Magdeburg. In Magdeburg kämpfen Hunderte von Helfern darum, eine tief liegende Elb-Insel in der Innenstadt vor den Fluten zu schützen.

Die 74-jährige Annerose Knorr und ihr Mann Joachim sitzen einsam in der Turnhalle des Humboldtgymnasiums und warten auf ihren Sohn. Er will sie mit nach Berlin nehmen. Erst einmal weit weg von der Elbe. Joachim Knorr sagt: „Wir hatten uns schon mit Lebensmittel eingedeckt. Als aber der Strom abgeschaltet und keine Toilette mehr benutzt werden sollte, war Schluss.“ Beim Auszug mit einem Koffer der Habseligkeiten halfen Mitarbeiter der Johanniter.

Dabei hatte bisher alles noch so gut ausgesehen. Helfer stapelten Sandsäcke, darunter viele Freiwillige, die den letzten Verteidigungswall der tiefer gelegenen Elb-Insel Werder vor der Flut nicht aufgeben wollen.

Doch seit Sonnabend hatte sich die Lage dramatisch verschärft. Die Elbe kletterte über einen Pegel von 7,40 Meter und das Wasser drang bereits durch die Sandsäcke. Auch aus den Gullys sprudelte es. Anwohner hatten deshalb schon am Vortag ihre Autos aus dem Krisengebiet fahren müssen.

Auch in der Zollstraße stieg das Wasser in der Nacht zum Sonnabend zusehends. Das Ordnungsamt forderte die Bewohner auf, das Gebiet vorsorglich zu verlassen. Einsatzleiter Manfred Neumann: „Wir haben heute am frühen Morgen das Altenpflegeheim geräumt. Die Bewohner waren darauf aber schon vorbereitet.“ Neumann, der bereits das siebente Mal einen Hochwassereinsatz führt, erklärt das Problem, das die Elb-Insel Werder in den nächsten Tagen erwartet. „Unsere Hauptsorge ist das Drängwasser aus den Gullys und die Unterspülungen an den Sandsackwällen. Ich bin aber guter Hoffnung, dass wir die Insel halten können“, sagt er. 3000 Menschen leben in dem Stadtteil zwischen Alter Elbe und Strom-Elbe.

Dank des Einsatzes von 100 Feuerwehrmännern aus Potsdam und Ziesar entspannt sich die Lage zunächst. Sie pumpen mit sechs Hochleistungsaggregaten das Wasser über den Sandsackwall zurück in die Elbe.

Damit dies nicht vergebens ist, sorgen Bundeswehrsoldaten und Hunderte Freiwillige Helfer für den sichernden Sandwall an der Zollstraße, in der das Wasser bereits in die Keller gelaufen ist. Hauptfeldwebel Markus Becker ist mit seiner Einheit des Jägerregimentes I aus Schwarzenborn in Hessen für das korrekte Stapeln der Sandsäcke zuständig. Alles läuft wie am Schnürchen. „Für mich ist es beeindruckend, wie sich hier die Menschen gegenseitig helfen“, sagt Becker. Hunderte stehen bereit, wollen anpacken.

Die Arbeit gerät dennoch ins Stocken. Sandsäcke fehlen, obwohl sie in den Füllstationen bereits zur Abholung stehen. „Das liegt daran, dass wir zurzeit nicht genügend Kraftfahrer haben. Die müssen nach 20 Stunden dringend mal Pause machen“, sagt er. Nur wenige Stunden später ist aber in der gesamten Stadt wieder alles unterwegs, was irgendwie Sandsäcke transportieren kann.

Während die Bundeswehreinheiten sich um die größeren Baustellen wie in Rothensee kümmern, bringen an der Zollstraße auch Multicar, PKW mit Anhänger und Kleintransporter die begehrten Sandsäcke. Profis helfen auch von der Wasserseite aus. Es sind Strömungstaucher der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft aus Süddeutschland, die darauf achten, dass die Sandsäcke auch ihre Wirkung nicht verfehlen.

Dennoch heißt es weiter Zittern auf dem Werder, auch wenn der Sonntag zunächst keine weitere Verschlechterung der Situation brachte. Wegen des Wassereinbruchs in den Kellern wurde der Strom für die gesamte Straße abgestellt. Einsatzleiter der Feuerwehr Neumann: „Der Strom ist auch für uns nicht ungefährlich. Einer der Feuerwehrleute hat auch schon einen leichten Stromschlag erlitten.“

Den Kampf um die Häuser will keiner auf dem Werder aufgeben. An einer Schutzfolie steht: „Wir haben Euch und die Elbe lieb ..., aber hier ist auch für die Elbe Schluss!“ Hoffentlich.