Lüneburg/Magdeburg. 23.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Die Flutwelle rollt auf Niedersachsen zu.

Die Flutwelle der Elbe bricht immer neue Rekorde und lässt Deiche bersten. In Magdeburg mussten sich am Sonntag 23 000 Menschen vor den herannahenden Wassermassen in Sicherheit bringen. Auch die Stromversorgung in der Stadt war bedroht. Die gewaltige Flutwelle rollt nun auf Brandenburg und Norddeutschland zu. Und als wäre dies nicht schlimm genug: In Sachsen-Anhalt lösten Anschlagsdrohungen gegen Deiche zusätzlich Unruhe aus.

Zehntausende Menschen wissen nicht, wann sie zurück in ihre überschwemmten Häuser dürfen. Dazu kamen am Sonntag neue Unwetter: In Sachsen fielen extreme Mengen Regen und Hagel.

Bundespräsident Joachim Gauck sprach den Hochwasser-Opfern sein Mitgefühl aus. Er besuchte am Sonntag Hochwassergebiete an der Saale und Elbe. «Man kann sich nicht vorstellen, was da alles zu bewältigen ist», sagte er. In der Marktkirche in Halle gedachte er gemeinsam mit Hunderten Menschen der Opfer der Flutkatastrophe, die ihr Leben und ihr Hab und Gut verloren haben. Zugleich machte er den Menschen Mut: «Dass wir es wieder packen, das haben wir auch bei der Flut 2002 bewiesen.»

Tausende Helfer haben am Sonntag in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) gegen einen immer weiter steigenden Wasserstand der Elbe gekämpft. Nach einer neuen Prognose könnte am Sonntag in Magedeburg ein Spitzenstand des Pegels an der Strombrücke von 7,50 Metern erreicht werden, teilte der Krisenstab der Landesregierung mit. Ursprünglich war mit einem Wert von 7,20 gerechnet worden. Beim Hochwasser 2002 waren es dort 6,72 Meter.

Die Einsatzkräfte in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt gingen bis an die Grenzen ihrer Kräfte. Rund 700 Soldaten versuchten mit allen Mitteln, ein Umspannwerk in der Stadt zu retten. Sollten sie den Kampf gegen das Wasser verlieren, hätte das verheerende Folgen: Viele der Pumpen, die pausenlos durchsickerndes Wasser zurück in die Elbe schaffen, hätten keinen Strom mehr.

Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) mahnte zur Ruhe und bat die Bürger, den Aufforderungen der Stadt zur Räumung von Rothensee nachzukommen. Ein Großteil der rund 3000 Betroffenen sei inzwischen in Sicherheit gebracht worden, hieß es beim Krisenstab.

Nach einer Drohung mit Anschlägen auf Deiche hat Sachsen-Anhalt auch die Überwachung der Anlagen aus der Luft und vom Boden aus verstärkt. Dies sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Sonntag. Ein Drohschreiben sei mehreren Medien übermittelt worden. «Wir nehmen das Bekennerschreiben ernst», sagte der Minister. Es werde nun alles Erforderliche getan, die Bürger sollten weiterhin die Ruhe bewahren. Kein Deich sei unbewacht.

In Niedersachsen hat der Wasserstand der Elbe in Hitzacker einen neuen Rekordwert erreicht. Am Sonntagabend wurden laut Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes 7,71 Meter gemessen, ein Zentimeter mehr als der bisherige Höchstwert aus dem Januar 2011. Wann und in welcher Höhe der Elbe-Scheitel die Stadt erreicht, ist unklar: Während der Katastrophenschutzstab des Landkreises bisher 8,20 Meter in der Nacht zum Dienstag erwartet, rechnet das Wasser- und Schifffahrtsamt Magdeburg für Donnerstag mit 8,50 Metern.

Mit der Evakuierung der von den Wassermassen bedrohten Altstadt von Hitzacker haben die letzten Vorbereitungen für die erwartete Elbeflut begonnen. Hier wird der Scheitelpunkt der Elbe am Mittwoch erwartet. Die 280 Bewohner der von Elbe und Jeetzel umflossenen Altstadtinsel mussten ihre Häuser bis Sonntag (20 Uhr) verlassen, teilte die Stadt Hitzacker mit.

Auch an anderen Orten entlang der Elbe in Niedersachsen bereiteten sich die Einsatzkräfte und Anwohner auf die ab Montag erwarteten Rekordwasserstände vor, nachdem die Wassermassen in der Nacht zum Samstag stärker und schneller zugenommen hatten als erwartet. Im Kreis Lüchow-Dannenberg wurden wegen der Hochwasserlage weitere Straßen gesperrt.

Die Evakuierung Hitzackers war schon vor einigen Tagen ins Auge gefasst worden, wegen der zunächst gesenkten Prognosen wurde sie dann aber aufgeschoben. „Es sieht im Moment nicht danach aus, dass es Schwierigkeiten gibt“, sagte der Sprecher der Einsatzkräfte, Mirko Tügel, zum Verlauf der Evakuierung. Bürgermeister Jürgen Meyer betonte im NDR-Fernsehen, dass es sich um eine Vorsorgemaßnahme handele. Er schätze die Lage nicht als gefährlich sein, sagte der parteilose Bürgermeister der Samtgemeinde Elbtalaue.

Die Hochwasserschutzmauer an der idyllischen Altstadtinsel wurde in den vergangenen Tagen so erhöht, dass sie laut Tügel einem Wasserstand von 9 Metern standhalten kann. Das sind 80 Zentimeter mehr als der nun ab Montagabend erwartete Rekord-Wasserstand von bis zu 8,45 Metern. Doch es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Treibgut die mit mobilen Wänden erhöhte Schutzmauer beschädigt.

Ausschlaggebend für die Evakuierung sei der rasante Anstieg der Elbe in der Nacht zum Sonntag gewesen. Am Mittag wurden in Hitzacker 7,47 Meter gemessen, 40 Zentimeter mehr als erwartet. Beim Hochwasser 2011 war dort ein Wasserstand von 7,70 Metern registriert worden. Im flussabwärts gelegenen Lauenburg (Schleswig-Holstein) mussten die Menschen am Sonntag ebenso die Altstadt verlassen.

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg rief am Sonntag die Menschen auf, beim Befüllen von Sandsäcken mitzuhelfen. Rund 500 Helfer wurden am Nachmittag im Kieswerk Tramm gezählt, darunter auch Bochumer Feuerwehrleute. „Die Stimmung in der Sandgrube war sehr gut, so sang beispielsweise ein Jugendchor aus der Region für die eingesetzten Helfer“, sagte ein Feuerwehrsprecher. „Wir machen das vorsorglich. Wenn Deichwachen Schadstellen entdecken, könnten wir dann nachlegen“, sagte Kreissprecherin Dörte Hinze. Die Verstärkung der 25 Kilometer langen Elbe-Deiche um bis zu einen Meter sei am Samstag beendet worden.

Auch flussabwärts, im Kreis Lüneburg, gingen die Vorbereitungen weiter. Die insgesamt 76 Kilometer langen Elbe-Deiche sollten mit Sandsäcken um 30 Zentimeter erhöht werden, sagte ein Sprecher des Katastrophenschutzstabs. Auf einer Länge von 45 Kilometern seien die Arbeiten bis zum Mittag abgeschlossen worden, der Rest solle bis Montagmittag fertig sein.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat möglichen Flutopfern in Niedersachsen schnelle Hilfe versprochen. „Wir müssen abwarten, was passiert. Aber Niedersachsen wird seine Bürgerinnen und Bürger nicht im Regen stehen lassen“, sagte Weil der in Hannover erscheinenden „Neuen Presse“ (Samstag). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor Flutopfern im Süden Deutschlands versprochen, für jeden Euro, den die Länder in die Fluthilfe steckten, einen weiteren Euro dazu zu geben. Dafür seien in einem ersten Schritt 100 Millionen Euro bereitgestellt worden.

Weil sagte, es sei beunruhigend, dass Jahrhunderthochwasser in so kurzer Zeit aufeinanderfolgen würden. „Nicht wenige Stimmen warnen, dass dieser Trend durch den Klimawandel begünstigt wird“, sagte Weil. Daher müsse auch der Kampf gegen den Klimawandel in den nächsten Jahren weiterhin hohe Priorität haben dpa

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