Braunschweig. Als Bahn-Chef war der Topmanager umstritten. Nun hat er sich einem der schwierigsten Projekte Deutschlands verschrieben, dem BER.

Hartmut Mehdorn, Ex-Chef von Deutscher Bahn und Air Berlin, bei der gestrigen Pressekonferenz auf dem Hauptstadtflughafen BER. Der Topmanager wird Geschäftsführer der Flughafengesellschaft. Grafik: Erwin Klein,Hartmut Mehdorn, Ex-Chef von Deutscher Bahn und Air Berlin, bei der gestrigen Pressekonferenz auf dem Hauptstadtflughafen BER. Der Topmanager wird Geschäftsführer der Flughafengesellschaft.
Hartmut Mehdorn, Ex-Chef von Deutscher Bahn und Air Berlin, bei der gestrigen Pressekonferenz auf dem Hauptstadtflughafen BER. Der Topmanager wird Geschäftsführer der Flughafengesellschaft. Grafik: Erwin Klein,Hartmut Mehdorn, Ex-Chef von Deutscher Bahn und Air Berlin, bei der gestrigen Pressekonferenz auf dem Hauptstadtflughafen BER. Der Topmanager wird Geschäftsführer der Flughafengesellschaft. © Hannibal/dpaErwin Klein, Foto: Hannibal/dpa

Im Grunde stecken in dieser Aussage zwei Aspekte: Hat Hartmut Mehdorn in seiner bisherigen Manager-Karriere überzeugt? Und: Ist er der richtige Mann für den Chefposten am Pannenflughafen in Berlin? Als Bahnchef erkämpfte Mehdorn einst Sanierungserfolge und wurde zum Buhmann für ein Heer von Bahn-Kritikern. Mit fast 71 Jahren steht der allzeit kampfbereite Sanierer, die Reizfigur, vor der nächsten Problem-Mission.

Reaktionen zur Berufung

Im Internet erntete der Ex-Bahnchef viel Spott. „Die Maya haben sich nur um drei Monate verrechnet“, kommentiert die „taz“ – und vergleicht die Überraschung des Tages mit dem Weltuntergang. „Einer, der sich mit Verspätungen auskennt“, lästert der „Der Westen“. Eine Satire-Website setzte noch eins drauf: „Umfrage: Mehrheit dachte, Mehdorn wäre schon längst Chef von Berliner Flughafen BER“.

Stimmen aus der Politik

Auch in der Politik gab es bissige Kommentare. Die Berufung Mehdorns ist nach Ansicht von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast ein Fehler. „So setzt sich die Flughafengesellschaft endgültig dem Gespött aus“, sagte sie.

Künasts Parteifreund Anton Hofreiter ist Vorsitzender des Bundestags-Verkehrsausschusses. Hofreiter saß schon im Ausschuss, als Mehdorn noch Bahnchef war. Es kam zu diversen Begegnungen. Auch er äußerte sich skeptisch. Der Flughafen hätte einen diplomatischen Chef gebraucht, der offen und behutsam auf Mitarbeiter, Aufsichtsräte und Auftragnehmer zugehen könne, sagte Hofreiter unserer Zeitung. „Hartmut Mehdorn kann ich mir in dieser Rolle nicht vorstellen.“ Mehdorns Biografie trägt den Titel: „Diplomat wollte ich nie werden.“ Nicht nur menschlich, auch fachlich hat Hofreiter Zweifel an Mehdorn: „Er hat noch nie einen Flughafen geleitet, noch nie eine Großbaustelle.“

Günter Lach sitzt für die CDU als stellvertretendes Mitglied im Bundestags-Verkehrsausschuss. Der Wolfsburger hält Mehdorn für den Richtigen auf dem Flughafen-Chefsessel. „Er hat eine große Erfahrung, ist ein großer Ingenieur. Mehdorn erinnert mich ein wenig an Herrn Piëch bei VW. Er gehört zum alten Schlag. Ich erwarte, dass Mehdorn sich voll einsetzen wird und einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Flughafens leisten wird – gerade als Berliner.“

Wie Lach stärkt auch Kirsten Lühmann (SPD) dem neuen Flughafen-Chef den Rücken. Lühmann ist Bundestagsabgeordnete aus Celle und begegnete Mehdorn, als sie für die Beamtenunion mit dem damaligen Bahnchef Tarifverhandlungen führte. Lühmann lernte Mehdorn als harten Verhandlungsführer kennen. Auch sie sitzt nun im Bundestags-Verkehrsausschuss. „Wir müssen Herrn Mehdorn eine Chance geben. Er muss in Ruhe arbeiten können. Als Ex-Air-Berlin-Chef ist er in der Branche gut vernetzt, das spricht für ihn. Ich bin keine Prophetin, in sechs Monaten können wir mehr über Mehdorn in seiner neuen Funktion sagen.“

Ein Personalberater über Mehdorn

Selbst für Kenner der Branche kam der Mehdorn-Deal überraschend. „Das war ein echter Schachzug“, sagt Wulf Dehn, Seniorpartner bei der Personalberatung Egon Zehnder, dem Marktführer in Deutschland. Dehn will nicht sagen, ob er beruflich schon einmal mit Mehdorn zu tun hatte. In seiner Branche gilt Verschwiegenheit als oberstes Gut. Aber: „Wir sind gut verdrahtet.“

Dehn glaubt nicht, dass eine Beraterfirma bei der Personalie die Finger im Spiel hatte. „Das war eine Entscheidung auf Zuruf. Die Entscheider im Flughafen-Aufsichtsrat werden Namen in die Waagschale geworfen haben, werden diese bewertet haben.“

Mehdorn bezeichnet der Headhunter als gute Lösung. „Auf diesen Schleudersitz muss eine überzeugende Persönlichkeit, eine Gallionsfigur mit viel Erfahrung. Seniorität und Bekanntheitsgrad spielen für diese Position eine Rolle. Entscheidend sind aber die Managementfähigkeiten“, sagt Dehn.

Darunter zählt für den Personalberater strategische Kompetenz. „Er muss mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft gleichermaßen gut klarkommen. Das hat Mehdorn bei der Bahn gelernt. Was ihn außerdem auszeichnet, ist sein Durchhaltevermögen. Mehdorn bringt die Bereitschaft mit, dicke Bretter zu bohren.“

Manager Mehdorn

Mehdorn hat den Ehrgeiz und die Beharrlichkeit eines Aufsteigers. Er ist 1942 in Warschau geboren, wo sein Vater als Soldat stationiert war. In den Nachkriegswirren verschlug es die Familie über Berlin nach Bayern. Nach dem Maschinenbau-Studium begann Mehdorns Karriere beim Bremer Flugzeugbauer Focke-Wulf. Ab 1974 bereitete er die Airbus-Serienfertigung vor, 1979 rückte er in den Airbus-Vorstand in Toulouse auf. Von 1989 bis 1992 war er Chef von Airbus Deutschland. In dieser Zeit lernte er Rüdiger Grube kennen, seinen Nachfolger als Bahnchef. 1995 wurde Mehdorn Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen AG.

Bahnchef Mehdorn

Der großen Öffentlichkeit wurde Hartmut Mehdorn 1999 bekannt. Er übernahm den Chefposten bei der Deutschen Bahn – und führte das Amt so lange, dass viele das Wort Bahnchef für seinen Vornamen hielten: bis 2009.

War er erfolgreich? Das kommt darauf an, wen man fragt. Die Bahn-Pressestelle verschickt Schaubilder, auf denen man sieht, dass während Mehdorns Amtszeit aus anfangs hohen Verlusten später gigantische Gewinne wurden.

„Das mag sein“, sagt Björn Gryschka, beim Fahrgastverband Pro Bahn Vorsitzender der Region Braunschweig. „Mehdorn hat alles seinem Ziel untergeordnet, die Bahn börsenfähig zu machen: Er hat an der ICE-Flotte geknapst und Investitionen ins Schienennetz herausgeschoben.“

Kurzfristig frisiert das die Bilanzen, weil Kosten gesenkt werden. „Aber das rächt sich Jahre später, die Bahn leidet bis heute darunter“, sagt Gryschka. Dass es bei Hitze oder Kälte regelmäßig Probleme mit den Zügen gebe, sei eine Spätfolge des Mehdornschen Spardiktats. Mehdorn selbst beteuert: „Mein Vorstand hat die Bahn nicht kaputtgespart, wir haben sie saniert.“

Im letzten Kapitel von Mehdorn als Bahnchef blitzt auf, was nicht nur Gewerkschafter als „System Mehdorn“ kritisiert haben. „Es herrschte eine Kultur des Misstrauens und der Angst im Konzern“, sagt Gryschka. Mehdorn trat zurück, weil der Konzern systematisch Mails und Mitarbeiterdaten überwacht hatte.

2002 verklagte Mehdorn den damaligen Pro-Bahn-Chef Karl-Peter Naumann wegen geschäftsschädigender Aussagen. Naumann hatte nach einer Fahrkartenreform behauptet, dass jeder zweite Kunde zu viel für sein Ticket bezahlen müsse. „Ein halbes Jahr später war die Reform zurückgenommen und die zuständige Bahnmanagerin gefeuert“, sagt Gryschka.

Zwischen dem Unternehmen und dem Fahrbahnverband herrschte fortan Eiszeit. Bahn-Mitarbeiter, denen ihr Job lieb war, sprachen unter Mehdorn nicht mit Pro Bahn, berichtet Gryschka. Unter Mehdorns Nachfolger Rüdiger Grube habe sich das wieder entspannt. „Es gibt einen regelmäßigen Austausch.“

Grube war sogar beim Verbandstag von Pro Bahn. „Dort haben wir den Bahnhofsmanager von Gera ausgezeichnet, der im Sinne der Kunden gehandelt hat und dabei auch im eigenen Konzern angeeckt ist“, sagt Gryschka. „Unter Mehdorn hätte der sich gehütet, den Preis anzunehmen. So aber saß Grube im Publikum und hat noch applaudiert.“

Fluglinienchef Mehdorn

Ende 2011 wurde Mehdorn Chef der angeschlagenen Fluggesellschaft Air Berlin. Im Januar dieses Jahres endete das Intermezzo.

Gestern kündigte Mehdorn an, sich auch aus dem Verwaltungsrat von Air Berlin zurückzuziehen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Und die gibt es: Als Airline-Chef verklagte Mehdorn den Flughafen, dessen Chef er nun ist. Durch die Verschiebung des Eröffnungstermins haben die Fluggesellschaften, die schon alles vorbereitet hatten, viel Geld verloren. „Wir werden die Klage fortführen“, sagt Air-Berlin-Sprecher Matthias Radowski.

PANNENFLUGHAFEN – DIESE PROBLEME MUSS MEHDORN LÖSEN

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Mehr als 20 000 Mängel müssen am Hauptstadtflughafen repariert werden. In der Fehlerliste sind auch kleinste Defizite wie beschädigte Fliesen aufgeführt. Das Hauptproblem ist der Brandschutz.

Der Eröffnungstermin ist schon vier Mal verschoben worden. Mit einer Eröffnung vor 2015 wird nicht mehr gerechnet. Ein neuer Termin soll nicht vor Herbst dieses Jahres angekündigt werden.