Braunschweig. Stärke und Dauer des Schutzes variieren unter Geimpften und Genesenen stark. Die Regeln können dem nicht voll gerecht werden, so Gérard Krause.

Bekannte von mir, die mit Corona infiziert waren, ließen sich auf Antikörper testen. Obwohl sie nach einem halben Jahr noch einen weit höheren Antikörperwert hatten als mancher Geimpfte, hat das Gesundheitsamt sie für „ungeimpft“ erklärt. So bekommt man die Pandemie nicht in den Griff.

Dies schreibt unser Leser Gert Fischer aus Braunschweig. Zum Thema recherchierte Andreas Eberhard

Die Dauer des Immunschutzes, den eine von Covid-19 genesene oder gegen das Virus geimpfte Person hat, kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen. Gleichwohl gilt jeder, der mit einem in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoff geimpft wurde, nach 14 Tagen als „vollständig geimpft“. Je nach Impfstoff sind dafür zwei (Biontech, Moderna, Astrazeneca) oder eine Spritze (Johnson-&-Johnson) notwendig. Personen, die eine Coronainfektion durchgemacht haben, gelten offiziell ein halbes Jahr lang als geschützt. Auf der einen Seite steht also die tatsächliche Immunität des Körpers der betreffenden Person, auf der anderen Seite steht die gültige Definition von „ungeimpft“, „geimpft“ oder „genesen“. Obwohl etwa die Wirksamkeit der Impfstoffe gegenüber der Delta-Variante des Coronavirus unterschiedlich ausfällt, gelten alle Geimpften gleichermaßen als geschützt. Dass der tatsächliche Immunschutz und der offizielle Status in der Realität voneinander abweichen können, wirft, nicht nur bei unserem Leser, Fragen auf – „berechtigte Fragen“, wie der einflussreiche Epidemiologe Gérard Krause von Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) betont.

Immunität ist mehr als Antikörper im Blut

„Bis heute gibt es keinen einfachen Labornachweis, um die Stärke der zellulären Immunität zu messen“, sagt der Braunschweiger Epidemiologe Gérard Krause (HZI).
„Bis heute gibt es keinen einfachen Labornachweis, um die Stärke der zellulären Immunität zu messen“, sagt der Braunschweiger Epidemiologe Gérard Krause (HZI). © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes

Einfache Antworten auf diese Fragen gibt es aber nicht. Es ist nämlich kaum möglich, laufend flächendeckend zu erfassen und zu attestieren, wie es um den individuellen Immunschutz der Menschen bestellt ist. Zwar sei es relativ einfach möglich, nachzuweisen, ob und wie viele Antikörper im Blut sind, erklärt Krause und verweist auf eine gerade veröffentlichte Studie, die das HZI durchgeführt hat. Allerdings bilden die Antikörper nur einen Teil der Immunität ab. Der Professor erläutert: „Selbst wenn die Menge der Antikörper nach Impfung oder Infektion nach vier bis fünf Monaten abnimmt, ist davon auszugehen, dass trotzdem noch ein Schutz besteht, der vielleicht nicht vor einer erneuten Infektion, jedoch recht gut gegen eine schwere Erkrankung schützt.“ Leider gebe es bis heute keinen einfachen Labornachweis, der in der Lage wäre, die Stärke dieser „zellulären Immunität“ zu messen. Dies bedeute, fasst Krause zusammen, „dass es derzeit nicht valide und auch kaum praktikabel erscheint, einen biologischen Indikator für das Vorhandensein von Immunität, als Maßgabe etwa für Zugangsregelungen für Veranstaltungen oder Reisen einzusetzen“.

Krause: Anpassung der Zeitintervalle vorstellbar

Vorstellbar ist aus Krauses Sicht aber, dass umfassende systematische Auswertungen inzwischen vorhandener klinischer und epidemiologischer Studien dazu führen, die von ihnen genannten Zeitintervalle anzupassen – also die Gültigkeit eines Genesenen-Ausweises oder des digitalen Impfnachweises.

Das Bundesgesundheitsministerium bestätigt auf Anfrage, dass „die medizinisch-fachlichen Erkenntnisse und Bewertungen laufend in die zeitliche Festlegung der medizinischen Gültigkeitsdauer eines Impfzertifikats einfließen“. Auch wenn die technische Gültigkeit eines digitalen Impfzertifikats zur Zeit ein Jahr ab der Ausstellung beträgt, ist bisher ist aber kein „Ablaufen“ des rechtlichen „Geimpft“-Status festgelegt.

Krause erklärt dies mit einem „allgegenwärtigen gesundheitspolitischen Dilemma, das nicht nur bei der Bewältigung dieser Pandemie eine Herausforderung darstellt. Einerseits ist die Empfänglichkeit oder die Immunität gegenüber einem Infektionserreger eine sehr individuelle Konstellation, die neben dem Immunsystem, der Impfung und dem Alter von einer Vielzahl anderer Faktoren abhängig ist. Andererseits gelte es, einfach anwendbare Kriterien für Maßnahmen zu finden, die auch in großer Menge und allgemein umgesetzt werden können.

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