Debatte des Tages. Erst vor Wochen hat er den Chefsessel bei Air Berlin geräumt, nun steigt Hartmut Mehdorn auf den Schleudersitz am Hauptstadtflughafen. Drei Jahre will er bleiben. Und den Flughafen auch eröffnen.

Hartmut Mehdorn, Ex-Chef von Deutscher Bahn und Air Berlin, soll den Berliner Hauptstadtflughafen aus dem Chaos führen. Der 70 Jahre alte Topmanager ist neuer Vorsitzender der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg. Mehdorn habe einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben und trete am Montag an, sagte Airport-Aufsichtsratschef und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Freitag auf der Baustelle in Schönefeld. Für das frühere Prestigeprojekt ist nach vier gescheiterten Anläufen noch kein neuer Eröffnungstermin in Sicht.

Mehdorn will aufs Tempo drücken, wie er bei seiner Vorstellung ankündigte. „Ich bin zuversichtlich, dass wir hier ein kleines Powerhouse aufmachen können.“ Schwierigkeiten scheue er nicht: „Ich bin bekannt dafür, dass ich einen geraden Weg gehe.“

Mehdorn folgt auf Rainer Schwarz, der im Januar entlassen worden war. Anders als Schwarz wird Mehdorn Vorsitzender der Geschäftsführung und nicht nur ihr Sprecher. Mehdorn trägt damit die Gesamtverantwortung. Platzeck (SPD) als Aufsichtsratschef sagte, Mehdorn sei ein sehr erfahrener Manager und exzellenter Branchenkenner. Er sei sicher, dass der frühere Bahnchef den Flughafen zu mehr Akzeptanz verhelfe, ihn zurück in die Erfolgsspur und zu einer gelungenen Eröffnung führe.

Bauherren des Flughafens sind die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund. Die kalkulierten Kosten stiegen seit Baubeginn im Jahr 2006 von 2,0 Milliarden auf zuletzt 4,3 Milliarden Euro.
Die deutsche Luftfahrtbranche begrüßte die Berufung. Aus Sicht des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft muss Mehdorn nun auch für die Flüge bis Mitternacht und ab 5.00 Uhr kämpfen - denn Brandenburg will mehr Nachtruhe. Mehdorn lehnte eine Ausweitung des Flugverbots ab. Er wolle „sehen, ob es nicht andere Kompromisslinien gibt“.

„Das ist eine reizvolle Aufgabe, keine Frage“, sagte Mehdorn, warnte aber auch vor zu hohen Erwartungen. „Ich kann auch nicht zaubern.“ Es gehe um eine Teamleistung. „Ich will die Mannschaft revitalisieren.“ In seiner neuen Funktion hat Mehdorn nicht nur Verantwortung für den Neubau, sondern auch für die alten Flughäfen in Tegel und Schönefeld.

Platzeck, der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba (CDU) für den Bund sagten dem neuen Chef ihre Unterstützung zu. Mehdorn sagte, er könne sie jederzeit anrufen. „Sie haben mich geholt, jetzt müssen sie mich auch aushalten.“

Verkehrsminister Ramsauer erklärte in seiner Stellungnahme: „Ich bin sicher, Hartmut Mehdorn folgt auch ein Stück weit einer patriotischen Berufung, eine solche Herausforderung von nationaler Tragweite anzupacken (...).“
Der neue Chef hat nach eigenen Angaben freie Hand, wenn es um die Struktur der neuen Geschäftsführung geht. „Wir werden gucken, ob wir noch jemand brauchen.“ Der Aufsichtsrat wollte zuletzt den Posten des Finanzchefs schaffen. Bislang besteht die Geschäftsführung aus Mehdorn und Technikchef Horst Amann.

Amann sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Berufung Mehdorns sei für ihn brandneu. Er kenne Mehdorn schon lange. „Mehdorn ist ein Mann klarer Worte, ich auch.“ Er erwarte eine gute Zusammenarbeit. Wowereit sagte über Mehdorn: „In der Tat hat er Ecken und Kanten, und die werden wir ihm auch nicht mehr abschleifen, nehme ich an.“

Seinen Sitz im Verwaltungsrat von Air Berlin will Mehdorn abgeben. Die Schadenersatzklage, die er wegen des Flughafendebakels selbst als Air-Berlin-Chef gegen die Fluggesellschaft eingereicht habe, werde nicht über seinen Schreibtisch gehen, sagte er.

Auf scharfe Kritik ist die Berufung von Hartmut Mehdorn zum neuen Flughafen-Chef bei Bündnis 90/Die Grünen im brandenburgischen Landtag gestoßen. Fraktionsvorsitzender Axel Vogel sprach am Freitag von einer „überstürzten und unbedachten Entscheidung“ sowie von einer „Notlösung“. Als früherer Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG habe Mehdorn unter anderem die Berliner S-Bahn-Krise mitzuverantworten. Zudem sei dieser ein „glühender Verfechter des desaströsen Bahnhofsprojekts Stuttgart 21“ gewesen, wo Milliardenbeträge keine Rolle gespielt hätten.

Brandenburgs Linke im Landtag hat die Entscheidung für Hartmut Mehdorn als neuen Flughafen-Chef begrüßt und ihn gleichzeitig gemahnt, den Wunsch nach mehr Nachtruhe am Airport BER in Schönefeld ernst zu nehmen. „Nur so kann der Flughafen ein guter Nachbar werden“, sagte Fraktionschef Christian Görke am Freitag. Er wertete den Aufsichtsratsbeschluss aller der drei Flughafen-Gesellschafter zur Berufung Mehdorns als gutes Zeichen. Dieser bringe die nötige Durchsetzungskraft mit. „Der neue Mann hat den Charme einer Dampfwalze“, meinte Görke. Angesichts der komplexen Probleme auf der Baustelle sei das ein Vorteil.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhofft sich vom neuen Chef des Hauptstadtflughafens, Hartmut Mehdorn, neuen Schwung für das Projekt. Mehdorn übernehme eine komplexe Aufgabe, die einer allein nicht schaffen werde, sagte Merkel in München. Nun müsse im Sinne einer guten Projektsteuerung alles auf den Tisch kommen, was verbessert werden muss. „Und ich kann nur jedem, der an den Projekt mitarbeitet, eine glückliche Hand wünschen.“ Der frühere Bahnchef Mehdorn war am Freitag als Nachfolger des im Januar entlassenen Flughafenchefs Rainer Schwarz vorgestellt worden. dpa

Der Text wurde aktualisiert.