Mehrheit der Deutschen – das zeigen Umfragen wie Wahlen – von der Willkommenskultur abgerückt. Und für die Kanzlerin noch entscheidender: Für die Union gilt dasselbe.

Die Flüchtlingskrise hat das Land tief gespalten und Europa auseinanderdividiert. Die Kanzlerin hat längst ihre ursprüngliche Entscheidung Schritt für Schritt korrigiert, zu dem Eingeständnis eines Fehlers aber ist sie verständlicherweise nicht bereit.

Ein Zurückweisen von illegalen Migranten an der Grenze wäre ein solches Eingeständnis. Es ist aber, um in Merkels Sprache zu bleiben, alternativlos: Es wäre das überfällige Signal, dass Deutschland nicht das gelobte Land für Migranten sein kann, die ein besseres Leben suchen. Man muss jeden Menschen verstehen, der ein besseres Leben sucht. Man muss aber auch jedes Land verstehen, das seine Grenzen schützt.

Heute ist Deutschland in Europa isoliert. Auch wenn Seehofer oft in die rechte Ecke gestellt wird, sein Masterplan ist europäischer Mainstream: So denkt Österreich, so handelt die rot-grüne Regierung in Schweden, so wollen es die Dänen. Deshalb verfängt Merkels Argumentation mit Europa wenig – die meisten Staaten erwarten ein Signal aus Deutschland, das die Flüchtlingsströme bremsen soll. Seehofers Plan mit dem Zurückweisen könnte ein solches Signal sein. Das Problem: Wie im großen Flüchtlingsstreit 2016 stehen Merkel und Seehofer sich unversöhnlich gegenüber. Anders als damals sind aber viele Christdemokraten auf die bayerische Seite gewechselt. Sie fürchten ein weiteres Erstarken der AfD.